Hamburg. Überforderte Häfen, zu niedrige Wasserstraßen und steigende Kosten. Der Ruf nach dem Ende des Gigantismus wird lauter.
Auf ihren Fahrten sind Containerschiffe langsamer geworden, um Treibstoff zu sparen. Aber ihr eigenes Wachstum gestaltet sich immer schneller. Der weltgrößte Containerfrachter „MSC Zoe“ wurde kürzlich in Hamburg getauft, er und sein Schwesterschiff „MSC Oscar“ können jeweils 19.224 Container tragen. Die ersten Schiffe mit Kapazitäten von 20.000 TEU (20-Fuß-Standardcontainer) sind bereits bestellt. „Das Wachstum von Containerschiffen hat seine Grenzen erreicht“, sagt Ulrich Malchow, Professor am Zentrum für Maritime Studien an der Hochschule Bremen. „Es wäre an der Zeit, Limits für die Schiffsgrößen zu setzen“, schlägt der renommierte Experte vor.
Die betriebswirtschaftlichen Vorteile für Charterer und Reeder durch zunehmende Größe seien längst geringer als die zusätzlichen, von der Gesellschaft zu tragenden Kosten für die Infrastruktur in den Häfen (Hafenbecken, Terminals, Kräne, Zufahrten), die sich den Containerfrachtern anpassen müssen, so Malchow. Hamburg, Bremen und Antwerpen sollten sich zusammentun und maximale Größen für Containerfrachter festlegen, die in den Häfen abgefertigt werden, empfiehlt der Schifffahrtsexperte: „Strategisch ist es wichtig, dass die Häfen gemeinsam handeln, denn das von ihnen versorgte Hinterland überschneidet sich stark, so dass ein Liniendienst auf einen der anderen Häfen ausweichen kann. Natürlich wäre es schön, wenn auch Rotterdam dabei wäre. Aber der Hafen leidet, anders als die drei genannten, nicht so sehr unter dem Größenwachstum.“
Den Häfen stehen allerdings mächtige Geschäftspartner gegenüber: Mehr als 95 Prozent des Containerverkehrs zwischen Europa und Fernost wickeln vier Konsortien ab: 2M (Maersk, MSC), Ocean 3 (CMA CGM, China Shipping, UASC) sowie CKYHE und G6, in denen einmal fünf, einmal sechs Reedereien verbunden sind. Diese Marktmacht macht es für die europäischen Häfen nicht einfacher, mögliche Beschränkungen durchzusetzen.
Malchow betont, dass die Elbvertiefung auf jeden Fall kommen müsse: „Denn große Schiffe bis 22.000 TEU werden nun einmal Realität. Da hätte man viel früher gegensteuern müssen.“ Aber ein künstliches Wachstumslimit würde einen Ausweg aus der Zwangsspirale aus immer größeren Schiffen und mitwachsender Infrastruktur bieten. Zunehmende Schiffsgrößen seien auch für die Liniendienste kaum noch vorteilhaft, so Malchow: „Nicht zuletzt die Investitionen in die heutigen Mega-Frachter haben zu gewaltigen Überkapazitäten geführt. Der daraus resultierende Druck auf die Frachtraten lässt die erreichten Einspareffekte unmittelbar wieder verpuffen.“
Malchow sieht vielerlei Grenzen des Wachstums. Die Kostenvorteile je transportiertem Container werden bei weiterem Wachstum geringer. Beispiel Crewkosten: Beim Größensprung von 4000 auf 10.000 TEU halbieren sie sich. Wenn die Kapazität aber von 14.000 auf 20.000 TEU erhöht wird, sinken sie nur noch um 22 Prozent. Das Investment pro Containerstellplatz reduziert sich im ersten Fall um 15, im zweiten Fall um fünf Prozent. Gleichzeitig sei der zusätzliche Stellplatz auf einem Containerfrachter im Verkauf weniger wert, so Malchow: „Die Tragfähigkeit der Stellplätze sinkt.“
Zu hohe Schiffe passen nicht mehr unter Brücken hindurch
Auch technisch sieht der Schifffahrtskaufmann und Ingenieur Grenzen: Um die Festigkeit des Riesenrumpfes zu gewährleisten, müsse der Stahl immer dicker werden. Das ist nur bedingt möglich. Nautisch sei spätestens bei rund 30.000 TEU Schluss. Solche Giganten würden den maximalen Tiefgang von 20 Metern in der Straße von Malakka erreichen, eine Meerenge zwischen Malaysia und der indonesischen Insel Sumatra. Diese wird von allen Schiffen auf Routen zwischen Europa und Südostasien passiert. Und der Suezkanal gibt einen maximalen Unterwasser-Querschnitt vor, der höchstens 22.000 Container an Bord erlaubt. Der Kanal wird derzeit allerdings ausgebaut.
