Hamburg. Premiere in Hamburg-Fuhlsbüttel: Erstmals landet der Hoffnungsträger des Airbus-Konzerns. Das Werk auf Finkenwerder hat einen großen Anteil an dem Kohlefaserjet
Um kurz vor halb zehn am Sonntag schwebt der A350 aus Richtung Norderstedt über Fuhlsbüttel ein, setzt auf der Landebahn 15 auf und rollt übers Vorfeld. Zur Begrüßung duscht die Flughafenfeuerwehr den modernsten Airbus-Langstreckenjet mit einer Wasserfontäne, ehe das Flugzeug in den Farben der finnischen Fluglinie Finnair am Gate stoppt. Premiere am Hamburg Airport: Erstmals landete der zu weiten Teilen aus Kohlefaserwerkstoff bestehende Hoffnungsträger des Airbus-Konzerns in Fuhlsbüttel – und anlassgemäß tauchte die Vokabel „stolz“ in allen Reden der Firmenvertreter auf.
„Wir sind sehr stolz, die erste Fluglinie in Europa mit dem A350 zu sein“, sagt Finnair-Vorstandschef Pekka Vauramo. Es sei ein großartiges Flugzeug mit sehr viel Platz. Das fällt auch beim Besuch an Bord auf. Die Seitenwände sind relativ gerade, mehr Kopffreiheit gibt es unter den Gepäckablagen – obwohl sie rund 60 Prozent mehr Volumen bieten, sagt Ingo Wuggetzer, Airbus-Vizepräsident des Kabinenmarketings.
Die Fenster seien rund ein Drittel größer, die 18-Inch-Sitze so breit, dass man nicht an die Schultern des Nachbarn stoße. Auf dem Boden gibt es keine Stolperfallen wie Kabelschächte mehr. Auch die Rückenlehnen der Sitze blieben von dicken Elektronikboxen verschont. Höhepunkt sei das LED-System, mit dem 16 Millionen Farben erzeugt werden können. Wuggetzer sagt, das richtige Licht könne Jetlags um drei bis vier Stunden verkürzen.
„Der A350 ist die Zukunft der Flugtechnik“, sagt Vauramo, dessen Fluggesellschaft 19 Exemplare orderte. Vier sollen in diesem Jahr hinzukommen, weitere sieben bis 2017. Das Ziel von Finnair: Bis 2020 soll die Zahl der Flüge nach Asien im Vergleich zu 2010 verdoppelt werden. Für diese Verbindungen sei der Jet ideal – und der Flughafen in Helsinki im Übrigen auch, wie Vauramo sagt, und die kurzen Wege dort mit einem Lächeln anpreist.
Hamburgs Flughafenchef Michael Eggenschwiler verweist auf die seit 1951 bestehende Partnerschaft mit Finnair und freut sich, in Deutschland erster Gastgeber für den Flugzeugtyp zu sein. Der Jet sei besonders für Fernverbindungen außerhalb von Hub-Flughäfen – also Drehkreuzen wie Frankfurt und München – attraktiv. „Wir sind uns sicher, dass es in Hamburg den Markt für weitere Langstrecken gibt.“ Lufthansa-Technik-Chef Johannes Bußmann ist stolz, weil der Hamburger Konzern einen zwölf Jahre laufenden Wartungsvertrag mit Finnair abschloss. Und als gebürtiger Hamburger mit Dienstsitz in Toulouse sprach Airbus-Manager Ralf Schulmeister gar von einer „großen Ehre“ den Jet präsentieren zu dürfen: „Das Kabinendesign kommt aus Hamburg. Und Finnair war einer der ersten Kunden in unserem Kabinendesignzentrum.“ Auf Finkenwerder können die Airline-Vertreter alle möglichen Ausstattungen unter die Lupe nehmen und auswählen. Denn auch wenn der A350 nur in Toulouse endmontiert wird, ist der Hamburger Einfluss auf den Jet groß.
Ortswechsel: Ein paar Kilometer weiter südlich der Elbe fällt beim Gang durch die Airbus-Hallen der Farbwechsel auf. Während in fast allen Hallen die Rumpfsegmente hellgrün sind, sind sie beim A350 sandgelb. Der Grund: Der verwendete Kohlenfaserstoff braucht eine andere Grundierung als das traditionell verwendete Aluminium. An Rumpfteilen für sechs A350-Jets wird parallel in der riesigen Halle gearbeitet. Das vordere Segment kommt aus Nordenham, das hintere wird in Hamburg zusammengebaut.
Durch jeweils ein Rolltor gelangen sie in die Halle. Dann erhalten sie an sechs Stationen von den rund 300 Monteuren ihr Innenleben verpasst. Isoliermatten werden eingebaut, Halterungen montiert, Leitungen für Hydraulik, Wasser, Sauerstoff und Klimaanlage verlegt. Das Modulsystem mit den Kabelsträngen wird unter die Decke gehängt. Jeweils fünf Tage sind pro Station eingeplant. Geplant ist möglichst kurzfristig eine Verkürzung des Taktes auf vier Tage. Damit würde die Arbeitszeit für den Abschnitt von 30 auf 24 Tage verkürzt. Die Produktion läuft langsam hoch. Zum Vergleich: Ende 2014 wurden noch knapp 50 Tage dafür gebraucht. Brot- und Buttergeschäft bleibt für Airbus in Hamburg aber die A320-Familie. Von den konzernweit 42 pro Monat fertiggestellten Maschinen stammt gut die Hälfte aus Finkenwerder.
Durch das A350-Programm sind bei der Airbus Group in Deutschland rund 4000 Arbeitsplätze entstanden, der Großteil davon in der Hansestadt. Das Werk an der Elbe ist traditionell das Kompetenzzentrum für die Entwicklung und Produktion von Rumpf und Kabine. „So trägt der Standort mit all seinen Kompetenzen maßgeblich zum Erfolg des modernsten Langstreckenjets der Welt bei“, sagt Pressesprecher Florian Seidel. Generell mache die Endmontage nur rund vier Prozent der Wertschöpfungskette aus, heißt es. Der deutsche Anteil am A350 soll bei weit mehr als einem Drittel liegen.
41 Kunden des A350 bestellten bisher 783 Exemplare verbindlich
Der Konzern hat hohe Erwartungen in das Flugzeug. So schätzte Airbus-Chef Fabrice Brégier vor Kurzem, dass der A350 für die nächsten 20 bis 30 Jahre mindestens 40 Prozent des Umsatzes erzielen soll. 41 Kunden haben den Jet bisher fest bestellt, insgesamt 783 Exemplare sind in Auftrag gegeben. Bei den Verkaufsargumenten steht die Sparsamkeit ganz oben. Dank moderner Triebwerke und des leichteren Kohlenfaserwerkstoffes für Rumpf und Tragflächen soll der Jet 25 Prozent weniger Sprit verbrauchen als bisherige Maschinen vergleichbarer Größe. Auch für Vauramo war das ein Kaufargument: Schließlich kämen 30 Prozent aller Kosten der Linie durch die Spritrechnungen zusammen. Bei den Kunden wirbt Finnair allerdings mit einer anderen Neuerung: Als erste Fluglinie biete man in der Businessclass ein WC, das nur Frauen benutzen dürfen.