Hamburg. Die Bewerbungsfrist für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 ist abgelaufen. Hamburgs Kontrahenten stehen fest.

Jetzt stehen Hamburgs Kontrahenten fest. Beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ist in der Nacht zum Mittwoch die Bewerbungsfrist für die Austragung der Sommer- und Paralympischen Spiele für das Jahr 2024 abgelaufen. Bis um 24 Uhr MESZ mussten die Absichtserklärungen am IOC-Sitz in Lausanne (Schweiz) eingetroffen sein. Hamburgs Unterlagen waren am vergangenen Freitag angekommen, was das IOC der Stadt umgehend per Mail bestätigte.

Präsident Thomas Bach wird heute um neun Uhr während einer internationalen Telefonkonferenz die wohl fünf Kandidaten verkünden. Neben Hamburg wollen Budapest, Paris, Los Angeles und Rom die Spiele in neun Jahren veranstalten – vier europäische Metropolen gegen Hollywood. Eine Last-Minute-Bewerbung Bakus, der Hauptstadt Aserbaidschans und im Juni Ausrichter der ersten Europaspiele, schlossen IOC-Insider nicht aus. Die IOC-Vollversammlung mit ihren rund 100 Mitgliedern wählt den Gastgeber 2024 auf ihrer 130. Session im September 2017 in Perus Hauptstadt Lima.

Die kanadische Stadt Toronto stieg am Dienstag aus. Bürgermeister John Tory begründete den Verzicht mit mangelnder Unterstützung der lokalen und regionalen Wirtschaft. Zudem hatten sich in Umfragen 47 Prozent der Bürger gegen eine Olympia-Bewerbung ausgesprochen. Die Kanadier hatten sich bereits fünfmal vergeblich um Sommerspiele bemüht. Im Juli hatte Toronto die XVII. Panamerikanischen Spiele ausgerichtet und dafür viel Lob erhalten, auch von Bach.

Parallel zur Bekanntgabe der Olympia-Bewerber veröffentlicht das IOC auf seiner Webseite olympic.org den neuen, rund 180 Seiten starken Host-City-Kontrakt, der die Geschäftsbeziehungen zwischen dem Verband und der ausrichtenden Stadt regeln soll. Kritiker hatten dieses Werk in der Vergangenheit als Knebelvertrag bezeichnet, weil die finanziellen Risiken beim Ausrichter liegen. Das hatte auch der Hamburger Landesrechnungshof moniert. Sportrechtler dagegen werteten selbst die bisherigen Vereinbarungen als „normalen Franchisevertrag“, an dem auch US-Gerichte nichts Sittenwidriges festzustellen vermochten.

Aus dem Bewerbungsprozess können die Städte jederzeit aussteigen. Allein Hamburg fragt seine Bürger in einem Referendum (am 29. November), ob die Olympia-Kampagne fortgesetzt werden soll. Dafür sind Jastimmen von mindestens 20 Prozent der 1,3 Millionen Wahlberechtigten nötig und die Mehrheit der Wählenden. In einer Meinungsumfrage aus der vergangenen Woche hatten 58 Prozent der Hamburger Spiele in der Stadt befürwortet, im Umland lag die Zustimmung höher.

Hamburgs Chancen im internationalen Wettstreit beruhen auf dem Konzept kompakter Spiele im Herzen der Stadt mit 90 Prozent der Sportstätten im Umkreis von maximal zehn Kilometern zum olympischen Dorf auf der Elbinsel Kleiner Grasbrook. Spiele mit derart kurzen Wegen, die sich Sportler wünschen, hat es noch nicht gegeben. 23 der 36 Sportstätten sind vorhanden, acht sollen temporär entstehen, fünf müssten gebaut werden. Das Problem: Hamburg ist weltweit wenig bekannt, schon gar nicht als Sportstadt.

Budapest setzt auf die große Sportbegeisterung in Ungarn

Wir sind dran, sagen die Ungarn. Schon 1920 sollte Budapest die Spiele ausrichten, doch der damalige IOC-Präsident und -Gründer Baron Pierre de Coubertin vergab sie kurzerhand nach Antwerpen, weil Belgien stark unter dem Ersten Weltkrieg gelitten hatte. 1960 bewarb sich Budapest zuletzt, die IOC-Reformagenda 2020, die eine Reduzierung der Kosten vorsieht und auf Nachhaltigkeit setzt, ermutigte die Ungarn zu einem weiteren Versuch. Hauptargument: Als einziges der zwölf erfolgreichsten Nationen bei Sommerspielen hat Ungarn die Spiele noch nicht ausrichten dürfen. In der ewigen Medaillenliste liegt das sportbegeisterte Land, in dem die tägliche Sportstunde an Schulen längst eingeführt ist, auf Rang acht. Wie Hamburg will Budapest für die Spiele einen Stadtteil neu erschließen. Im 21. Distrikt, in Csepel, soll direkt an der Donau das olympische Dorf entstehen. Auch in anderen Städten sind Wettbewerbe vorgesehen, Kanu und Rudern in Szeged, Handball in Györ, Segeln am Nordufer des Plattensees. Budapest rechnet mit Kosten von 2,5 Milliarden Euro, viele Stadien und Hallen müssten neu gebaut werden. Die Zustimmung im Land beträgt 66 Prozent, im Parlament 80 Prozent. Die derzeitige Flüchtlingspolitik der rechtskonservativen Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán mindert Budapests Chancen dramatisch.

