Hamburg. Nutzer-Zahl liegt unter den Erwartungen. Ergänzendes Mobilitätsangebot der Hochbahn soll den Wechsel der Verkehrsmittel erleichtern.

Zunächst sind da nur grüne Parkplätze. Es gibt sie am Berliner Tor oder am Wandsbeker Markt, an der Kellinghusenstraße sind sie gerade fertig geworden. Und es werden immer mehr. In der ganzen Stadt soll diese hoffnungsfroh gestaltete Straßenmarkierung eine Idee voranbringen, die es bisher noch nicht ganz ins Bewusstsein aller Hamburger geschafft hat. Dabei klingt es vor allem in der Großstadt vernünftig, Leihautos, Leihfahrräder und den öffentlichen Nahverkehr sinnvoll und einfach zu verknüpfen. Geradezu moralisch überlegen, keines dieser Fahrzeuge besitzen zu wollen, sondern zu teilen. Doch noch können sich nicht alle Hamburger etwas unter der Hochbahn-Tochter Switchh vorstellen.

Switchh – das soll nämlich mehr sein als grüne Parkplatzfarbe. Das ergänzende Mobilitätsangebot der Hochbahn soll den Wechsel der Verkehrsmittel erleichtern und dafür Knotenpunkte bieten, an denen Kunden noch einfacher von Bussen und Bahnen auf StadtRäder und den Carsharing-Anbieter Car2go sowie auf Fahrzeuge von Europcar umsteigen können. Jetzt, nach einer zweijährigen Pilotphase, soll Switchh seinen Kinderschuhen entwachsen, die Einstiegshürden sinken. Wobei „ergänzendes Mobilitäts­angebot“ kompliziert klingt, aber ganz einfach sein soll. Das Credo lautet: Einmal anmelden, alle Verkehrsmittel nutzen. Von Ende Oktober an sollen Kunden noch unkomplizierter „switchhen“ können. Neben HVV-Abonnenten will die Hochbahn auch Spontanfahrern einen leichteren Zugang zu den Angeboten ermöglichen. Bis dahin dürfte auch der zweite große Hamburger Carsharing-Anbieter DriveNow an Bord sein. Zumindest wird das angestrebt.

Dirk Bestmann ist jemand, der für diese Idee brennt. „Es ist ein Vorzeigeprojekt“, sagt er. Als Hochbahn-Bereichsleiter ist Bestmann einer der Quasi-Väter des Switchh-Gedankens und muss schon von Berufs wegen für das „ergänzende Mobilitätsangebot“ werben. Aber er wirkt auch wie jemand, der den inhaltlichen Nutzen für die von der Parkplatzsuche zermürbte Großstadtgesellschaft privat zu schätzen weiß. Vor allem im Innenstadtgebiet, wo Autos mangels Stellplätzen und Staus zum Problem werden können, soll das Angebot eine Alternative zum eigenen Fahrzeug sein. Die studienuntermauerte Idee: Für die urbane Gesellschaft wird das frühere Statussymbol Auto immer unwichtiger. Stattdessen wechseln mobile Menschen das Verkehrsmittel je nach Bedarf möglichst einfach und flexibel, kombinieren Bahn, Bus, Auto, Taxi und Fahrrad nach eigenem Gusto. Damit gehe Switchh auf verkehrs-, stadtentwicklungs- sowie umweltpolitische Ziele ein. Kurz: mehr Bewegungsfreiheit bei enger werdendem Raum. Für monatlich zehn Euro konnten bisher regis­trierte Kunden alle Produkte mit entsprechenden Freiminuten nutzen. Allein: Das Projekt blieb bisher hinter den Erwartungen zurück.

„Die waren tatsächlich höher“, sagt Dirk Bestmann. 2700 tägliche Nutzer hat Switchh momentan, angepeilt waren mal 10.000 – bei 1,8 Millionen Einwohnern. Nicht unrealistisch, zumal der Hamburger Verkehrsverbund jährlich neue Rekordzahlen meldet, 2015 etwa nutzten knapp 740 Millionen Fahrgäste den öffentlichen Personennahverkehr. Von Zielzahlen habe man sich aber inzwischen befreit, sagt Dirk Bestmann. Wichtiger sei nun, den Kundenstamm kontinuierlich zu erhöhen. Schließlich werde Switchh von Experten als beste Praxislösung im Bereich der flexiblen Mobilität gerühmt. „Hamburg ist in diesem Segment bundesweit führend“, sagt Bestmann. Ähnliche Angebote gibt es mit dem „HannoverMobil“, den sogenannten Mobilpunkten in Bremen, „BeMobility“ in Berlin und dem Produkt „Mobil in Düsseldorf“.

Eine genaue Zukunftsaussicht für das Hamburger Modell sei schwierig, weil man sich auf einem relativ unerforschten Markt ohne klar definierte Kundenwünsche bewege. Der grundlegende Wandel in der Mobilitätskultur von Ballungsräumen spiele Switchh aber in die Karten. Fakt sei laut Bestmann: „Mit den Erfahrungen aus der Pilotphase und Weiterentwicklungen rechnen wir mit einer positiven Entwicklung der Kundenzahlen – auf deutlich höherem Niveau als bislang.“

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Barmbek bekommt einen Switchh-Punkt

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    Dazu gehört, bis zum Jahr 2017 insgesamt 15 Switchh-Punkte an stark frequentierten Haltestellen einzurichten. Zudem sollen mehr Menschen angesprochen und die Nutzung vereinfacht werden. Eine Switchh-Karte für alle kartenbasierten Angebote wie Bus, Bahn, StadtRad und Carsharing-Anbieter sei das Ziel. Weil Car2go aber gerade auf ausschließliche Smartphonnutzung umgestellt habe, sei auch die HVV-App in stetem Wandel, um sie für alle Produkte nutzbar zu machen.

    Bisher ist der typische Switchh-Kunde männlich, autolos, 20 bis 35 Jahre alt und wohnt im Innenstadtbereich. Er fährt rund zwei Stunden im Monat Car2go. Nur 30 Prozent der Nutzer sind Frauen. „Da ist Luft nach oben“, sagt Bestmann. Noch in diesem Jahr soll das Angebot um alle relevanten Carsharer in Hamburg erweitert werden, wobei dann jeder das Einsteigerpaket von Switchh erwerben kann. Über die HVV-App sollen alle Anbieter erreicht und Fahrzeuge direkt reserviert werden können. Auch Rechnungen und Nutzungsdauer sollen sich dort digital spiegeln.

    „Viele Städte sind an unserem Modell interessiert“, sagt Dirk Bestmann. Münchner, Leipziger und Dresdner Fachleute hätten sich in Hamburg von der Güte des Projekts überzeugt, um Anregungen für ihre Städte mitzunehmen. 200.000 bis 300.000 Euro kostet ein Switchh-Punkt, der nicht nur aus grünen Parkplätzen besteht. Dass das nicht immer reibungslos funktioniert, mussten die Switchh-Pioniere am Schlump erleben, wo ihre Pläne am Anwohnerprotest scheiterten. „Grundsätzlich erfährt Switchh aber sehr viel Zuspruch und Sympathie. Bedenken und Widerstände sind sehr punktuell“, sagt Bestmann. Letztlich helfen sie sogar, die Idee bekannter zu machen.