Hamburg. Die Polizeibeamtin “Maria Block“ war drei Jahre im verdeckten Einsatz. Linke Szene überprüft weitere Aussteiger.

Drei Jahre lang bespitzelte sie bis 2012 als „Maria Block“ die linke Szene, seit zwei Tagen steht Julia H. (Name geändert) am Pranger der Autonomen. Fest steht: Die Enttarnung der 32 Jahre alten Polizistin wird Folgen haben. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.


Wo arbeitet die Polizistin heute?

Auch nach ihrem Einsatz als verdeckte Ermittlerin in der linken Szene arbeitet die Beamtin Julia H. bei der Hamburger Polizei. Derzeit ist sie an der Hamburger Polizei-Akademie, wo sie für den gehobenen Dienst – also die Kommissarsdienstgrade – ausgebildet wird.


Schwebt Julia H. nun in Gefahr?

Mit körperlichen Angriffen auf die Frau wird nicht gerechnet. Farbanschläge auf ihr Haus werden für möglich gehalten. Vergleichbares ereignete sich im Fall einer ebenfalls von der linken Szene enttarnten ehemaligen verdeckten Ermittlerin. Über etwaige Schutzmaßnahmen gibt die Polizei keine Auskünfte.


Wie wird man verdeckter Ermittler?

Verdeckte Ermittler sind ausnahmslos Freiwillige, die sich für diese Aufgabe gemeldet haben. Sie müssen kinderlos und unverheiratet sein, da die Aufgabe sie weit über den normalen Dienst hinaus fordert. In der Regel stammen die Beamten aus den Reihen der Länderpolizei. Vereinzelt sollten auch „unverbrauchte“ Beamte aus anderen Bundesländern gewonnen werden.


Warum braucht die Polizei Spitzel?

„Verdeckte Ermittler sind für Polizei ein unverzichtbares Mittel im Bereich des politischen und religiösen Extremismus sowie schwerster und organisierter Kriminalität“, sagt Polizeisprecher Timo Zill. „Durch verdeckte Ermittler kann man Erkenntnisse gewinnen, durch die Strukturen aufgehellt und schwerste Straftaten im besten Fall verhindert werden“.


Sind derzeit weitere verdeckte Ermittler in der linken Szene im Einsatz?

Darüber schweigt die Polizei. Verdeckte Ermittler werden in gesonderten Bereichen des Staatsschutzes oder der Abteilung gegen organisierte Kriminalität geführt. Auch innerhalb der Polizei sind diese Bereiche gegenüber anderen Dienststellen abgeschottet. Sogenannte „VE-Führer“ sind während der Einsätze die einzigen Kontaktpersonen. Linksautonome gehen davon aus, dass es weitere verdeckte Ermittler gibt, damit wird aber unterschiedlich umgegangen. Aus dem Umfeld der Roten Flora heißt es, dass nach Spitzeln gesucht werden müsse. Etwa im „Kollektiven Zentrum“ (KoZe) im Münzviertel scheuen die Besetzer dagegen genaue Verhöre bei Neulingen, um die Offenheit des Zentrums zu bewahren.


Wie gefährdet sind verdeckte Ermittler?
Für sie besteht immer die Gefahr der Enttarnung. Schwerkriminelle und Extremisten rechnen immer damit, dass die Polizei versucht, sie zu infiltrieren. „Die linksextremistische Szene hat dafür offensichtlich eine Art eigenen Geheimdienst“, sagt Joachim Lenders, Hamburger Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft.


Wer steckt hinter der Enttarnung von „Maria Block“?

Eine anonyme „Recherchegruppe“, zu der Autonome aus mehreren Zentren gehören. Sie recherchierten fast ein Jahr lang im Fall „Maria Block“. Eingeweiht ist offenbar auch der Verein „Rote Hilfe“, der sich für „politisch verfolgte“ Linksautonome einsetzt. Nach Abendblatt-Informationen soll die Recherchegruppe nun auch weitere Szene-Aussteiger überprüfen.

Wodurch werden Ermittler entlarvt?

Die Recherchegruppe nennt es Zufall, dass die 32 Jahre alte Julia H. entdeckt wurde. Ein Bestandteil der Recherche war es, Erzählungen der „Maria Block“ im Detail zu vergleichen. Die Ermittlerin „Iris Schneider“ war schon im November 2014 enttarnt worden, weil sie nach ihrem verdeckten Einsatz unbedacht an einer Podiumsdiskussion teilgenommen hatte und von Mitgliedern der Szene wiedererkannt worden war.


Welche Folgen hat die Enttarnung in der linken Szene?

Die Recherchegruppe richtete einen Appell an Linksautonome: „Macht es euch bewusst. Aber werdet nicht paranoid.“ Die Besetzer der Roten Flora bauten die „Volxküche“ auch deshalb aufwendig in ein gemütliches Café um, damit Neulingen beim Plausch auf den Zahn gefühlt werden kann.


Wie geht die Politik mit dem Fall um?

Bereits vor der Enttarnung von „Maria Block“ war vorgesehen, dass Innensenator Neumann (SPD) am heutigen Freitag im Innenausschuss der Bürgerschaft Stellung zu „Iris Schneider“ nimmt. Nun soll er vor dem Gremium auch über Julia H. sprechen.