Hamburg . Bei der Arbeitsagentur Hamburg sind 200 freie Stellen gemeldet. Die Unternehmen werben verstärkt um Frauen.

Küche und Lebensmittel waren doch nicht ihr Metier. Die gelernte Hauswirtschafterin Aylin Kazancilar sattelt gerade um. Künftig möchte die 23-jährige einen Bus der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) über Hamburgs Straßen steuern. Noch macht sie eine Ausbildung zur Busfahrerin – in Teilzeit. Denn nur so hat die Alleinerziehende noch genügend Zeit für ihre dreijährige Tochter. „Wir wollen den Frauenanteil im Fahrdienst von jetzt 15 auf 50 Prozent steigern“, sagt VHH-Vorstand Thomas Becker. „Da müssen wir uns einiges einfallen lassen.“ So beginnt die Teilzeitausbildung erst um 9.30 Uhr. Auch am Nachmittag bleibt noch Zeit für die Betreuung der Kinder.

Dank solcher Initiativen zeigt der Hamburger Arbeitsmarkt eine hohe Dynamik. „100.000 Menschen haben sich im bisherigen Jahresverlauf in Hamburg arbeitslos gemeldet, aber ebenso viele Hamburger konnten bisher wieder eine neue Stelle antreten“, sagt Michaela Bagger, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit. Das zeigt sich nicht immer an den monatlichen Arbeitslosenzahlen. Im August gab es im Vergleich zum Vormonat nur eine minimale Entspannung. Die Zahl der Arbeitslosen sank nur um 0,4 Prozent auf 74.250. Die Arbeitslosenquote liegt bei 7,5 Prozent. „Damit erholt sich der Hamburger Arbeitsmarkt nach dem sprunghaften Anstieg im Juli von über 2500 Arbeitslosen“, sagt Bagger. Ein Grund sei auch die beendete Urlaubs- und Ferienzeit.

Für die Dynamik am Hamburger Arbeitsmarkt spricht auch ein neuer Rekord bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Mit einem Anstieg um zwei Prozent auf 910.600 Personen wurde der Höchstwert in diesem Jahr registriert. Die Zahl der freien Stellen stieg im Vergleich zum Vorjahr um 4,5 Prozent auf 15.371. Darunter sind auch mehrere hundert Stellen in der Logistikbranche.

Allein bei der Arbeitsagentur Hamburg sind 200 freie Busfahrerstellen gemeldet. Der VHH will jedes Jahr 50 bis 60 neue Busfahrer einstellen. „Nur so können wir die ausscheidenden Kollegen ersetzen“, sagt Becker. Dabei spiele auch die Rente mit 63 Jahren eine große Rolle.

Wer als Busfahrer arbeiten will, muss eine knapp fünfmonatige Qualifizierung absolvieren, wofür es einen Bildungsgutschein der Arbeitsagentur gibt. Die speziell für Frauen gedachte Teilzeitvariante dauert zwei Monate länger. „Voraussetzung sind ein Mindestalter von 21 Jahren und ein Pkw-Führerschein mit zweijähriger Fahrpraxis“, sagt VHH-Fahrlehrer Jens Klose. Die bisherige berufliche Qualifikation spiele kaum eine Rolle. „Auch ein Hauptschulabschluss reicht aus“, sagt Klose. Der Anfangsverdienst eines Busfahrers liegt bei 2200 Euro brutto plus Zulagen.

Yvonne Welz hat die Qualifizierung zur Busfahrerin schon absolviert. Auch sie war mit ihrem erlernten Beruf als Schneiderin nicht zufrieden. „Als sich die Gelegenheit bot, Busfahrerin zu werden, habe ich zugegriffen“, sagt sie. Denn ihr gefällt besonders der Kontakt mit Menschen und die abwechslungsreiche Arbeit, da sie auf verschiedenen Linien eingesetzt wird. Auch Welz ist alleinerziehend. Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen, werden die Dienstpläne beim VHH ein Jahr im Voraus erstellt. Dennoch sind beide Busfahrerinnen auch auf ihre Familie angewiesen, wenn sie etwa Spätdienst haben. „Dann kann ich mich bei der Betreuung meiner Tochter auf meine Familie verlassen“, sagt Kazancilar.

Bundesweit stieg die Zahl der Arbeitslosen im August um 23.000 auf 2,796 Millionen. Die Arbeitslosenquote legte im Vergleich zum Vormonat von 6,3 auf 6,4 Prozent zu. Dennoch war dies der niedrigste August-Wert seit 1991. „Der Arbeitsmarkt entwickelt sich weiterhin günstig“, sagt der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise. Das Beschäftigungswachstum setze sich fort.

„Grund für den leichten Anstieg zum Juli ist, dass vor allem junge Menschen ihre betriebliche oder schulische Ausbildung beendet und anschließend noch keine neue Stelle gefunden haben sowie die Sommerpause“, teilte die Bundesagentur mit.