Hamburg. Gegendemonstranten stoppen Protestzug. Aufruf unter dem Motto „Asylchaos stoppen“ lockt kaum 500 Menschen an.

Ein „durchdringendes, öffentliches Zeichen“ wollten sie setzen. „So machtvoll wir es überhaupt nur vermögen.“ So stand es in dem Aufruf der Hamburger AfD für ihre „Großdemo gegen das Asylchaos“. Auch die AfD-Landesverbände aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern hatten für die Veranstaltung geworben. Gemessen daran, blieb die Resonanz recht überschaubar: Nur etwa 500 Menschen kamen nach Angaben der Polizei am Sonnabend auf den Steintorplatz am Hauptbahnhof – einige Beobachter schätzten die Zahl sogar deutlich niedriger ein. Zu einem Protestzug durch die City kam es gar nicht, da mehr als 1000 Gegendemonstranten den Weg versperrten.

Politiker anderer Parteien in der Bürgerschaft zeigten sich im Anschluss erleichtert, dass Hamburg Bilder wie aus Dresden erspart blieben, wo regelmäßig Tausende gegen Flüchtlinge auf die Straße gehen und sich dabei zum Teil offen rechtsextrem oder ausländerfeindlich äußern.

„Die AfD hat versucht, hier in Hamburg eine Art Pegidapotenzial anzusprechen, aber das ist nicht auf­gegangen“, sagte Wolfgang Rose (SPD). Die geringe Resonanz habe deutlich gezeigt, dass der Spruch der AfD-Bundesvorsitzenden Frauke Petry, die in Hamburg „Wir sind das Volk“ gerufen hatte, eine Fehleinschätzung sei. CDU-Fraktionschef André Trepoll verwies darauf, dass in Klein Borstel oder Neugraben deutlich mehr Menschen Kritik an der Flüchtlingspolitik geäußert hatten, als zu dieser „Großdemo“ gekommen seien. „Das zeigt, dass sich diese Menschen nicht durch die AfD instrumentalisieren lassen.“ Er sei froh, dass es in Hamburg keine Stimmung wie in Teilen Ostdeutschlands gebe, denn das würde die „Fliehkräfte“ am politischen Rand stärken.

AfD-Anhänger
halten ein Plakat hoch, das Bundeskanzlerin Angela Merkel in
traditionell islamischer Tracht zeigt
AfD-Anhänger halten ein Plakat hoch, das Bundeskanzlerin Angela Merkel in traditionell islamischer Tracht zeigt © HA | Roland Magunia

„Wir haben hier eine internationale und multikulturelle Tradition“, sagte Antje Möller (Grüne). „Gleichzeitig haben die Hamburger in der jüngeren Vergangenheit ihre Erfahrungen mit rechtspopulistischer Politik gemacht. Das führt jetzt und hoffentlich auch zukünftig dazu, dass solche Demonstrationen hier keinen fruchtbaren Nährboden vorfinden.“

Sonnabend, um 13 Uhr, hatten sich auf dem Steintorplatz vor dem Museum für Kunst und Gewerbe einige Hundert Anhänger der rechtskonservativen AfD versammelt. Ihnen standen mehr als 1000 Gegendemonstranten gegenüber. Sie riefen „Haut ab, haut ab!“ Polizisten bildeten Ketten auf der Kreuzung Kirchenallee/Steintordamm, um die Lager auf Distanz zu halten. 600 Beamte waren im Einsatz.

Eine AfD-Sprecherin wies die Teilnehmer des Aufzugs, der unter dem Motto „Gegen das Politikversagen! Asylchaos stoppen!“ stand, darauf hin, dass rechtsextreme Propaganda, Parteienwerbung, verunglimpfende Transparente und das Führen der Reichskriegsflagge verboten seien. Dennoch wurden Schilder mit „Lügenpresse“ und einem Bild der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) emporgehalten, das diese in einer Burka zeigt. Aus dem Megafon eines Ordners erklang das Lied „Die Gedanken sind frei“.

AfD-Chefin Petry warf der Kanzlerin vor, sie überlasse die Asylpolitik dem Zufall. „Frau Merkel, wir sind diejenigen, die das Volk vertreten. Sie haben in Gedanken das Land verraten. Wir brauchen Sie nicht mehr“, rief Petry, was aber im gellenden Pfeifkonzert der Gegendemonstranten unterging. Mehrfach forderte Petry den Rücktritt der Kanzlerin und Neuwahlen. Die Bundesregierung müsse den Zuzug der Flüchtlinge begrenzen und das Asylgesetz einhalten.

Teilnehmer riefen „Wir sind das Volk“, Gegendemonstranten erwiderten: „Ihr seid das Problem!“ Um 14.15 Uhr wollten die AfD-Anhänger über die Route Steintorwall, Ballindamm und Jungfernstieg zum Gänsemarkt ziehen. Aber die Anhänger der Gegendemon­stration, zu der die Linkspartei und Studenten unter dem Motto „Gegen Rassismus und Ausgrenzung“ aufgerufen hatten, kesselten die AfD-Anhänger ein. Die Polizei brachte Wasserwerfer in Stellung und forderte auf, die Straße zu räumen. Zunächst schritten die Beamten aber nicht ein: Angesichts der hohen Anzahl von Gegendemonstranten habe man eine zu erwartende massive Auseinandersetzung vermeiden wollen, betonte ein Polizeisprecher.

Etwa 1000 Gegendemonstranten versammelten sich rund um die AfD-Veranstaltung
und verhinderten schließlich den geplanten Marsch durch die City
Etwa 1000 Gegendemonstranten versammelten sich rund um die AfD-Veranstaltung und verhinderten schließlich den geplanten Marsch durch die City © dpa | Daniel Bockwoldt

Stattdessen verständigten sich die Sicherheitskräfte mit AfD-Landeschef Bernd Baumann darauf, die Kund­gebung stationär fortzusetzen. Kurz vor 16 Uhr beendete die AfD ihre Kundgebung. Die Reiterstaffel der Polizei schirmte die Anhänger ab und führte sie in die U-Bahn-Station Hauptbahnhof – unter dem Applaus der Gegendemonstranten. Bis auf vereinzelte Würfe von Farbeiern, gegenseitige Beleidigungen und Rangeleien blieb die Lage ruhig. Ein AfD-Anhänger wurde von einem Gegendemonstranten angegriffen und leicht verletzt. Die Polizei nahm einen Tatverdächtigen fest.

Heike Sudmann (Linke) begrüßte die geringe Resonanz auf den Aufruf: „Die Behauptung der AfD, mit ihrer Haltung die schweigende Mehrheit zu vertreten, ist eindrucksvoll widerlegt worden.“ FDP-Fraktionschefin Katja Suding sagte: „Gut, dass hanseatische Liberalität und Gelassenheit für geringe Beteiligung und besonnenes Verhalten auf allen Seiten gesorgt haben.“