Hamburg . Der Sonnabend endet in Gewalt. Mittags wurden 34 Neonazis im Hauptbahnhof in Gewahrsam genommen, der Zugverkehr wurde unterbrochen.

Der Sonnabend endet mit Gewalt. Nach weitgehend friedlichen Protesten am Hamburger Hauptbahnhof und in der Innenstadt kam es in der Schanze am Abend zu Ausschreitungen zwischen Linksautonomen und der Polizei. Die Polizei setzte mehrfach Wasserwerfer vor der Roten Flora ein und nahm mehrere Aktivisten in Gewahrsam.

Bei den Zusammenstößen wurde ein Mann verletzt, wie eine Polizeisprecherin sagte. Der Mann sei ins Krankenhaus gebracht worden. Ein Fotograf der Deutschen Presse-Agentur schilderte, dass der Mann nach einem Vorrücken der Polizei auf eine Gruppe von Demonstranten plötzlich leblos am Boden lag. Es habe mehrere Minuten gedauert, bis er von Helfern stabilisiert und dann im Krankenwagen abtransportiert werden konnte. Wenige Minuten vor dem Vorfall habe die Polizei einen Vermummten aus der Gruppe herausgeholt. Als dann Steine und Flaschen auf die Polizisten geworfen wurden, seien die Beamten auf die Demonstranten zumarschiert. In der Nacht errichteten dann Randalierer mehrfach Barrikaden auf dem Schulterblatt und zündeten diese an.

Zuvor bildete sich am frühen Abend im Schanzenviertel eine spontane Demonstration von Linksautonomen. An der Roten Flora versammelten sich bis zu 300 Demonstranten. Als sich der Zug Richtung Feldstraße in Bewegung, riegelte die Polizei die Straße Schulterblatt mit mehreren Hundertschaften und vier Wasserwerfern ab. In der Folge kam es immer wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen. Die Beamten wurden dabei mehrfach aus dem Flora-Park mit Flaschen und anderen Wurfgeschossen angegriffen.

Schon am Nachmittag wurde der Bahnverkehr wegen Krawalle von linken Demonstranten am Hamburger Hauptbahnhof zeitweise eingestellt. Randalierer hätten Beamte mit Reizgas attackiert und einen Zug mit Steinen beworfen, berichtete ein Sprecher der Bundespolizei. Bei den Auseinandersetzungen nahm die Polizei auch eine Gruppe von 34 Neonazis in Gewahrsam. Sie hätten im Bahnhof versucht, linke Demonstranten zu provozieren, sagte ein Sprecher der Bundespolizei.

Zeitgleich demonstrierten auf dem Hamburger Rathausmarkt nach Polizeiangaben rund 7500 Menschen unter dem Motto „Hamburg bekennt Farbe“ friedlich für Vielfalt und Toleranz. Auch die Polizei in Bremen traf Vorsorge gegen mögliche Krawalle von Linken und Rechtsextremen, weil sie befürchtete, diese könnten von Hamburg hierhin ausweichen.

Auslöser der Ausschreitungen in Hamburg war eine für den Sonnabend geplante, aber per Gerichtsbeschluss verbotene Demonstration von Rechtsextremen und Hooligans. Zuletzt wies am späten Freitagabend das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde der Veranstalter des geplanten „Tags der deutschen Patrioten“ ab.

Obwohl dieser verboten war, versammelten sich am Hauptbahnhof schon am Vormittag 7500 Anhänger des linksgerichteten „Hamburger Bündnisses gegen Rechts“ und zogen Richtung Innenstadt. Ihre Zahl wuchs nach Angaben der Polizei auf 14.000 Menschen an, bevor die Kundgebung offiziell endete. Als ein Teil von ihnen zum Bahnhof zurückkehren wollte, weil dort angeblich ein Zug mit Rechtsextremen stand, stoppte die Polizei sie nach Beobachtung eines dpa-Fotografen mit einem Wasserwerfereinsatz. Am Mittag versammelten sich dann am Hauptbahnhof erneut etwa 1200 Menschen zu einer kurzfristig angemeldeten Kundgebung.

Die zeitweise Sperrung des Hauptbahnhofs führte zu Verspätungen von bis zu zwei Stunden im Zugverkehr. Betroffen waren Fernverkehr ebenso wie S-Bahnen.

Neonazi-Demo in Bremen aufgelöst

In Bremen verbot die Polizei alle Ersatzveranstaltungen der Rechten. Sie erließ für alle aus Hamburg anreisenden Teilnehmer ein Betretungsverbot für die Stadt. Zudem wurde vorsorglich der Wochenmarkt im Zentrum der Stadt geräumt. Die Bremer Polizei löste einen Aufmarsch von etwa 60 rechten Demonstranten in der Bremer Innenstadt auf. Wie ein Polizeisprecher dem Abendblatt mitteilte, wurden die mutmaßlichen Neonazis aufgrund des ausgesprochenen Versammlungsverbots festgesetzt. Etwa 30 weitere Rechtsextreme wurden von der Polizei am Hauptbahnhof Bremen eingekesselt. Die Gruppe wurde von der Polizei abtransportiert. Ein Zug von Hamburg nach Bremen mit mehreren hundert linksgerichteten Demonstranten wurde in Buchholz (Kreis Harburg) vorübergehend gestoppt.

Bei der absolut friedlichen Kundgebung auf dem Rathausmarkt sagte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD): „Wir wollen keine Nazis, wir brauchen keine Hooligans und wir brauchen keine Rassisten.“ Mit Ausnahme dieser Menschen sei jeder in der Hansestadt willkommen. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) betonte: „Hamburg bekennt Farbe.“ Viele Menschen stimmten in den von Hamburger Radiosendern gemeinsam übertragenen Song „Imagine“ von John Lennon ein, der weltweit als eine Hymne des Friedens und der Menschlichkeit gilt.