Othmarschen. Das markante Gebäude von 1817 steht unter Zwangsvollstreckung – und ist in schlechtem Zustand. Experte schlägt vor dem Winter Alarm.
Sie gehört zu den ältesten und markantesten Häusern an der Elbchaussee: Die Säulenvilla oberhalb des Schulbergs – älteren Hamburgern auch noch als Landhaus Brandt bekannt. Jahrelang war das im Jahr 1817 errichtete Gebäude ein Schmuckstück mit einem ebenso gepflegten Garten. Mittlerweile bietet das einst imposante Anwesen an der Elbchaussee 186 ein Bild des Jammers: Unkraut und sogar Bäumchen wachsen aus dem Dach, die Fassade ist von Rissen durchzogen. Ganze Steinbrocken des geschwungenen Balkons scheinen schon herausgebrochen zu sein, das Grundstück ist zur Straße hin völlig zugewuchert.
Fakt ist: Wie der Bezirkspolitiker Sven Hielscher (CDU) herausgefunden hat, stehen Haus und Grundstück unter Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung der Forderungen von Gläubigern. Das heißt: Der eigentliche Eigentümer kann nicht mehr darüber verfügen. Über die genauen Hintergründe ist nichts zu erfahren.
Nur selten in den vergangenen Jahren war jemand auf dem Gelände zu sehen
Die Säulenvilla war in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Gegenstand von Gerüchten. Denn sie wurde zwar gut in Stand gehalten, war aber hermetisch abgeriegelt und wirkte geradezu abweisend. Nur sporadisch war jemand auf dem weitläufigen Gelände zu sehen, als einzige Lichtquelle diente meist die Außenbeleuchtung. Zuletzt war in dem Haus die Immobilien- bzw. Grundstücksverwaltung von Baron Ralf Rüdiger von Behren gemeldet. Doch wer dort in den vergangenen Wochen anrief oder versuchte, eine E-Mail zu senden, bekam keine Verbindung.
Die Familie von Behren hatte das unter Denkmalschutz stehende Haus Anfang der 1970er Jahre aus dem Nachlass der Familie von Holck gekauft und aufwendig renovieren lassen. Mehr als zwei Millionen Mark soll damals allein die Instandsetzung unter den Augen des Denkmalamtes gekostet haben. Die auf mehrere Mietwohnungen unterteilte Villa war seinerzeit in einem viel beklagenswerterem Zustand als heute.
Einen Eindruck davon vermitteln Szenen aus dem Film „Der amerikanische Freund“ von Wim Wenders, der 1977 in die Kinos kam. In diesem Streifen lebt der zwielichtige Tom Ripley (gespielt von Dennis Hopper) in der Säulenvilla.
Erschreckender Zustand: „Auf diese Weise kann man ein Haus auf Dauer hinrichten“
Die Villa, die äußerlich dem Weißen Haus in Washington ähnelt, hatte in ihrer langen Geschichte nur drei Besitzerfamilien. Erbaut wurde sie im Jahr 1817 für den Kaufmann Wilhelm Brandt, der das Gelände einem Othmarscher Bauern abgekauft hatte. Brandt hatte lange in Sankt Petersburg gelebt und gearbeitet, und das mondäne Haus an der Elbchaussee ist angeblich durch ein russisches Schloss inspiriert.
Wie es in dem Buch „Die Elbchaussee. Ihre Landsitze, Menschen und Schicksale“ von Paul Th. Hoffmann heißt, hatte Brandt ein ähnliches Haus auf der Halbinsel Krim gesehen und seinem Architekten J. Matthias Hansen entsprechende Vorgaben gemacht. Laut Hoffmann soll sich in der Villa über viele Jahre ein großes Wandgemälde befunden haben, das die weiten Hügel- und Wasserlandschaften der Krim darstellte.
1871 erwarb der wohlhabende Kaufmann Johann Benjamin Burchard das Anwesen, der einer der Mitbegründer der Villenkolonie Othmarschen war. Burchard starb 1897, seine Witwe erst 1928. Das Haus ging an die gemeinsame Tochter, Mathilde Gräfin Holck und schließlich, vor vierzig Jahren an die Familie von Behren.
Beim Lokaltermin vor dem Haus zeigt sich Denkmalpfleger und Architekt Alk Arwed Friedrichsen erschrocken über den äußeren Zustand des Hauses. „Auf diese Weise kann man ein Haus auf Dauer hinrichten“, sagt er spontan.
Und Sven Hielscher ergänzt, dass sich das juristische Prozedere bei einer Zwangsvollstreckung oft sehr lange hinzieht. „Ich appelliere dringend an das Denkmalschutzamt, dafür Sorge zu tragen, dass die Villa wenigstens winterfest gemacht wird“, so Hielscher.
Der Architekt Alk Friedrichsen sorgt sich um das Gesamtbild der Elbchaussee
Alk Friedrichsen, der sich unter anderem durch den Umbau der ehemaligen Oberpostdirektion am Stephansplatz und die Renovierung der Nien-stedtener Kirche einen Namen gemacht hat, sorgt sich schon lange um das Erscheinungsbild der Elbchaussee. Häufig zeigten sich Hamburg-Besucher vom viel gepriesenen Eindruck der berühmten Prachtstraße enttäuscht, weiß Friedrichsen, weil ihnen die Architektur mittlerweile viel zu beliebig und auch unspektakulär erscheint. Den über Jahrhunderte ausgeprägten und erhaltenen Stil der Elbchaussee sieht er massiv gefährdet, und die wenige noch bestehende historische Bausubstanz müsse unbedingt erhalten werden. „Bei der Säulenvilla bietet sich eine einmalige Chance“, so Friedrichsen, „weil nicht nur sie, sondern auch der dazu gehörende Park völlig unverändert erhalten sind.“
Auch Ann-Katrin Martiensen, Erste Vorsitzende des Bürgervereins Flottbek-Othmarschen, macht sich Sorgen um die alte Villa: „Es ist schade und unverständlich, dass das Anwesen in diesem Zustand ist. In dieser Gegend werden so viele Häuser gepflegt und in Stand gesetzt. Wenn der Besitzer das nicht selbst leisten kann, sollte er es wenigstens in liebevolle Hände abgeben.“