Containerriese in Hamburg angekommen
Höhere Schiffe passten nicht mehr unter Brücken hindurch, bei breiteren Schiffen reichten in manchen Häfen die Ladekräne nicht mehr aus, sagt Malchow. So musste im Danziger Hafen im vergangenen Jahr das Be- und Entladen der „Maersk McKinney Møller“ (18.270 TEU) gestoppt und das Schiff gedreht werden, weil die Containerbrücken nicht bis zu den außen stehenden, für Danzig bestimmten Containern heranreichten. Aber auch in Häfen mit passender Infrastruktur verlängern sich die Liegezeiten. Denn die Länge der Schiffe wächst nicht proportional zur steigenden Kapazität – und damit auch nicht die einsetzbaren Containerbrücken.
Das Dock Elbe 17 von Blohm+Voss ist für die Giganten schon zu kurz
Zudem kostet bei breiteren Schiffen jeder einzelne Hubvorhang aufgrund des längeren Weges mehr Zeit. Weitere Anpassungen seien beim Abtransport der Container über Schiene und Straße nötig, auch in Hamburg. Auch passten die Giganten kaum noch in die größten Trockendocks hinein, sagt Malchow. Das Dock Elbe 17 von Blohm+Voss, eines der größten Europas, hat zum Beispiel eine Länge von 352 Metern – der Weltrekordhalter „MSC Zoe“ misst 394,4 Meter.
Als ein weiteres Problem benennt Malchow das „Klumpenrisiko“: Schiffsversicherer würden angesichts der auf Riesenfrachtern konzentrierten Werte immer skeptischer. Auch sie könnten eine Grenze ziehen, würden aber eher dazu neigen, sich die höheren Risiken mit steigenden Prämien bezahlen zu lassen. Der Schifffahrtsexperte nennt als Beispiel die „Hanjin Green Earth“, ein 13.000-TEU-Schiff, auf dem im Mai diesen Jahres im Suezkanal ein Brand in einem Container ausgebrochen war: „Die Betreiber hatten Glück, denn im Kanal gibt es ausreichend Löschboote, so dass das Feuer schnell unter Kontrolle gebracht war. Auf offener See wäre das Schiff voraussichtlich abgebrannt.“ Bei einem Totalverlust eines beladenen Mega-Carriers würden bis zu 1,5 Milliarden Dollar (1,3 Milliarden Euro) vernichtet.
Kostenersparnis durch Größe (Economy of Scale) funktioniert ohnehin nur bei hoher Auslastung. Bei einem 18.000-TEU-Schiff sinken die Kosten im Vergleich zum 14.000-TEU-Schiff um neun Prozent. Wenn das größere Schiff dann aber nur mit 14.000 Containern beladen ist, liegen die Kosten pro Container um 15 Prozent höher als beim kleineren Frachter. Auch würden größere Schiffe – und damit verbundene geringere Raten – nicht mehr, wie in der Vergangenheit, das Frachtaufkommen erhöhen, betont Malchow: Es sei längst an die Entwicklung der Weltkonjunktur oder den Entwicklungen von einzelnen Regionen gekoppelt.
Wirtschaftsenator Frank Horch (parteilos) sagte auf der Welthafenkonferenz im Juni: „Alle Häfen weltweit beobachten die rasante Entwicklung der Schiffsgrößen, und das durchaus mit gemischten Gefühlen. Denn mit dieser Entwicklung werden die Häfen vor erhebliche Herausforderungen gestellt, und zwar sowohl was die nautische Erreichbarkeit angeht als auch die logistische Bewältigung der Umschlagsmengen. Häfen investieren daher in ihre nautischen Zufahrten und in Drehkreise, was mit erheblichen finanziellen, aber auch mit zeitlichen Herausforderungen aufgrund der Genehmigungsverfahren verbunden ist.“
Hamburg habe sich bisher auf die Situation erfolgreich eingestellt und sei in der Lage, auch die großen Schiffe zuverlässig abzufertigen, sagt Horch. Es gebe aber Anzeichen, dass sich das Wachstum von Schiffsgrößen nicht wie bisher fortsetzen wird.