Hamburg . Das Binnenschiff war wohl verspätet, als es zum Crash kam.. mit der Süderelbbrücke. Der Kapitän steht seit Mittwoch vor Gericht.

Hamburg. Im Prozess um die folgenreiche Kollision eines Binnenschiffs mit der Süderelbbrücke sind am Mittwoch überraschende Details zum Hergang des Unglücks bei Hamburg bekanntgeworden. Nach übereinstimmenden Angaben von Zeugen und eines der Angeklagten vor dem Amtsgericht hatte das Schiff am 11. Dezember vergangenen Jahres eine Stunde später abgelegt als geplant. Der Pegel der Elbe stieg unterdessen wegen der einsetzenden Flut weiter. Schon das Niedrigwasser in der Nacht war höher als üblich ausgefallen, wie ein Sachverständiger sagte. Der 34 Jahre alte Kapitän aus Berlin hatte nach eigenen Angaben kein Patent für den Hamburger Hafen, der Elblotse im Steuerhaus soll sich nicht über die Durchfahrtshöhe informiert haben. Der 75-Jährige machte bei seiner Aussage immer wieder Erinnerungslücken geltend.

Der mit Kohle beladene Schubverband hatte bei Dunkelheit und schlechter Sicht gegen 5.45 Uhr am Morgen abgelegt, nachdem der verspätete Lotse an Bord gegangen war. Die Süderelbbrücke war nur 750 Meter weiter stromaufwärts. Zunächst prallte der Bug-Mast mit Lampen gegen die Brücke, kurz darauf ein mehrere Meter aufragender Kran. „Es hat gerumpelt“, sagte ein Matrose als Zeuge vor Gericht. „Da war ein bisschen Panik angesagt.“ Die Angeklagten fuhren mit dem beschädigten Schiff dennoch ohne Halt bis Geesthacht weiter. Die Wasserschutzpolizei wurde nach Aussage eines Beamten erst gegen 8.00 Uhr über den Unfall informiert.

Ein Mitarbeiter vom Hamburger Landesbetrieb für Straßen, Brücken und Gewässer bezifferte den entstandenen Schaden an der Autobahnbrücke auf 3,1 Millionen Euro. Nach dem Unfall sei erwogen worden, das Bauwerk an der A1 abzureißen. Die Fachleute hätten sich dann dafür entschieden, einfach nur die Tragfähigkeit wieder herzustellen. Die Brücke war am Unglückstag für den Verkehr zunächst gesperrt. Dann wurde eine der drei Fahrspuren wieder freigegeben. Erst seit Mitte August ist das Bauwerk wieder voll funktionsfähig. Den Schaden am Schiff schätzte der Sachverständige auf 360.000 Euro.

Der angeklagte Elblotse bestritt vor Gericht erst, am Steuer gesessen zu haben. Auf Nachfragen räumte der 75-Jährige aber doch ein, das Ruder vor der Elbbrücke übernommen zu haben, „damit das Schiff nicht auf gut Glück gesteuert wird“. Auf die Frage von Richter Arno Lehmann, ob es Alltag in der Binnenschifffahrt sei, einfach so auf eine Brücke zuzufahren, antwortete der Elblotse: „Kann so sein.“ Der sichtlich altersschwache Angeklagte bestätigte, dass er nach wie vor ein Lotsenpatent habe und Baggerarbeiten in der Elbe überwache.

Vom jüngeren Angeklagten wollte der Richter wissen, warum er ohne gültiges Patent zunächst noch abgelegt habe. „Na weil das so üblich ist“, lautete die Antwort zur Verwunderung des Richters. Der Sachverständige erklärte, man dürfe als Binnenschiffer auch ohne Hafenpatent in den Hamburger Hafen ein- und auslaufen. Die sich mit dem Wasserstand ändernde Durchfahrtshöhe der Brücke werde erst zehn Meter vor dem Bauwerk an einem Pegel angezeigt. Der Abstand reiche aber nicht aus, ein Schiff zum Stehen zu bringen. Der Sachverständige kritisierte in diesem Zusammenhang die Hafenverwaltung HPA.

Wegen der unerwartet schwierigen Zeugenbefragungen vertagte das Gericht die Plädoyers und Urteilsverkündung auf diesen Freitag. Der Richter ließ aber erkennen, dass eine Verurteilung der beiden Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Schiffsverkehrs in Frage kommt. Damit droht ihnen eine Geldstrafe oder Haft bis zu zwei Jahren. Bei grob pflichtwidrigem Verhalten ist die Höchststrafe fünf Jahre. Die Anwälte meinten, dass auch eine Einstellung des Verfahrens möglich sei.