Hamburg. 1800 Gäste erweisen Helmut Schmidt beim Staatsakt am Montag die letzte Ehre. Am Sonntag wurde der Ablauf der Trauerfeier geprobt.

Wenn die Welt heute nach Hamburg blickt, um Helmut Schmidts zu gedenken, ist es für einen Hamburger eine ganz besondere Ehre, dabei zu sein. Und natürlich sei er deswegen unglaublich aufgeregt, sagt Jochen Wiegandt. Als Volkssänger sei man nur einmal im Leben Teil eines Staatsakts. „Deshalb möchte ich ganz mit dem Herzen dabei sein“, sagt Wiegandt. „Und mir vorstellen, nur für Helmut Schmidt zu singen.“

Am heutigen Montag wird nichts dem Zufall überlassen

Am Sonntag musste der Sänger noch einmal zur letzten Probe in den Michel. Dann hoffentlich gut schlafen und heute der große Auftritt beim Staatsakt zu Ehren des am 10. November verstorbenen Altkanzlers: Um kurz vor 11 Uhr, am Ende des kirchlichen Teils, wird Jochen Wiegandt nur mit seiner Gitarre vor die 1800 geladenen Gäste treten und ein Lied spielen, das sich Helmut Schmidt in seinem Testament ausdrücklich gewünscht hat: „Mien Jehann“.

Die Menschen trauern um Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt

Blumen und Kerzen schmücken Zaun und Bürgersteig vor dem Haus von Helmut Schmidt im Hamburger Stadtteil Langenhorn.
Blumen und Kerzen schmücken Zaun und Bürgersteig vor dem Haus von Helmut Schmidt im Hamburger Stadtteil Langenhorn. © dpa | Axel Heimken
Der ehemalige Bundeskanzler ist am Dienstag im Alter von 96 Jahren in seinem Haus gestorben.
Der ehemalige Bundeskanzler ist am Dienstag im Alter von 96 Jahren in seinem Haus gestorben. © dpa | Bodo Marks
Viele Trauernde legen Blumen und Kerzen ab.
Viele Trauernde legen Blumen und Kerzen ab. © dpa | Christian Charisius
Jemand verabschiedet sich mit den Worten „Danke Herr Schmidt“, die er auf ein Stück Pappe geschrieben hat, von dem verstorbenen Alt-Bundeskanzler.
Jemand verabschiedet sich mit den Worten „Danke Herr Schmidt“, die er auf ein Stück Pappe geschrieben hat, von dem verstorbenen Alt-Bundeskanzler. © dpa | Christian Charisius
„HH sagt Tschüß“ – Auch ein selbstgemaltes Herz mit einer Zeichnung von Helmut Schmidt und seiner Frau Loki haben Passanten niedergelegt.
„HH sagt Tschüß“ – Auch ein selbstgemaltes Herz mit einer Zeichnung von Helmut Schmidt und seiner Frau Loki haben Passanten niedergelegt. © dpa | Daniel Bockwoldt
Auch am Tag nach dem Tod von Helmut Schmidt legen die Menschen Blumen und Kerzen vor dem Haus des verstorbenen Alt-Bundeskanzlers ab, wie diese Polizistin.
Auch am Tag nach dem Tod von Helmut Schmidt legen die Menschen Blumen und Kerzen vor dem Haus des verstorbenen Alt-Bundeskanzlers ab, wie diese Polizistin. © dpa | Axel Heimken
An der Fassade der Parteizentrale der SPD, dem Willy-Brandt-Haus in Berlin, ist eine Projektion des Lichtkünstlers Oliver Bienkowski zu sehen. Sie zeigt den Schriftzug „R.I.P. Helmut Schmidt“ und ein Bild des rauchenden Alt-Bundeskanzlers.
An der Fassade der Parteizentrale der SPD, dem Willy-Brandt-Haus in Berlin, ist eine Projektion des Lichtkünstlers Oliver Bienkowski zu sehen. Sie zeigt den Schriftzug „R.I.P. Helmut Schmidt“ und ein Bild des rauchenden Alt-Bundeskanzlers. © dpa | Gregor Fischer
Bundeskanzlerin Angela Merkel trägt sich im Bundeskanzleramt in das Kondolenzbuch für den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt ein.
Bundeskanzlerin Angela Merkel trägt sich im Bundeskanzleramt in das Kondolenzbuch für den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt ein. © REUTERS | STEFANIE LOOS
Auch Bundespräsident Joachim Gauck (links) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier unterschreiben.
Auch Bundespräsident Joachim Gauck (links) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier unterschreiben. © REUTERS | STEFANIE LOOS
Vor dem Schloss Bellevue hängen die Flaggen zum Gedenken an den früheren Bundeskanzler auf Halbmast.
Vor dem Schloss Bellevue hängen die Flaggen zum Gedenken an den früheren Bundeskanzler auf Halbmast. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Trauer auch am Rathaus von Hamburg: Dort hängt die Europaflagge mit Trauerflor zum Gedenken an Helmut Schmidt.
Trauer auch am Rathaus von Hamburg: Dort hängt die Europaflagge mit Trauerflor zum Gedenken an Helmut Schmidt. © dpa | Axel Heimken
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Dieses Lied aus der Feder des norddeutschen Dichters Klaus Groth (1819–1899) erzählt von der wehmütigen Rückschau eines alten Menschen auf die unbekümmerte Jugend. Groth hatte es für seinen toten Bruder Johann geschrieben – als alternder Dichter, der sich umblickt und niemanden mehr sieht, mit dem er seine Gedanken teilen könnte. „Ein schönes Stück“, sagt Wiegandt. In den letzten Tagen habe er kaum etwas anderes geprobt. Wie auch alle anderen Mitwirkenden des Staatsaktes nichts dem Zufall überlassen.

