Kiel. An der Förde kann man schon heute sehen, wie nachhaltig Olympische Spiele sein können – Boulevard über dem Wasser geplant.

Es ist ein typischer Herbsttag. Kräftiger Nordostwind treibt die tief hängenden Regenwolken in die Kieler Bucht. Es nieselt, als würde es regnen. Wer den Hafen entlangläuft, kann die vertrauten Geräusche vertäuter Segelboote hören – wenn die Fallen an die Masten schlagen und der Wind an den Wanten vorbeipfeift.

Wer erleben will, wie Nachhaltigkeit bei Olympia aussieht, muss in das Olympiazentrum Kiel-Schilksee fahren. Auf einem Hänger wird gerade ein größeres Boot über Land in eine gut fünf Meter hohe Bootshalle geschoben. In dem Gebäude sind bereits mehrere Boote eingelagert, in einer Ecke Segelmasten gestapelt. Von außen ist die Bootshalle erst auf dem zweiten Blick zu erkennen. Ihre großen Einfahrtstore passen sich in die vier längs zum Strand gebauten mehrstöckigen Gebäude ein.

Von der über die Bootshalle führenden Promenade mit ihren kleinen Läden und Cafés sowie den Balkonen der Wohnungen hat man einen wunderschönen Blick auf den Segelboothafen und die Ostsee. Man muss die Betonarchitektur der 70er-Jahre nicht mögen. Auch ein Fassadenanstrich täte dem nach oben hin schmaler werdenden Gebäudeensemble sicher gut. Aber das 1972 für die Olympischen Sommerspiele errichtete Segelzentrum ist auch mehr als 40 Jahre nach seiner Errichtung intakt und in Betrieb.

„Kiel ist inzwischen sicher einer der wichtigsten Segelhotspots der Welt“, sagt Felix Schmuck, Projektmanager im Kieler Rathaus und für Olympia 2024 zuständig. Da ist die Kieler Woche, die jedes Jahr mehrere Millionen Gäste anlockt. Da ist der Sporthafen, der von gut 20.000 Hobbyseglern genutzt wird. Und da ist das Segelzentrum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, in dem Wissenschaftler sich mit dem Sport beschäftigen.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in Schilksee der Fremdenverkehr. Der Segelsport etablierte sich allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg und wurde sogar erst nach den Olympischen Sommerspielen 1972 für den Ort dominierend. Seinerzeit wurde der Segelhafen angelegt, entstanden Promenade und Wohngebäude sowie die autobahnähnlichen Zufahrtsstraßen zu dem Kieler Vorort.

Mit dieser Geschichte im Gepäck war es für die Verantwortlichen in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt keine Frage, dass – sollte Hamburg 2024 tatsächlich die Olympischen Sommerspiele austragen – die Segelwettbewerbe in Kiel stattfinden. 146 Millionen Euro würde es kosten, heißt es in dem vor zwei Wochen vorgelegten Finanzierungskonzept. Oberbürgermeister Ulf Kämpfer geht davon aus, dass für die Stadt am Ende ein Betrag von maximal 41 Millionen Euro übrig bleibt. Kiel könne sich das aber leisten, fügt der Sozialdemokrat hinzu.

So ganz ohne Grund scheint diese Zuversicht nicht zu sein. Abgesehen davon, dass der größte Teil der Infrastruktur für olympisches Segeln bereits vorhanden ist, rechnen die städtischen Planer mit knapp 100 Millionen Euro an privaten Investitionen für Hotels, ein Segeldorf und einen modernen Segelcampus.

Da wäre beispielsweise der Olympiaboulevard, der den Hafen quert und zugleich mit der Promenade verbindet. Zudem wird der Boulevard auf die bereits vorhandene Mole hinausgeführt, so dass die Besucher über Wasser gehen können. Gut zweieinhalb Meter über der Wasseroberfläche soll das Bauwerk verlaufen und „das Segeln direkt erlebbar machen“, sagt Schmuck. „Besucher können hautnah erleben, wie die Sportler ihre Boote vorbereiten.“ Oder sie feuerten am Molenende von zum Wasser hin absteigenden Sitzstufen aus die Wettkämpfer bei der Ausfahrt auf die Regattastrecken an.

Den Mittelpunkt dieses Boulevards, dort wo bislang das Hafenmeistergebäude steht, wird der Segelcampus bilden. Das futuristisch anmutende Glasgebäude soll während der Olympischen Spiele die Wettkampfzentrale beherbergen. Danach – ganz im Sinne von Nachhaltigkeit – wird es Heimstatt des Deutschen Segler Verbands. „Ein leistungsfähiges Kompetenzzentrum für Segler und ein Schaufenster für die breite Öffentlichkeit“, wie es in der Machbarkeitsstudie heißt.

Stolz ist Schmuck auch auf den geplanten Neubau des Olympischen Segeldorfs direkt gegenüber dem Nordhafen, wo für die Zeit der Spiele die Wettkampfboote liegen werden. „Vom Bett in die Jolle“, beschreibt Schmuck die Situation. Das habe es, so sagt er jedenfalls, bei Olympischen Spielen noch nie gegeben.

Schmuck legt Wert auf die Feststellung, dass die Kieler Olympiabefürworter nicht nur die zwei Spiele-Wochen im Blick hätten. „Wir denken an die Zeit danach.“ Und an die Zeit davor, in der auch ohne Olympische Spiele millionenschwere Investitionen notwendig seien, „um den Ruf als Welthauptstadt des Segelns zu sichern“, wie Oberbürgermeister Kämpfer unlängst sagte.

Eigentlich soll dieser Hinweis die hohen finanziellen Kosten relativieren. Die Kritiker nehmen das Kostenargument aber gern auf. Wie in Hamburg hat sich in Kiel die Linke an die Spitze der Olympiagegner gesetzt. In Schilksee werde viel Geld verbrannt, das die Stadt an anderer Stelle dringend brauche, hieß es erst am Wochenende auf einem Kreisparteitag in Kiel.