Buxtehude. Mein Traum von Olympia: Emily Bölk gilt als „Jahrhunderttalent“. Ihre Mutter nahm zweimal an Olympia teil.
Emily Bölk war noch nicht geboren, als ihre Mutter Andrea 1992 in Barcelona und 1996 in Atlanta am olympischen Handballturnier teilnahm. Die 17-jährige Buxtehuderin kennt aber die olympische Erinnerungspappkiste ihrer Mutter, viele Fotos und den Strohhut der deutschen Delegation aus Atlanta mit den gesammelten Pins dran. Und sie kennt die begeisterten Erzählungen ihrer Mutter: „Mama erzählt immer, dass alle Deutschen, egal ob sie sich vorher kannten, wie eine große Familie wurden.“
Emily, die beim Buxtehuder SV alle nur „Emmy“ nennen, entwickelte sich während der letzten Spiele in Peking und London zum TV-Junkie: „In unserer Familie läuft von Anfang bis Ende der Fernseher. Wir verfolgen dann alles, auch Turnen interessiert mich.“
Und wie ist für sie die Aussicht, 2024 selbst an Olympia teilzunehmen, womöglich in Hamburg? „An sich bei Olympia dabei zu sein, wäre schon ein Riesentraum. Und dann noch zu Hause, das wäre unglaublich! Meine Familie und meine Freunde könnten alle dabei sein.“ Sie hat schon mal gerechnet: „Ich wäre dann 26, also im optimalen Alter.“ Ihre Mutter findet die Vorstellung, als Zuschauerin in Hamburg 2024 ihre Tochter anzufeuern: „Weltklasse“. Sie schwärmt vom „olympischen Feeling und dem ganzen Drumherum.“
Daran, dass „Emmy“ 2024 im Nationalteam eine Leistungsträgerrolle spielt, zweifelt wohl niemand in Handball-Deutschland. Der Rückraum-Teenie, der beim BSV seine zweite Bundesligasaison spielt, gilt als „Jahrhunderttalent“. Über das unheimliche Lob sagt Emily selbst: „Ich freue mich, wenn man so etwas sagt, aber ich bilde mir darauf nichts ein. Ich akzeptier’ das so und versuche weiter mein Ding zu machen.“ BSV-Trainer Dirk Leun erklärt, dass die 1,81 Meter große Bölk alles mitbringt: „Emmy hat von der Genetik her alles in die Wiege gelegt bekommen.“ Ihre Mutter Andrea, 46, geborene Stein, misst 1,79 Meter und war auf denselben Positionen wie Emily (Mitte/halblinks) ein explosives Rückraumass. Die 201-fache Nationalspielerin wurde 1993 Weltmeisterin. Emilys Vater Matthias, 47, warf einst für den VfL Fredenbeck Tore, und die Oma – Inge Stein – spielte im DDR-Nationalteam.
Emily holte 2014 bei der U18-WM in Mazedonien Silber mit Deutschland und wurde zur wertvollsten Spielerin des Turniers gekürt – als damals knapp 16-Jährige. Im selben Jahr bekam sie den Erhard-Wunderlich-Preis als beste Nachwuchsspielerin Deutschlands.
Manchmal trauert sie verpassten Partys hinterher, aber das Positive überwiegt
Gleich in ihrer ersten Spielzeit gewann Emily den DHB-Pokal, den überhaupt ersten nationalen Titel für „Vizehude“: „Das war unglaublich, dass wir in meiner ersten Saison das Ding geholt haben.“ Im Vorjahr spielte sie unbekümmert auf, nun trägt sie als Stammspielerin schon große Verantwortung und startete wie der restliche BSV wackelig: „Am Anfang hatte ich ein bisschen Probleme, da habe ich mir unterbewusst zu viel Druck gemacht.“ Ihre Mutter sagt: „Man darf nicht vergessen: Emmy ist erst 17.“ Das vergisst man tatsächlich, denn Emily wirkt schon so groß und redet schon so reif. An ihren vielen Tränen nach der verpassten Meisterschaft in Thüringen sah man aber auch, dass sie durchaus noch klein ist. „Vom Typ her bin ich sehr emotional, und ich bin nicht mega erwachsen, ich bin gern noch 17.“ Die Zwölftklässlerin des Gymnasiums Buxtehude Süd trauert auch manchmal verpassten Partys hinterher: „Klar, wenn ich mal auf einer Megaparty fehle, wo alle sind, ärgere ich mich schon. Insgesamt gefällt es mir aber so wie es ist, und ich würde es wieder so machen.“ Ihre Vorbilder sind Domagoj Duvnjak (THW Kiel) und Andy Schmid (Rhein-Neckar Löwen).
Alles auf die Profisportkarte setzen will Emily aber nicht. Nach dem Abitur im nächsten Frühjahr will sie ein Jahr verschiedene Berufspraktika machen und danach voraussichtlich studieren.
Beim BSV weiß man, was man an ihr hat. „Wir müssen ein Umfeld für Emmy schaffen, dass sie möglichst lange bleibt. Länger als die nächsten ein, zwei Jahre können wir nicht sicher mit ihr planen“, sagt Dirk Leun, der sie nicht als klassische Spielmacherin, sondern als „Multifunktionsrückraumspielerin“ sieht. Manager Peter Prior fallen für Emily keine Superlative mehr ein: „Emmy ist einfach Emmy.“