Zugangs- und Personenkontrollen rund um den Michel

Am Sonntagvormittag tauchten bei leichtem Schneefall die ersten Kamerateams am Michel auf, das Wachbataillon probte einzelne Teile der Trauerfeier. Die Polizei hatte schon zuvor Anwohner rund um die Kirche mit Aushängen in Hauseingängen über die geplanten Sperrungen informiert.

Demnach sind die Häuser während des Staatsakts, der um 9 Uhr mit dem Einlass beginnt, nur zu Fuß zu erreichen. Weil Zugangs- und Personenkontrollen erfolgen, rät die Polizei den Anwohnern, Personalausweise dabeizuhaben und auf Verlangen vorzuzeigen. Am Sonntag hatten viele Anwohner bereits ihre Wagen umgeparkt. Denn während des Staatsaktes gilt im Michel-Umfeld striktes Halteverbot.

Das muss man zum Staatsakt im Michel wissen

Nicht ohne Grund, denn selten hat Hamburg so eine Vielzahl an hohen Persönlichkeiten empfangen. Für den zweiten Staatstrauerakt der jüngeren Stadtgeschichte – bisher gab es erst einen 1995 für Ex-Finanzminister Karl Schiller (SPD) – wurden etwa 2200 Einladungen verschickt, unter anderem an sämtliche Staats- und Regierungschefs in Europa, alle Bundesminister, Staatssekretäre und die Ministerpräsidenten der Länder sowie die Senatoren und die Bürgerschaft der Stadt.

Die Gäste beim Staatsakt für Helmut Schmidt

Angela Merkel, Bundeskanzlerin
Angela Merkel, Bundeskanzlerin © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Bernd Von Jutrczenka
Joachim Gauck, Bundespräsident
Joachim Gauck, Bundespräsident © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Bernd von Jutrczenka
Valéry Giscard d’Estaing, ehem. franz. Präsident
Valéry Giscard d’Estaing, ehem. franz. Präsident © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Stephanie Pilick
Jens Stoltenberg, Generalsekretär Nato
Jens Stoltenberg, Generalsekretär Nato © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Nikolay Lazarenko
Giorgio Napolitano, ehem. Präsident Italiens
Giorgio Napolitano, ehem. Präsident Italiens © picture alliance / Sven Simon | dpa Picture-Alliance / FrankHoermann/SVEN SIMON
Martin Schulz, EU-Parlamentspräsident
Martin Schulz, EU-Parlamentspräsident © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Klaus-Dietmar Gabbert
Norbert Lammert, Bundestagspräsident
Norbert Lammert, Bundestagspräsident © picture alliance / Sven Simon | dpa Picture-Alliance / FrankHoermann/SVEN SIMON
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Doch auch in Monis Snack-Shop an der Englischen Planke war der Staatsakt das Thema. Für Moni, die Imbissverkäuferin, hätten die Informationen für die Nachbarschaft ruhig früher kommen können. Ihre Kunden sehen es eher gelassen. „Na ja, es wird vielleicht einmal im Leben passieren, dass hier abgesperrt wird für unseren Hamburger Jung’“, sagt ein Nachbar. „Ich kann damit leben. Wann stirbt schon mal ein Hamburger Kanzler?“, sagt Günter Gollasch, der in der Nähe wohnt.

Sicherheitslage ist üblich für einen Staatsakt

Anwohner Nils Wenke meint: „Man arrangiert sich mit der Situation.“ Wenn Staatsgäste kämen, sollten die auch Platz haben. Er überlegt, seine Kinder am Montag statt in die Kita zu bringen, zu Hause zu lassen oder zur Großmutter zu geben. Die besonderen Sicherheitsmaßnahmen findet der Anwohner generell gut: „Paris wirkt schon nach.“ Dabei habe sich die Sicherheitslage in Hamburg nicht verändert. „Wir werden den Einsatz mit der für den Staatsakt üblichen Konzeption und der dafür üblichen Kräftelage durchführen“, sagte Polizeisprecher Timo Zill. Besonders am Michel werde die Polizei sehr präsent sein. „Wir stehen hierzu im ständigen Austausch mit dem Bundeskriminalamt, das für die Sicherheit unter anderen des Bundespräsidenten zuständig ist.“ Zumal neben aktuellen Repräsentanten wie dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, An­dreas Voßkuhle, und dem Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auch alte Weggefährten Schmidts wie der ehemalige italienische Präsident Giorgio Napolitano und der ehemalige französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing im Michel Platz nehmen werden. Sie alle erweisen Helmut Schmidt die letzte Ehre. Und hören eines seiner Wunschlieder: „Mien Jehann“.

Das Erste zeigt den Staatsakt in der Zeit von 10 bis 12.45 Uhr, Rolf Seelmann-Eggebert kommentiert. Im Internet überträgt unter anderem abendblatt.de live