Los Angeles bewirbt sich zum zwölften Mal um Sommerspiele

Erst nach dem Rückzug Bostons hat das Nationale Olympische Komitee der USA die kalifornische Filmmetropole (Hollywood) nominiert. „Das ist kein Nachteil, schließlich ist das nicht unsere erste Bewerbung. Das haben wir im Blut, in unserer DNA“, sagt Bürgermeister Eric Garcetti. Los Angeles bewirbt sich zum zwölften Mal, für 1932 und 1984 erhielt die Stadt den Zuschlag. 1984 wurde bei den ersten privat finanzierten Spielen 221 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet, 2024 sollen es bei einem Budget von 5,1 Milliarden Euro 143 Millionen sein. 80 Prozent der vorgesehenen Sportstätten werden bereits genutzt, für Renovierung und Errichtung neuer Anlagen sind 619 Millionen Euro veranschlagt. Der Flughafen wird gerade für fünf Milliarden Euro ausgebaut. Proteste aus der Bevölkerung – wie in Boston – sind nicht zu befürchten. 81 Prozent unterstützen die Kandidatur.

Paris gilt derzeit als großer Favorit auf den Zuschlag für 2024

Die starke Pariser Bewerbung, Motto: „Je reve des Jeux“, „ich träume von den Spielen“, soll deutlich stärker von den Sportlern getragen und transportiert werden als bei den vergangenen drei Fehlversuchen für 1992, 2008 und 2012. Paris, 1900 und 1924 Olympia-Gastgeber, will vor allem damit punkten, dass die Infrastruktur in weiten Teilen vorhanden ist, etwa das Stade de France als Olympiastadion, die Multifunktionsarena Bercy und der bekannte Tenniskomplex Roland Garros. Die französische Hauptstadt weist jede Menge Erfahrungen mit Großveranstaltungen auf, die Zustimmung in der Bevölkerung liegt laut aktuellen Umfragen bei 72,5 Prozent. Geplantes Budget: 6,2 Milliarden Euro. Paris ist die Stadt, die es zu schlagen gilt.

Rom setzt auf den früheren Fiat-und Ferrari-Chef di Montezemolo

So ganz scheint Rom selbst nicht an seine Chance zu glauben. Die Website www.roma2024.info, in der alle Informationen zur Olympia-Bewerbung verfügbar sein sollten, ist seit einer Woche nicht mehr aufzurufen. Tatsächlich gilt die italienische Hauptstadt aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage als Außenseiter. Noch vor gut drei Jahren hatte die damalige Regierung von Premier Mario Monti eine Kandidatur für die Spiele 2020 wegen der unsicheren Finanzierung zurückgezogen, was dem Land im IOC viel Kritik eintrug. Nach der Agenda 2020 wurde der Plan wieder aufgefrischt. „Es ist eine große Herausforderung, aber ich glaube, wir sind sehr wettbewerbsfähig“, sagt Giovanni Malagò, der gut vernetzte Präsident des Nationalen Olympischen Komitees. Roms Stärke ist das Personal. An der Spitze des Bewerbungskomitees steht der frühere Fiat- und Ferrari-Präsident Luca Cordero di Montezemolo, eine der einflussreichsten Sport- und Wirtschaftspersönlichkeiten weltweit. Und Italiens Premier Matteo Renzi hat das Projekt zur politischen Chefsache erklärt. Die Kosten der Spiele werden mit 6,4 Milliarden Euro veranschlagt. Herzstück des Konzepts ist das bestehende Olympiastadion, Schauplatz der Spiele von 1960. Aber auch weiter entfernte Schauplätze wie Florenz, Neapel und Sardinien sind vorgesehen. Siegerehrungen könnten im Colosseum stattfinden, Bogenschießen auf dem Petersplatz im Vatikan. Das olympische Dorf soll in Tor Vergata entstehen, wo derzeit ein nie fertig gewordener Sportkomplex vor sich hin rottet.