Hamburg. Mit der „MSC Zoe“ ist am Sonnabend der weltweit aktuelle Rekordhalter nach Hamburg gekommen. Nächstgrößere Modelle längst im Bau.
Mit ihrer eigenen Größe kann Zoe Vago noch niemanden so recht beeindrucken. Gerade einmal vier Jahre alt ist die Enkelin des Gründers der schweizerischen Reederei MSC, Gianluigi Aponte. Das Schiff allerdings, das Zoe an diesem Sonntag im Hamburger Hafen auf ihren Namen taufen soll, besitzt beeindruckende Ausmaße. Würde man es aufrecht stellen, dann wäre es gut dreimal so hoch wie der Michel. Ein Frachter, so mächtig wie ein ganzer Häuserblock. Mit einer Transportkapazität von 19.224 Standardeinheiten (TEU) ist die „MSC Zoe“ offiziell das größte Containerschiff der Welt.
Manch einem maritimen Beobachter mag der Besuch allerdings wie ein Déjà-vu vorkommen. Das weltgrößte Containerschiff? War das nicht gerade erst da? Tatsächlich ist es nur ein gutes halbes Jahr her, dass der damals größte Lastesel der Weltmeere dem Hamburger Hafen einen Besuch abstattete. Vier Schlepper waren nötig, um die „CSCL Globe“ der Reederei China Shipping sicher an den Liegeplatz am Eurogate-Containerterminal zu bugsieren. Tausende von Hamburgern standen am Elbufer, um dem zuvor am Simulator geübten Manöver beizuwohnen.
Größtes Containerschiff der Welt in Hamburg angekommen
Doch Superlative sind in der heutigen Welt der Schifffahrt nicht mehr allzu viel wert. Den Spitzenplatz hat die „CSCL Globe“ schon kurz nach ihrer Stippvisite in der Hansestadt an die Olympic-Klasse der Mediterranean Shipping Company (MSC) abtreten müssen, zu der auch die „MSC Zoe“ gehört. Das Schiff ist baugleich mit den Schwesterschiffen „MSC Oscar“ und „MSC Oliver“ und ist bei der südkoreanischen Werft Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering vom Stapel gelaufen. „Bis zum Ende des Jahres 2016 werden wir noch 17 weitere Containerschiffe mit der gleichen Größe in die Familie aufnehmen“, sagt der Geschäftsführer von MSC Deutschland, Dittmar Vösterling dem Abendblatt.
Der Wettlauf der Reedereien um immer neue Rekorde entbehrt dabei nicht einer gewissen Absurdität. Die „Zoe“ kann nämlich gerade einmal 124 Standardcontainer mehr schultern als ihr chinesischer Konkurrent. Ein Unterschied von rein theoretischer Bedeutung, da die Schiffe nur in den wenigsten Fällen voll beladen unterwegs sind. Auch von den Abmessungen her sind die Giganten nahezu identisch: etwa 400 Meter lang und rund 60 Meter breit. Die Unterschiede ergeben sich durchs Design, durch das die Ingenieure an der einen oder anderen Stelle noch Platz für ein paar zusätzliche Stahlboxen herausquetschen können.
So kann die „MSC Zoe“ nach Auskunft der Klassifizierungsgesellschaft DNVGL hinter dem Schornstein und vor dem Deckhaus ein paar Container mehr unterbringen als die „CSCL Globe“, weil sich der Aufbau an einer andere Position befindet. Auch ist die „Zoe“ unter Wasser einen Tick bauchiger, was Einfluss auf die Stellplätze im Laderaum hat.
In Südkorea sind Schiffe bestellt, die bis zu 21.100 Container tragen können
Bei aller Mühe: Lange halten wird auch der Rekord der „MSC Zoe“ und ihrer Schwesterschiffe nicht. Wie der südkoreanische Samsung-Konzern im April bekannt gab, hat er eine Order über den Bau von sechs Containerschiffen mit einer Kapazität von jeweils 21.100 TEU erhalten. Rund eine Milliarde Dollar will sich die in Hongkong ansässige Reederei OOCL die neuen Megafrachter kosten lassen. Auch die japanische Werft Imbari Shipbuilding hat elf Ultra-Large-Container-Carrier mit mehr als 20.000 Stellplätzen in ihren Auftragsbüchern stehen.
