Hamburg. Ein Schiff hatte im Dezember die Brücke der A1 gerammt. Verfahren gegen Kapitän eingestellt. Gericht sieht die Hauptschuld beim Lotsen.
Im Prozess um die Kollision eines Binnenschiffs mit der Süderelbbrücke hat das Hamburger Amtsgericht am Freitag das Verfahren gegen den Kapitän eingestellt. Der 34-Jährige aus Berlin muss aber eine Geldbuße von 2000 Euro zahlen. Gegen den mitangeklagten Elblotsen unterbrach das Gericht die Hauptverhandlung. Da der 75-Jährige aus Lüneburg (Niedersachsen) Schwierigkeiten hatte, sein Alter und andere persönliche Daten anzugeben, kamen beim Richter Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit auf. Er ordnete ein gerichtsmedizinisches Gutachten an. Das Gericht machte deutlich, dass es den Lotsen als Hauptbeschuldigten ansieht.
Der gut 160 Meter lange Schubverband hatte am frühen Morgen des 11. Dezember 2014 die Süderelbbrücke vor der A1 in Hamburg gerammt. Nach Angaben der Stadt Hamburg entstand ein Schaden von über drei Millionen Euro an dem Bauwerk. Die Reparatur wurde erst Mitte August abgeschlossen.
Das Gericht hielt dem Kapitän zahlreiche Pflichtverstöße vor. Der 34-Jährige sei für die Reiseplanung zuständig gewesen und hätte insbesondere die Durchfahrthöhe der Brücke prüfen müssen. Ihm sei klar gewesen, dass das Schiff wegen der einsetzenden Flut um 4.30 Uhr am Morgen ablegen musste, um gefahrlos unter der Brücke durchfahren zu können. Tatsächlich geschah dies über eine Stunde später, weil sich der Lotse verspätet hatte. Nach Angaben seines Anwalts hatte der 75-Jährige das Schiff nicht gleich gefunden.
Dann sei der Kapitän losgefahren und habe die Maschine gleich auf die übliche Reisegeschwindigkeit von 1200 Umdrehungen pro Minute eingestellt, obwohl die Brücke nur 750 Meter vom Liegeplatz entfernt war. Als ihm Zweifel an der ausreichenden Durchfahrtshöhe kamen, hätte er sich mit dem Schubverband vorsichtig herantasten und dem Matrosen am Bug anweisen müssen, Ausschau zu halten und per Funk Bescheid zu geben. Doch der hatte sich gleich nach dem Ablegen wieder in seine Kajüte schlafen gelegt. „Ihr Verhalten war alles andere als vorbildlich“, hielt Richter Arno Lehmann dem Kapitän vor.
„Du musst bei der Brücke aufpassen, das wird ja knapp“
Allerdings sei die Schiffsführung vor dem Unfall an den Lotsen übergegangen, der den Platz am Steuer eingenommen hatte. Das Fehlverhalten des 75-Jährigen überlagere massiv die Pflichtverstöße des Kapitäns. Der Lotse habe viel bessere Erkenntnismöglichkeiten zur Brückendurchfahrtshöhe gehabt. Er habe auch gewusst, dass die Elbe nach tagelangem Westwind einen höheren Wasserstand hatte. Der Disponent des Lotsen habe ihn während der verspäteten Anfahrt zur Liegestelle des Schiffs noch gewarnt: „Du musst bei der Brücke aufpassen, das wird ja knapp.“
Dann prallte das mit Kohle beladene Schiff zunächst mit dem Bug-Mast gegen die Elbquerung, dann schlug der mehrere Meter aufragende Ladekran gegen den Unterbau der Brücke. „Es hat alles gekracht und gequietscht“, hatte ein zweiter Matrose am Mittwoch als Zeuge vor Gericht ausgesagt. Die Angeklagten fuhren mit dem beschädigten Schiff ohne Halt bis Geesthacht östlich von Hamburg weiter. Die Wasserschutzpolizei wurde nach Aussage eines Beamten erst drei Stunden später über den Unfall informiert.
Der 75-Jährige hat nach eigenen Angaben noch immer sein Lotsenpatent und ist beruflich tätig. Er überwache Baggerarbeiten in der Elbe, sagte er. Auf die Frage der Staatsanwältin, ob er in diesem Jahr schon Urlaub gemacht habe, antwortete er: „Urlaub? - Da habe ich keine Zeit zu.“ Wie er nach dem ersten Verhandlungstag am Mittwoch nach Hause gekommen sei, konnte er nicht sagen. Auch bei anderen Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen musste er passen. Angesichts des verwirrten Zustands des Angeklagten bekannte der Richter nach einer Verhandlungspause: „Ich bin aus allen Wolken gefallen.“ Den Prozess gegen den Elblotsen will das Gericht nach Vorlage des ärztlichen Gutachtens am 23. Oktober fortsetzen.