Hamburg will Tausende Flüchtlinge in Büros unterbringen
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Hamburg. Makler rechnen langfristig mit Halbierung der Leerstandsquote. Stadt mietet Objekte für bis zu 15 Jahre an, darunter Ex-Reemtsma-Büro.
Jahrelang standen die Gebäude leer, jetzt versprechen sie ein gutes Geschäft für Makler und Eigentümer zu werden. Wo Firmen ihre Mitarbeiter schon lange nicht mehr arbeiten lassen wollen, sollen nun Flüchtlinge unterkommen. „Pro Woche erhält die Stadt 200 bis 300 Angebote zu leer stehenden Bürogebäuden und Hallen“, sagt ein Branchenkenner. Oft betreffen die Angebote aber ein und dasselbe Objekt, was die Arbeit der Verwaltung nicht einfacher macht. Denn wegen des langen Leerstands haben gleich mehrere Makler die Immobilien im Bestand.
Die Bürogebäude müssen allerdings komplett leer sein, um in eine Flüchtlingsunterkunft umgewidmet zu werden. Nach Informationen des Abendblatts prüft die Stadt gegenwärtig mindestens 120.000 Quadratmeter für eine langfristige Anmietung oder auch einen Ankauf.
An Flächen dafür mangelt es nicht. Zwar ist die Leerstandsrate mit 6,2 Prozent relativ gering für einen Büromarkt. Andererseits gibt es aber rund 900.000 Quadratmeter an leer stehender Bürofläche. Rund die Hälfte davon entfallen auf die Kategorien B und C und sind für die Stadt interessant. Die Mietpreise in diesem Segment bewegen sich je nach Standort zwischen sechs und zehn Euro je Quadratmeter.
Das erst kürzlich vom Senat beschlossene Gesetz zur Beschlagnahme von Immobilien scheint kein Thema mehr. Im Gegenteil: Die Eigentümer hoffen eher, dass ihre Immobilie die Prüfung auch besteht und ein langfristiger Mietvertrag angeboten wird. „Wir haben der Stadt im Auftrag unserer Kunden 60.000 Quadratmeter an leer stehender Bürofläche angeboten“, sagt Tobias Scharf, Chef der Bürovermarktungssparte des internationalen Maklers Jones Lang LaSalle (JLL) in der Hansestadt. „Angesichts des starken Flüchtlingszustroms von 500 Personen täglich werden feste Unterkünfte dringend benötigt. Und die Eigentümer sind auch sehr interessiert, weil die Konditionen für solche Vermietungen sehr gut sind.“ Die Stadt schließe Verträge über eine Laufzeit von zehn, zum Teil sogar auch von 15 Jahren.
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Das betrifft zum Beispiel das Bürogebäude im Albert-Einstein-Ring mit einer Fläche von 9000 Quadratmetern, das von einer internationalen Immobiliengesellschaft für 15 Jahre und zu einem Mietpreis von 10,50 Euro pro Quadratmeter angemietet wurde, wie Branchenkenner berichten. In dem schon jahrelang leer stehenden Gebäude in Bahrenfeld waren einst der Zigarettenhersteller Reemtsma und die Kreditkartenfirma Barclaycard beheimatet. Inzwischen sind dort die Flüchtlinge eingezogen, die bisher noch in Zelten untergebracht waren.
Die Sozialbehörde begründet die Laufzeit mit dem Zustrom. „Wir gehen von einem anhaltend hohen Bedarf aus, auch wenn in dem Gebäude einzelne Flüchtlinge nicht so lange verweilen werden“, sagt Marcel Schweitzer, Sprecher der Sozialbehörde. „Der Zuzug wird anhalten. Wir brauchen Platz für die nächsten Jahre.“
Auch in der Innenstadt gibt es leere Büroflächen, wie im Springer-Gebäude, das zum Teil leer steht. Das Gebäude an der Caffamacherreihe wird zum 1. Januar an die Stadt Hamburg übergeben, die es von der Axel Springer SE gekauft hatte. Gegenwärtig sei keine Nutzung als Flüchtlingsunterkunft möglich, sagte eine Unternehmenssprecherin.
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Hamburgs Gewerbemakler rechnen in diesem Jahr noch mit zahlreichen Abschlüssen für Flüchtlingsunterkünfte. Allerdings werden diese Abschlüsse nicht in die Vermietungsstatistik einfließen, da es sich bei der Nutzung dann nicht mehr um Büroflächen handelt. Der Bedarf der Stadt hat aber Auswirkungen auf den Leerstand. „Wenn die Nachfrage so anhält, rechnen wir langfristig mit einer Halbierung des Leerstands“, sagt Scharf. Allein in diesem Jahr könne der Leerstand um 25 Prozent reduziert werden.
Wie sich die neue Nutzung der Büroflächen auf angrenzende reguläre Nutzung auswirkt, ist offen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass gewerbliche Mieter auslaufende Verträge nutzen, um den Standort zu wechseln, so Branchenkenner. Das hänge sicherlich davon ab, wie sich das Zusammenleben entwickele. „Diese Zusammenballung der Flüchtlinge an einzelnen Standorten halte ich mit Blick auf die Herausforderungen der Integration für problematisch“, sagt Heinrich Stüven, Vorsitzender des Grundeigentümer-verbands. Auch erwartet er Probleme, wenn Krach oder Emissionen der Gewerbetreibenden das Wohnen der Flüchtlinge beeinträchtigen.
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