Das bekannte „Halbmondhaus“ mit der Hausnummer 228 soll verkauft werden. Ein Investor mit Begeisterungsfähigkeit wird nun gesucht.

Hamburg. Es ist unumstritten ein Architekturjuwel: die Remise, dieses halbrunde Stall- und Wirtschaftsgebäude in Othmarschen mit dem reetgedeckten Dach, dem schönen Runddurchgang im Mittelbau, an dem man nicht vorbeigehen oder -fahren kann, ohne es eines Blickes zu würdigen. Wegen seiner Form, womöglich auch wegen seiner gelb-verputzten Fassade hat sich im Volksmund schnell die Rede vom Halbmond eingebürgert, weshalb die Straße direkt neben dem Kulturdenkmal auch Halbmondsweg heißt.

Dieses Gebäude, 1796 von dem dänischen Architekten Christian Frederik Hansen für den englischen Großkaufmann John Thornten (1764 bis 1835) errichtet und 1820 nach einem Brand von seinem Neffen wieder aufgebaut, sucht einen neuen Besitzer.

Die Ernst & Claire Jung Stiftung, jetzige Eigentümerin, hat das Maklerbüro WE Wullkopf & Eckelmann damit beauftragt, einen Käufer zu finden. „Der neue Besitzer sollte Sinn für historische Baukunst haben und dem in die Jahre gekommenen Anwesen wieder Glanz verleihen wollen“, sagt Dirk Wullkopf. In seinem Exposé lässt der Betriebswirt der Immobilienwirtschaft und Sachverständige für Immobilienbewertung keinen Zweifel daran, dass eine Komplettsanierung bei diesem Kleinod ansteht. „Alle Leitungen, Bäder und Küchen müssen in dem Haus, das eine Gesamtwohnfläche von 307 Quadratmetern bietet und in vier Wohnungen unterteilt ist, erneuert werden. Das gilt ebenso für die Holzböden und einfachverglasten Fenster.“ Auch das 2012 stellenweise ausgebesserte Reetdach müsse neu überprüft werden. Andererseits sieht die Energieeinsparverordnung für Gebäude unter Denkmalschutz Ausnahmen vor. Auch bieten Denkmäler die Vorzüge erhöhter steuerlicher Abschreibungsmöglichkeiten, so der Makler weiter.

Tag der offenen Tür am 28. Februar

Damit Interessierte sich selbst einen Eindruck vom Zustand des Gebäudes verschaffen können, veranstaltet Wullkopf am 28. Februar einen sogenannten Tag der offenen Tür. Er ist allerdings auf maximal zwei Stunden begrenzt (11 bis 13 Uhr).

Der Makler hofft auf „Begeisterungsfähigkeit“ möglicher Interessenten. Eine Handvoll hat sich bereits bei ihm gemeldet – „allesamt Hamburger“. Einen Preis nennt er nicht. „Der soll über ein Bieterverfahren gefunden werden.“ Es handle sich aber nicht um eine Auktion oder eine Versteigerung, auch bleibe die Zustimmung der Auftraggeber ausdrücklich vorbehalten. Wie immer das Bieterverfahren ausgeht – dem Architekturjuwel droht damit nicht dasselbe Schicksal wie dem „Weißen Haus von Nienstedten“. Es wurde im vergangenen Jahr trotz großen Protests abgerissen. Die 1913 erbaute Villa aus dem Erbe des verstorbenen Unternehmers Claus Grossner hatte jahrelang leergestanden; erst als die Immobilie samt Abrissgenehmigung angeboten wurde, fand sich ein Käufer. Auf dem Grundstück soll nun ein moderner Glasbau errichtet werden.

Mit dem Aufschrei gegen den Abriss flammte die Diskussion um das Baugeschehen an der Elbchaussee neu auf. Architekten und Stadtplaner kritisierten, dass eine der schönsten Straßen Deutschlands ihr Gesicht zu verlieren drohe. Die Kritik entflammte vor allem angesichts der vielen kastenförmigen Neubauten, die sich stilistisch kaum noch voneinander unterscheiden. Das Interesse an einer hohen Rendite sei bei Investoren größer als ihr Ehrgeiz, an den Stil und die Pracht bestehender Baukultur anzuknüfen.

„Seelenlose Investoren-Architektur“

Der Hamburger Architekt und Buchautor Holger Reiners sprach in diesem Zusammenhang auch von „seelenloser Investoren-Architektur“. An dieser Einschätzung hält er auch heute noch fest: „Nichts hat sich geändert. Ein Bewusstseinswandel hat an der Elbchaussee nicht stattgefunden – wenn, dann nicht zum Vorteil der Architektur.“ Nur wenige Bauvorhaben gefallen dem 66-Jährigen dort wirklich. „Vieles ist ungekonnt gebaut, arbeitet mit geschmäcklerischen Applikationen, um den Kunden zu gefallen.“ Gute, „würdevolle Architektur“ zeichne sich aber darin aus, dass sie keiner Mode unterworfen sei. „Und sie hält die Proportionen zwischen Haus und Grundstück ein“, sagt der Architekt, der über seine Stftung und den von ihr ausgelobten Architekturpreis, zuletzt 2014, das Bewusstsein für Baukultur und Lebensart erhalten will.

Für den Halbmond erhofft sich der namhafte Architekturkritiker, dass sich ein Besitzer findet, der eine semi-öffentliche Nutzung des Gebäudes ermöglicht. „Am besten wäre eine Stiftung oder ein Liebhaber alter Baukultur, der das Gebäude in Schuss hält und es mit kulturellen Veranstaltungen für die Menschen öffnet.“ Das Landhaus Baur, auch weißes Elbschlösschen genannt und ebenfalls von Christian F. Hansen entworfen, könnte hier als Vorbild dienen. Es wurde im Jahr 2000 von der Hermann-Reemtsma-Stiftung gekauft und aufwendig saniert.

Architekt Bastian Bechtloff, an der Elbchaussee aufgewachsen und zurzeit mit der Sanierung eines Gebäudes in unmittelbarer Nähe des Halbmonds beauftragt, beobachtet das Baugeschehen an Hamburgs Elbchaussee indessen wohlwollender, zumal er sich selbst eher der Moderne verbunden fühlt. Wichtig sei für ihn, so betont der 35-jährige Planer, dass an einer der schönsten Straßen Hamburgs die Vielfalt erhalten bleibe. „Es hat hier immer schon nicht nur herrschaftliche Villen gegeben, sondern auch Häuser, nur bestimmt für die Menschen, die an oder auf der Elbe arbeiten.“ Das zeigten die Kapitänshäuser in Oevelgönne und anderswo. Diese Form der „Demokratisierung des Wohnens“, wie sie sich auch an den mehrgeschossigen Neubauten an der Elbe zeige, wolle er nicht schlecht reden. Ansonsten schätzt er das Bestreben mancher Bauherren, repräsentativ zu bauen. „Viele Villen lehnen sich ein wenig an den englischen Landhausstil an.“ Wo das nicht der Fall sei, entstünden moderne Gebäude. „Einige davon sehr schön, einige davon eher der heutigen Reduziertheit des Bauens geschuldet.“ Unerbittlicher Holger Reiners Urteil: „Viele Häuser sind in der Baumarktsprache gehalten, bestehen nur aus Dominosteinen.“