Hamburg. Branchenverband Dehoga spricht von „ernsthaftem Problem“ und setzt auf Flüchtlinge. Gewerkschaft kritisiert Bedingungen in der Branche.
Das Gastgewerbe in Hamburg boomt. Aber es gibt nicht genügend Personal. Jetzt schlägt der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Hamburg Alarm: „Wir haben in der Gastronomie und Hotellerie einen massiven Arbeitskräftemangel. Das entwickelt sich immer mehr zu einem ernsthaften Problem“, sagt Dehoga-Präsident Franz J. Klein dem Abendblatt. Denn der Bedarf ist groß: „Es fehlen zurzeit etwa 5000 Arbeitskräfte, und das stellt die Branche vor eine große Herausforderung“, so Klein.
Allein bei der Agentur für Arbeit Hamburg sind etwa 700 freie Stellen (Stand August) für das Gastgewerbe gemeldet, das ist ein Plus von 8,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum: „Aufgrund der jüngsten Neueröffnungen und den anstehenden Projekten, dürfte sich der Arbeitsmarkt nicht entspannen“, sagt Knut Böhrnsen, Sprecher der Agentur für Arbeit Hamburg.
Arbeitsbedingungen machen Branche unattraktiv
Laut Dehoga-Präsident Klein ist die Zahl der Hotelbetten in Hamburg in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, um die hohe Nachfrage zu decken. Dementsprechend würden mehr Arbeitskräfte gebraucht. Gab es im Jahr 2010 noch 32.728 Hotelbetten, sind es heute mehr als 55.000. Tendenz: weiter steigend. Als weiteren Grund für den Arbeitskräftemangel nennt Klein das Phänomen, dass die in Deutschland ausgebildeten Kräfte häufig ins Ausland abwandern und dort Karriere machen würden.
„Wir müssen noch deutlicher machen, welche Vielfalt an attraktiven und zukunftssicheren Berufsfeldern unsere Branche bietet“, so der Dehoga-Präsident. Schließlich sei der Wettbewerb um gute Arbeitskräfte auch in anderen Branchen härter geworden. Vor allem die Bezahlung dürfte bislang kaum einen großen Anreiz bieten: Eine Fachkraft mit abgeschlossener Berufsausbildung erhält laut Tarifvertrag im ersten Berufsjahr 1625 Euro brutto. Dazu kommt das Trinkgeld, das je nach Betrieb stark variiert.
„Dass es an Arbeitskräften fehlt, hat sich die Branche selber zuzuschreiben. Denn die Bedingungen sind alles andere als arbeitnehmerfreundlich“, sagt Lutz Tillack, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) iSn der Region Hamburg-Elmshorn, die die Interessen der Angestellten in der Hotellerie und Gastronomie vertritt. Überstunden, die dann häufig nicht bezahlt oder mit Freizeit ausgeglichen würden, seien nur ein Beispiel. „Auch nachts oder an den Wochenenden durchzuarbeiten ist keine Seltenheit“, so Tillack weiter. Zudem sei der Umgang mit den Mitarbeitern in manchen Betrieben „verbesserungswürdig“.
Gastronomen können ihren eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden
Den Gästen dürfte das fehlende Personal indes nicht verborgen bleiben: „Natürlich hat das Auswirkungen. Viele Gastronomen und Hoteliers können ihren eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden, weil ihnen das passende Fachpersonal fehlt“, sagt Klein.
Der Dehoga-Präsident nennt entsprechende Beispiele: „Es gibt Restaurants, die können keinen Mittagstisch mehr anbieten, weil schlichtweg nicht genügend Personal da ist. Oder es müssen lukrative Veranstaltungen abgelehnt werden.“ Zudem sei es aufgrund des großen Stellenangebots schwierig, das Personal langfristig an sich zu binden: „Die Mitarbeiter haben eine große Auswahl – da ist die Fluktuation in den Betrieben entsprechend hoch.“
Klein fordert die Regierung deshalb auf, dafür zu sorgen, dass es Flüchtlingen erleichtert wird, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. „Denn in diesen Menschen steckt ein großes Potenzial, und sie wären ein großer Gewinn für unsere Branche“, so Klein. Er begrüße deshalb ausdrücklich die in der vergangenen Woche beschlossene Initiative des Senats, von den Flüchtlingen mit einer Bleibeperspektive jetzt schnell die Qualifikationen zu erfassen. Das sei ein erster wichtiger Schritt für die Vermittlung in eine berufliche Tätigkeit.
Bürokratischen Aufwand verringern
Der Dehoga-Präsident hat auch schon eine konkrete Idee: „Es muss ein One-Stop-Office geben, an das sich die Betriebe direkt wenden und ihren Bedarf an Arbeitskräften anmelden können. Von dort müssen dann konkret und ohne bürokratischen Aufwand geeignete Personen vermittelt werden.“
Aber da das noch Zukunftsmusik ist, hat der Dehoga zunächst einen anderen Plan: „Wir haben erste Gespräche mit der Agentur für Arbeit geführt, bei der es um die Vermittlung von Arbeitskräften aus dem europäischen Ausland ging. Dabei standen Länder wie Irland, Polen oder Rumänien zur Debatte“, sagt Dehoga-Geschäftsführerin Ulrike von Albedyll. Das sei zumindest eine Chance, den Arbeitskräftemangel ein wenig zu lindern. Aktuell führt der Dehoga zu diesem Thema eine Mitgliederbefragung durch, „damit wollen wir ermitteln, wie groß der Bedarf ist“, sagt von Albedyll.
Zudem seien die Arbeitgeber gefragt: „Die Mitarbeiter müssen sich wohlfühlen, nur so können sie gutes Personal langfristig an sich binden. Deshalb ist es auch so wichtig, junge Menschen auszubilden und für die Gastronomie zu begeistern“, sagt Heinz O. Wehmann dem Abendblatt. Der Inhaber vom Landhaus Scherrer an der Elbchaussee, das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist, weiß: „Sicherlich ist es nicht einfacher geworden, zuverlässige Mitarbeiter für die gehobene Gastronomie zu finden. Deshalb müssen Anreize wie flexible Arbeitszeiten und Aufstiegschancen geboten werden.“