Hamburg. Hamburger Verbraucherschützer Armin Valet deckt die Tricks der Lebensmittehersteller auf - häufig mit Hilfe der Verbraucher.

Schon als kleiner Junge hatte Armin Valet ein besonderes Verhältnis zu Nahrungsmitteln. Sein Vater betrieb in Steinheim nördlich von Stuttgart eine Mühle. „Ich weiß noch, wie die Bauern mit ihrem Weizen vorbeikamen. Und ich später mit meinem Vater das Mehl ausgefahren habe.“ Als Teenager verkaufte er das Produkt aus eigenem Haus auf Märkten in der Umgebung. „Verkaufen und Lebensmittel haben mich von klein auf geprägt.“ Die Mühle übernehmen wollte er aber nicht. Er sah, wie schwer sein Vater arbeiten musste, um gegen die großen Betriebe zu bestehen.

Heute legt sich der 49-Jährige mit den Lebensmittelherstellern an. Wenn es um das Aufdecken der Tricks der Konzerne geht, ist Valet bundesweit ein gefragter Gesprächspartner. „Übers Jahr gesehen bin ich sicherlich jede Woche einmal im Fernsehen“, sagt der Hamburger Verbraucherschützer. Gleichzeitig sieht er sich als Teamplayer und erwähnt seine Kollegin Silke Schwartau, mit der er zusammen den Aufbau der Onlineseite Lebensmittelklarheit angeschoben habe.

Generell sei er eher schüchtern. Weil er sich als Anwalt der Verbraucher sieht und einen hohen Gerechtigkeitssinn habe, macht der studierte Lebensmittelchemiker die TV-Auftritte mittlerweile aber gern. „Das macht Spaß, sich für die Leute einzusetzen und der Industrie die Stirn zu bieten“, sagt der Referent für Öffentlichkeitsarbeit Ernährung und Lebensmittel – so sein Titel bei der Hamburger Verbraucherzentrale, die sich bundesweit zum Kompetenzzentrum für versteckte Preiserhöhungen/Mogelpackungen entwickelte.

Der Standardtrick: Wenioger Inhalt zum selben Preis

Mit einem Anruf des Abendblatts ging die Arbeit in dem Bereich los. Ein Familienmitglied eines Redakteurs hatte 2005 festgestellt, dass beim Speiseeis zweier Markenhersteller bei gleichem Preis der Inhalt von 1000 auf 900 Milliliter gesenkt wurde. Auch bei gefrorenen Erbsen und Rahmporree wurde die Füllmenge heimlich gesenkt und so der Preis um 50 Prozent erhöht. Weniger Inhalt zum selben Preis ist der Standardtrick. Jüngst stellte der Ketchupfabrikant Heinz die Flasche von 500 auf 400 Milliliter um – für die Hamburger Verbraucherzentrale die Mogelpackung des Monats September.

Das Thema treibe die Menschen um. Aus keinem Bereich kämen mehr Anfragen, sagt Valet. Mehr als 100 Mails landen jeden Monat in seinem Postfach. „95 Prozent der Mogelpackungen entdecken Verbraucher“, sagt Valet. Er recherchiert dann, ob die Tipps stimmen. Dafür muss er Supermärkte oder Kioske kennen, in denen sich die Ware nicht so schnell dreht. Denn nur wenn er in dem einen Geschäft noch die alte und im nächsten die neue Füllmenge findet, hat er einen Beweis, mit dem er die Konzerne konfrontiert. „Das ist schon Detektivarbeit. Ich brauche die Vorher-/Nachher-Bilder.“ Davon hat er mittlerweile Dutzende: In seinem Büro an der Kirchenallee stehen einige durchsichtige Plastikkisten mit Verpackungen.

Die Industrie wurde zuletzt immer kreativer. Beispielsweise wird auf eine neue Rezeptur verwiesen. Weil das Produkt qualitativ hochwertiger sei, werde ein höherer Preis verlangt. Oder es wird mit „dauerhaft mehr Inhalt“ geworben, um Schwellenpreise überschreiten zu können. So hing der Preis für das 400-Gramm-Glas Nutella lange bei 1,99 Euro fest. Dann kosteten 50 Gramm mehr 2,39 Euro. Heute sei der Preis schon auf 2,79 Euro gestiegen.

Damit der Preisvergleich erschwert wird, variiert die Packungsgröße bei Discountern und Supermärkten. So bietet Aldi Haribo in 360-Gramm-Tüten an, die Supermärkte in 175- oder 200-Gramm-Tüten. Um in den meterlangen Regalen aufzufallen, greifen die Unternehmen häufig zu großen Verpackungen – mit viel Luft drin, was laut Verpackungsverordnung nicht zulässig ist.

„Wir hatten eine Packung, die war nur zu einem Drittel gefüllt“, sagt Valet. Es war ein teures Hagebuttenpulver aus Chile – ein Bioprodukt. Die Tricks beherrschten übrigens beide Seiten; es spiele keine Rolle, ob auf konventionellem oder ökologischem Weg erzeugt. Bei den Auseinandersetzungen mit den Firmen gehe es schon mal mit harten Bandagen zu. „Sie versuchen schon, unsere Aussagen zu relativieren.“

Privat kauft Valet viele Bioprodukte ein, geht aber auch mal zum Discounter

Aber wie kauft jemand ein, der sich den ganzen Tag mit den Tricks der Lebensmittelkonzerne beschäftigt? „Ich habe einen Tunnelblick, schaue mir die Zutatenliste und Packungsgrößen an – und schaue nicht, was wir noch fürs Abendessen brauchen“, sagt Valet mit einem Schmunzeln. Zwar kämen viele Bioprodukte in den Einkaufskorb, aber nicht nur. „Ich bin kein Ökofreak“, sagt der in der Schanze wohnende Vater von fünf Kindern, zwei im Erwachsenenalter und die anderen im Alter von sieben, sechs und zwei Jahren – die beiden älteren davon studieren übrigens auch schon die Etiketten. Valet: „Die Transparenz zur Arbeit ist wichtig.“

Viele Jahre habe er sich vegetarisch ernährt, ab und an isst er heute aber auch mal Fleisch. Auch den Weg zum Discounter schlägt der Fußballfan ein, der sich seit 40 Jahren mit dem FC Bayern München über Titel freut und seit dieser Saison auch eine Dauerkarte beim FC St. Pauli hat. Sein Lieblingsessen sind einfache Gerichte. Salat mit Wildkräutern wie Rauke und Brunnenkresse, Pilze oder Pellkartoffeln mit Quark. „Ich mag Gemüse von A bis Z – Hauptsache frisch“, sagt der Naturliebhaber, der die Freizeit gern mit der Familie in seinem Häuschen an der Elbe bei Bullenhausen verbringt. „Da komme ich zur Ruhe.“