Hamburg. Sportsenator diskutiert mit Kritiker Dirk Seifert vor Abendblatt-Lesern auf Hafenrundfahrt das Für und Wider der Spiele in Hamburg.

Das Votum fiel überraschend klar aus. Nur drei von 91 Abendblatt-Lesern stimmten am Ende gegen Olympische und Paralympische Sommerspiele 2024 in Hamburg. Selbst Olympiaskeptiker Dirk Seifert wunderte das nicht: „Der Senator hat es verstanden, einen großen emotionalen Bogen für Olympia zu schlagen.“ Er selbst habe seine Argumente „vielleicht nicht mit der nötigen Schärfe vorgebracht“.

Willkommen auf der Barkasse MS „Commodore“. Auf einer zweistündigen Hafenrundfahrt diskutierten auf Einladung des Abendblatts unter Leitung von Sportchef Peter Wenig Innen- und Sportsenator Michael Neumann (45, SPD) und Blogger Dirk Seifert über das Für und Wider Olympischer Spiele in Hamburg. Seifert, 55, ist ein parteiloser Politikwissenschaftler und Energieexperte, der im Bundestag für den Linken-Abgeordneten Hubertus Zdebel aus Münster arbeitet. Er ist nicht grundsätzlich gegen Olympia, aber eindeutig gegen die Auswüchse der Spiele.

Hamburg, betonte Neumann, werde Olympia anders als in der Vergangenheit machen: transparent, mit Bürgerbeteiligung vom ersten Moment an, was bereits geschehen sei. Ökologisch, nachhaltig – und das in der gesamten Produktionskette; sozial verträglich, nach deutschen Arbeitsstandards, Mindestlöhne in allen Bereichen, kurze Wege, wie sie die Athleten fordern. Keine VIP-Streifen für IOC-Mitglieder auf den Straßen. Jeder Olympiateilnehmer erhält ein Fahrrad.

Die Sportler sollen im Mittelpunkt stehen, schon bei der für sie konzipierten Eröffnungsfeier. Ihre, nicht die Wünsche der Fernsehanstalten oder Sponsoren würden zur Messlatte. „Olympia geht auch anständig“, sagte der Senator, „das wollen wir zeigen.“ Die ganze Stadt soll 2024 ein Stadion sein – und in den knapp drei Wochen zwischen den Sommerspielen und den Paralympics in den Olympia-Einrichtungen auch Sport treiben dürfen. Dafür gab es Beifall.

Für Olympia muss die Stadt nur fünf Arenen neu bauen. Der Breitensport profitiert flächendeckend. 82 Trainingsstätten (40 Hallen, 13 Schwimmbecken, 14 Rasenfelder, 15 Kunstrasenplätze) würden zusätzlich gebaut, die später Vereinen, Verbänden und Schulen zur Verfügung stünden. Dirk Seifert glaubt an die guten Absichten des Senators, zweifelt aber an der Chance, diese zu realisieren. Die Wirklichkeit werde eigene Maßstäbe setzen. „Was ist der Zweck der Spiele?“, fragte Seifert. Seine Antwort: „Geschäftemacherei! Die großen Konzerne wollen von den Spielen profitieren. Das führt zu den bekannten Problemen, zum Gigantismus, und dass Peking jetzt sogar Winterspiele ausrichten darf, obwohl es dort keinen Schnee gibt.“ Für Seifert ist es dann auch keine Überraschung, dass in Hamburg die Handelskammer die Bewerbung vorangetrieben habe, und das zu einem Zeitpunkt, zum Jahresende 2013, als sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) noch die Wunden des verlorenen Referendums über die Winterspiele 2022 in München leckte.

„Das ganze System Olympia erweckt kein Vertrauen. Es wäre wahnsinnig, die Stadt für die Spiele umzubauen, und das nach der Entscheidung des IOCs im Sommer 2017 in nur sieben Jahren. Das ist in diesem Zeitraum nicht seriös zu schaffen“, warnte Seifert. Er fürchtet, dass das IOC trotz gegenteiliger Beteuerungen auch künftig Einfluss auf die Konzepte der Ausrichter nimmt. Die Bewerber müssten deshalb das Konkurrenzsystem des IOC, das gegenseitige Überbieten durchbrechen und gemeinsam einen Anforderungskatalog für Olympia aufsetzen, an den sich alle Kandidaten zu halten haben. „Damit wäre gesichert, dass für das IOC nicht soziale und ökologische Standards geopfert werden und sich die Städte im Bieterwahn nicht finanziell übernehmen.“

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„Commodore“ die Diskussion
91 Abendblatt-Leser verfolgten auf der „Commodore“ die Diskussion © HA | Andreas Laible

Senator Neumann ist da weniger skeptisch. Hamburg werde dem IOC ein Angebot machen, das sich eng an der IOC-Reformagenda 2020 orientiert. Neumann: „Wir nehmen das IOC beim Wort. Ich bin überzeugt, Olympische und Paralympische Spiele tun unserer Stadt, unserem Land emotional gut. Sport bringt Menschen zusammen, die sonst nicht zusammenfinden.“ Olympia sei aber das größte Rad, „das die Stadt bisher versucht hat zu drehen“. Daher müssten die Kosten sehr sorgfältig berechnet werden. 650 Einzelpositionen gelte es zu kalkulieren. Ende des Monats könnten erste verlässliche Zahlen vorliegen.

Seifert bezweifelt weiter die Aussagekraft dieser Berechnungen: „Belastbare, valide Ergebnisse sind bis zum 29. November, dem Tag des Referendums, nicht zu erwarten. Das lässt auch der Landesrechnungshof anklingen. Warum also diese Eile? Bis 2017 haben wir noch viel Zeit. Wir sollten die Abstimmung verschieben, bis wir mehr Planungssicherheit haben.“

„Sie wären doch der Erste, der sich dann beklagt, dass der Senat Steuergelder für ein Projekt ausgibt, das noch nicht den Segen der Bürger hat“, erwiderte Neumann. Bis zum 29. November will sich die Stadt mit der Bundesregierung auch über die Kostenaufteilung geeinigt haben. „Die übliche Rechnung, ein Drittel die Kommune, ein Drittel das Land und ein Drittel der Bund geht diesmal nicht auf, weil Hamburg Stadt und Land ist. Zwei Drittel der Kosten könnten wir nicht tragen“, sagte Neumann. Der Senat hofft, wohl nicht ganz unberechtigt, dass der Bund diesen Anteil übernimmt. Olympische Spiele seien schließlich eine nationale Angelegenheit. Teile des olympischen Projekts, wie das auf dem Kleinen Grasbrook geplante Athletendorf, sollen privat finanziert werden. Ein Drittel der dort entstehenden 6000 Wohnungen würden vom Senat gefördert.

„Wir kriegen das alles hin“, lautete die Botschaft Neumanns.

Das Abendblatt dankt den Partnern dieser Diskussionsrunde: Barkassen-Meyer und Hanzz Wurst.