Hamburg . Für die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung ist Olympia auch eine große Chance für die Integration der Flüchtlinge.

Als Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration ist die Hamburgerin Aydan Özoguz derzeit mit einer der größten Flüchtlingswellen der vergangenen Jahrzehnte konfrontiert. Im Interview erklärt die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende, die mit Hamburgs Innen- und Sportsenator und „Mister Olympia“ Michael Neumann verheiratet ist, warum diese Herausforderung aus ihrer Sicht nicht gegen eine Olympiabewerbung spricht – im Gegenteil.

Hamburger Abendblatt: Frau Özoguz, Sie haben mit dem Flüchtlingszustrom eine der größten Aufgaben überhaupt mit zu bewältigen, Ihr Mann soll Olympia nach Hamburg holen. Wird der Küchentisch manchmal zum Krisenstab?

Aydan Özoguz: Das nun nicht, aber klar sprechen wir auch über unsere großen Themen. Ich merke dabei immer wieder, dass beide Themen viel enger zusammenhängen, als man vielleicht zuerst denkt. Der Sport hat schon immer eine große integrative Kraft gehabt. Viele Sportvereine würden ohne junge Leute mit Migrationshintergrund gar nicht mehr existieren können. Und gerade Olympia führt ja Menschen aus aller Welt zusammen.

Die Aufnahme von Flüchtlingen bleibt für Jahre eine riesige Herausforderung. Wie soll Hamburg da auch noch eine Olympiabewerbung schultern?

Özoguz: Ich glaube, dass man das auf gar keinen Fall gegeneinander, sondern miteinander sehen sollte. Olympia ist doch die Chance, dass die Menschen noch näher aneinanderrücken. Da kann Fremdheit abgebaut werden. Man kann viel voneinander erfahren und gemeinsam etwas erreichen. Der größte Teil der Flüchtlinge ist jung. Viele machen jetzt Praktika, lernen Deutsch und machen eine Ausbildung. Im Jahr 2024 werden viele von ihnen normale Steuerzahler sein. Und wer weiß: Vielleicht nehmen auch einige der jetzt jugendlichen Flücht­linge sogar als dann schon eingebürgerte deutsche Athleten an Olympia teil. Gerade Hamburg hat ja viele minderjährige Flüchtlinge aufgenommen. Da sind bestimmt auch Sporttalente dabei.

Kann man überhaupt ungefähr vorher­sagen, wie sich die Flüchtlingszahlen in Zukunft entwickeln werden?

Özoguz: Ich denke, jetzt über den Winter werden sie zurückgehen. Es wirken die politischen Maßnahmen, sodass die Einreisen von Menschen des Balkans bereits deutlich zurückgegangen sind. Es wird dort durchaus wahrgenommen, dass es hier keine realistische Bleibemöglichkeit gibt. Schwer vorhersagen lässt sich die Entwicklung in Syrien. Wenn es dort zu einem Anzeichen von Frieden kommt, dann wird sich das natürlich auswirken. Denn die Flüchtlinge von dort haben ja in der Regel nicht das Ziel, zu uns zu kommen. Sie wollen in ihrer Heimat und der Region bleiben. Aber natürlich kann man nicht sicher sagen, was auf der Welt in den kommenden Jahren passieren wird.

Die Kosten für die Aufnahme und In­tegration sind immens. Auch Olympia kostet viel Geld. Allein Hamburg müsste 1,2 Milliarden Euro tragen. Ist das beides überhaupt leistbar?

Özoguz: Ich denke, ja. Hamburg hat einen soliden Finanzplan entwickelt. Und es ist jetzt noch genug Zeit, jedes Jahr haushälterisch etwas zur Seite zu legen. Wenn viele der Menschen, die heute als Flüchtlinge kommen, in ein paar Jahren arbeiten und Steuern zahlen, macht das die finanzielle Lage außerdem eher besser. Hamburg hat die Bewerbung von Beginn an als großes, nachhaltiges Stadtentwicklungsprojekt angelegt. Durch zusätzliche Wachstumsimpulse, zum Beispiel im Wohnungsbau, kann Olympia sogar helfen, die Wohnungssituation zu verbessern.

Der Bund weigert sich bisher, Zusagen für die Übernahme der 6,2 Milliarden Euro zu übernehmen, die Hamburg fordert. Wie bewerten Sie das?

Özoguz: Für mich ist nicht nur als Hamburgerin, sondern auch als Deutsche klar: Olympia ist eine Sache des ganzen Landes. Da kann der Bund nicht sagen: Lassen wir doch einmal die Aus­tragungsstädte sehen, wie sie klarkommen. Das ist doch eine riesige Chance für ganz Deutschland. Da erwarte ich die Unterstützung des Bundes. Und ich bin zuversichtlich, dass es die auch geben wird.

Wie schätzen Sie die Chancen Hamburgs auf die Spiele 2024 ein?

Özoguz: Das liegt jetzt erst einmal an den Hamburgern selbst. Immerhin 260.000 Menschen müssen beim Referendum Ja sagen zu Olympia. Das ist eine Herausforderung und sicher kein Selbstgänger. Ich selbst trommle deswegen – auch in meinem persönlichen Umfeld – für die Bewerbung, wo immer ich kann. Ich war auch selbst mit vielen Freunden zusammen im Stadtpark, um die Ringe zu formen.

Treiben Sie selbst auch Sport? Ihr Gatte ist ja ein großer Wandersmann. Laufen sie manchmal gemeinsam?

Özoguz: Na klar. Als wir uns kennen­gelernt haben, sind wir zum ersten Mal den Brocken im Harz hinaufgestiegen. Ich selbst bin ausgebildete Übungs­leiterin für Aerobic und Gymnastik. Früher bin ich auch viel geritten und gesurft. Aber als Staatsministerin komme ich kaum noch zum Sport. Immerhin: Ich gehe noch regelmäßig um die Alster. Auch wenn das, zugegeben, noch keine olympische Disziplin ist.