Hamburg. Das Museum für Kunst und Gewerbe gibt einen vielschichtigen Einblick in die Reformzeit um 1900. Auch ständigeSammlung neu gestaltet.
Mit einer Ausstellung zum Jugendstil widmet sich das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe den Reformideen und Utopien der Epoche um 1900. Die Schau „Jugendstil. Die große Utopie“ wird am Freitagabend eröffnet und bis zum 7. Februar gezeigt. Geprägt sei der Jugendstil von der Idee des natürlichen Wachsens und Werdens, sagte Museumsdirektorin Sabine Schulze am Mittwoch bei der Präsentation. Die Formen der Natur, der nackte Körper und die Ursprünglichkeit des Kindes seien als Abgrenzung zur Industriegesellschaft begriffen worden. Parallel zur Sonderausstellung wurde die hauseigene Jugendstil-Sammlung neu gestaltet.
So steht am Beginn der Ausstellung ein Kurzfilm mit sechs spärlich bekleideten jungen Frauen, wie sie in der freien Natur unbeschwert tanzen. Es folgt ein Film, der die Arbeit von Männern und Frauen in einer britischen Keksfabrik zeigt. Umgeben ist die Leinwand von geschnitzten Möbeln, handgedruckten Büchern und traditionellen Textilien: Es gehöre zu den Brüchen der Jugendstil-Bewegung, dass ihre Kunst nur von einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht erworben werden konnte, erläuterte Kuratorin Leonie Beiersdorf.
Die Jugendstil-Bewegung ist eingebettet in eine Zeit der gesellschaftlichen Umbrüche: Röntgengeräte gestatten einen Blick in den Körper, die Psychoanalyse Siegmund Freuds blickt in die Seele. Eine Eros-Figur und ein kleiner Phallus in der Ausstellung stammen aus der Sammlung Freuds. Eine große Büste zeigt den Philosophen Friedrich Nietzsche, der mit seinem Werk „Also sprach Zarathustra“ die Philosophie seiner Zeit prägte. Größtes Ausstellungsstück ist ein Flügel mit kunstvollen Zarathustra-Motiven, der einst in der Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt stand.
Bilder von Gustav Klimt, Edvard Munch und Paula Modersohn-Becker zeigen die künstlerische Seite des Jugendstils. Ein Holzstuhl aus unbehandelten Ästen verweist auf die politischen Ideen der Künstlerkolonie Monte Veritá im schweizerischen Tessin. Sie war Teil einer europäischen Aussteigerbewegung, die Freikörperkultur, vegetarisches Leben und alternative Medizin propagierte. Zu sehen ist beispielsweise ein Lichtbad: Die Benutzer setzten sich nackt in die mit zahlreichen Glühbirnen ausgestattete Tonne, damit auch intime Körperregionen mit Licht versorgt werden.
Mit neuem Konzept und einigen Leihgaben präsentiert sich zudem die überarbeitete Dauerausstellung des Museums zum Jugendstil. Gründungsdirektor Justus Brinckmann hatte im Jahr 1900 die Weltausstellung in Paris besucht und für sein Museum zahlreiche Werke zeitgenössischer Kunst gekauft.