Hamburg . Regierung lehnt die von Hamburg gewünschte Kostenbeteiligung ab. Der Senat bleibt aber optimistisch. Neue Kritik am Finanzkonzept.

Sechs Wochen vor dem Referendum über die Hamburger Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 gewinnt die Finanzierung der Großveranstaltung zunehmend an Brisanz. Nach Abendblatt-Informationen hat die Bundesregierung dem Senat deutlich signalisiert, dass sie sich nicht – wie von Hamburg gewünscht – mit 6,2 Milliarden Euro an den Kosten beteiligen wird. Demnach ist die Regierung sowohl mit der Höhe der Kosten als auch mit der Aufteilung zwischen dem Bund und Hamburg nicht einverstanden.

Wie berichtet, kalkuliert Hamburg mit Kosten von 11,2 Milliarden Euro, von denen die öffentliche Hand 7,4 Milliarden Euro übernehmen müsste – der Rest wird durch Einnahmen und Zuschüsse des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gedeckt. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte vergangene Woche bei der Vorstellung der Zahlen gesagt, dass Hamburg bereit sei, bis zu 1,2 der 7,4 Milliarden Euro zu tragen – verteilt auf die Jahre 2018 bis 2023, also etwa 200 Millionen Euro pro Jahr. Mehr gehe nicht, das sei eine „klare Ansage“, hatte Scholz mehrmals betont und angedeutet, dass er eher aus der Bewerbung aussteigen würde als die Hamburger Finanzen durch Olympia zu „ruinieren“. Damit war klar, dass der Bund 6,2 Milliarden Euro zahlen soll. Man habe die Zahlen „zur Kenntnis“ genommen und dass Hamburg „anlässlich der Spiele ein umfassendes Stadtentwicklungskonzept bis 2040 erarbeitet hat“, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums dem Abendblatt. Das darf als Hinweis gewertet werden, dass der Bund es nicht einsieht, Hamburg mit der „OlympiaCity“ auf dem bislang von Hafenfirmen genutzten Kleinen Grasbrook einen neuen Stadtteil zu finanzieren.

Offiziell heißt es, die Bundesregierung stehe dazu, sich an der Finanzierung der Olympiakosten zu beteiligen: „In den bisherigen Gesprächen wurden Hamburg großzügige Angebote des Bundes unterbreitet, die weit über die in der Vergangenheit zugesagten Beteiligungen hinausgingen“, so das Innenministerium.

Die Aussage hat zwei Hintergründe: Erstens beteiligt sich der Bund erstmals seit 1972 bereits an den Bewerbungskosten. Zweitens soll intern bereits klar sein, dass der übliche Drittelmix, wonach die Kosten zu je einem Drittel von der Kommune (also der Bewerberstadt), dem Bundesland und dem Bund getragen werden, in Hamburg nicht zum Tragen kommen kann – denn ein Stadtstaat wie Hamburg ist Land und Kommune zugleich.

Äußerst fraglich ist jedoch, ob der Bund wirklich bereit ist, zwei Drittel der Kosten zu tragen. „Eine Einigung konnte bisher noch nicht erreicht werden“, heißt es dazu im Innenministerium, „die Gespräche zwischen Bund und Hamburg laufen weiter.“

In Berlin heißt es, das sei jetzt ein Pokerspiel. Hamburg habe seine Karten auf den Tisch gelegt und den Bund damit unter Druck gesetzt. Daher reagiere der nun etwas gereizt. Am Ende werde man sich aber irgendwie einigen. Davon geht auch Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) aus: „Da scheint mancher in Berlin einen Schreck bekommen zu haben, weil wir in Hamburg so ehrlich gerechnet haben“, sagte sie auf einer Parteiveranstaltung. Sie werbe um Verständnis, „dass sich der Bund jetzt erst einmal von diesem Schrecken erholen muss“. Hamburg habe ein faires Angebot gemacht. Nun müsse Berlin entscheiden, „ob Olympische Spiele in Deutschland gewollt sind oder nicht“.

Acht Hamburger Frauenverbände sprechen sich für Olympia 2024 aus

Bis zum Februar verlangt das IOC eine offizielle Erklärung zur Übernahme der Kosten. Hamburgs Innen- und Sportsenator Michael Neumann (SPD) sagte dem Abendblatt: „Ich bin optimistisch, dass wir über die Aufteilung der Kosten zu einer Einigung mit dem Bund kommen werden.“ In die 7,4 Milliarden Euro seien bereits viele Risiken und Eventualitäten mit einkalkuliert. „Klar ist aber auch: Hamburg kann 1,2 Milliarden Euro tragen.“

Unterdessen formiert sich zunehmend Kritik. Nach Ansicht des Hamburger NOlympia-Netzwerks etwa ist der Finanzreport des Senats weder transparent, noch hinreichend begründet. „Der Report erfüllt nicht die Mindestanforderung an eine nachvollziehbare Darstellung der geplanten Finanzierung“, sagt NOlympia-Aktivist Michael Rothschuh. Der Senatsplan behaupte nur, belege aber nichts. Betriebs- und Folgekosten der Olympiabauten und deren Infrastruktur würden etwa ausgeklammert, auch die notwendige Verlegung von Hafenbetrieben vom Kleinen Grasbrook an anderer Stelle sei „komplexer“ als vom Senat vorgerechnet.

Michael Rothschuh: „Eine strategische Umweltplanung fehlt völlig. Mehrere Gefahrgutbetriebe schränken den Wohnungsbau ein, der in der OlympiaCity geplant ist.“ Sein Kollege Florian Kasiske verwies darauf, dass die Kosten für das Sicherheitskonzept mit 460 Millionen Euro viel zu niedrig angesetzt seien.

Zuvor hatten bereits zwölf Professoren der Hamburger Hochschulen gemahnt, dass die Kosten für Olympia „unkalkulierbar“ seien. Unter der Adresse Olympiakritik-aus-der-Wissenschaft.de gibt es nun sogar eine eigene Internetseite dafür.

Doch es gibt auch Unterstützung. Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sport-Bunds (DOSB), riet dazu, dem Bürgermeister zu vertrauen: „Olaf Scholz hat deutlich gesagt, was Hamburgs Beitrag zu den Kosten sein wird: 1,2 Milliarden. Damit haben die Bürger die personifizierte Verantwortung“, sagte er der „Zeit“ mit Blick auf das Referendum am 29. November. Und in einer gemeinsamen Erklärung sprechen sich acht Hamburger Frauenverbände für Olympia 2024 aus. „Viele Unternehmerinnen in Hamburg sehen den wirtschaftlichen und den gesellschaftlichen Nutzen dieses Mega-Events und möchten ihren Teil zu einer erfolgreichen Kandidatur beitragen“, sagt Corinna Nienstedt von der Handelskammer Hamburg.