Für die Reeder rechnet sich der Betrieb immer größerer Schiffe vor allem aus ökonomischen Gründen. „Größere Schiffe wie jene unserer Olympic-Klasse bieten Kostenvorteile“, sagt MSC-Chef Vösterling. „Je mehr Container auf ein Schiff geladen werden können, desto geringer fallen die Transportkosten aus.“ Hinzu komme der ökologische Aspekt. „Da sie mehr Container transportieren können, verringert sich auch der CO2-Ausstoß pro Box.“
Häfen und Städte setzt die Rekordjagd auf hoher See allerdings immer stärker unter Druck, weil sie beim Ausbau der Infrastruktur nicht mehr hinterherkommen und dafür enorme finanzielle und ökologische Kosten auf sich nehmen müssen. Eine Tatsache, die die Einsparungen beim Kohlendioxid-Ausstoß zumindest zum Teil konterkarieren. In Hamburg tobt seit Jahren ein erbitterter Kampf um die Elbvertiefung, die gewährleisten soll, dass zumindest Schiffe mit einem Tiefgang von bis zu 13,50 Metern unabhängig von Ebbe und Flut den Hafen anlaufen können. Für eine voll beladene „MSC Zoe“, die auf einen maximalen Tiefgang von 16 Metern kommt, dürfte aber auch dies kaum reichen. Schiffe dieser Größenordnung dürften auch weiterhin die Hansestadt nur mit Einschränkungen erreichen können.
In Sachen Elbvertiefung muss nach der Klage der Umweltverbände BUND, Nabu und WWF nun das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig letztinstanzlich entscheiden, wem es die höhere Priorität einräumt: den ökonomischen Interessen der Stadt Hamburg und der Hafenwirtschaft oder der Flora und Fauna entlang der Elbe. Die juristische Position der Stadt ist dabei in den vergangenen Monaten nicht gerade besser geworden. So hatte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg Anfang Juli geurteilt, dass die europäische Wasserrahmenrichtlinie bei Vorhaben wie der Elb- oder Weservertiefung auf jeden Fall beachtet werden muss. Laut der Richtlinie aber darf sich der Zustand der Gewässer durch menschliche Eingriffe nicht verschlechtern. Einzige mögliche Ausnahme: Der Eingriff ist von „übergeordnetem öffentlichen Interesse“.
Die publikumswirksame Taufe der „MSC Zoe“ und der Besuch zahlreicher anderer Großcontainerschiffe im Hamburger Hafen könnte so auch als Versuch interpretiert werden, eben dieses „öffentliche Interesse“ zu unterstreichen. Offiziell will sich der Deutschlandchef der Reederei dazu allerdings nicht äußern. „Wie viele andere wartet auch MSC gespannt auf die endgültige Entscheidung aus Leipzig“, sagt Vösterling salomonisch.
Andere Reedereien haben unterdessen schon gänzlich damit aufgehört, die Größe ihrer Schiffe öffentlich besonders herauszustellen. Als kürzlich die „Barzan“ der United Arab Shipping Company (UASC) in Hamburg zu Gast war, da war unter der Hand zu hören, dass auch dieses Schiff den Titel des weltgrößten Containerschiffs verdient gehabt hätte. Die arabischen Eigentümer, sonst in Sachen Rekorde eher weniger zurückhaltend, begnügten sich aber damit, die maximale Transportkapazität mit „nur“ 18.800 Standardeinheiten anzugeben. Eine durchaus nicht unübliche Praxis, wie ein Experte der Klassifizierungsgesellschaft DNVGL erklärt.
Andere Reedereien reden lieber über Treibstoffverbrauch als über Größe
Statt der Größe stellten die Araber lieber die spritsparenden Eigenschaften ihres ebenfalls fast 400 Meter langen Giganten heraus. Dieser verbraucht nicht nur 60 Prozent weniger Treibstoff pro Container als ältere Modelle, sondern kann statt mit Schweröl auch mit dem weniger umweltschädlichen Flüssiggas fahren.