Die Enttarnung einer verdeckten Ermittlerin offenbart Schwächen bei Polizei und Politik
Auf den Fotos von damals strahlt und lacht die junge Frau in Uniform – eine Polizistin, die sichtlich Freude hat an ihrem Beruf. Seit Mittwoch aber muss sie um ihre Sicherheit bangen. In einem 20-seitigen Dokument im Internet ist Julia H. bloßgestellt, als verdeckte Ermittlerin der Hamburger Polizei enttarnt worden. Die anonymen Verfasser, die der linken Szene angehören müssen, haben dabei eine Grenze überschritten. Sie nennen den Klarnamen, die Adresse, ja sie erwähnen sogar die kleine Tochter der Beamtin. Julia H. ist zum „Abschuss“ freigegeben, weil sie ihren Job gemacht hat.
Der Vorgang wirft aber auch ein Schlaglicht auf fragwürdige Methoden von Polizei und Politik. Zwar war und ist der Einsatz von verdeckten Ermittlern ein notwendiges Risiko. Wer glaubt, auch ohne Spione hinter die Mauern von Zentren wie der Roten Flora blicken zu können, verkennt die Verschwiegenheit und Aggressivität der Hamburger Linksextremisten. Aber die Stadt muss bei der Auswahl der Ermittler höchste Sorgfalt walten lassen, die richtigen Beamten im richtigen Rahmen einsetzen.
Bereits bei der Auswahl von Julia H. als verdeckte Ermittlerin agierte die Polizeiführung unglücklich. Die damals 20-jährige Julia H. ließ sich im Jahr 2003 mehrfach öffentlich zitieren und fotografieren: in der Hamburger „Welt“ als ambitionierte Neupolizistin aus Berlin, in einem Gewerkschaftsmagazin der Polizei sogar als Titelgesicht mit Dienstmütze. Mit einigen Klicks im Internet hätten die Autonomen den Einsatz der „Maria Block“ im Jahr 2009 auffliegen lassen können. Dass die Beamtin sich drei Jahre später unbeschadet aus der Szene zurückziehen konnte, ist reines Glück gewesen.
Nun wird mit einiger Hektik zunächst aufgearbeitet, wie sich die Beamtin zu jener Zeit in der Szene verhalten hat. Das haarkleine Protokoll der Autonomen strotzt vor heiklen, aber authentisch wirkenden Begebenheiten. Allein dreimal begab sich „Maria Block“ demnach auf linksradikale Klassenfahrt nach Kopenhagen, Brüssel und Lesbos. Es ist schwer vorstellbar, dass sie sich heraushielt, während die Kameraden zu robusten Protestaktionen schritten. Noch unwahrscheinlicher erscheint, dass die Reisen noch in ihrem Auftragsgebiet als Ermittlerin lagen. Dieser Umstand könnte aus der Hamburger Affäre einen internationalen Fall machen.
Bei der Frage nach den Ergebnissen des Einsatzes sieht es wenig besser aus, weil Julia H. offenbar zu große Nähe zuließ. Die Polizei weiß seit Langem vom Risiko, dass sich Spione in ihre Zielpersonen verlieben. Die Justiz hat bis zum BGH klargestellt, dass Beweise aus solchen „Romeo“-Ermittlungen kaum zu verwerten sind. Mindestens eine sexuelle Affäre soll Julia H., so behaupten es die Internetverfasser, im Einsatz eingegangen sein. Hat sie ihrem Ermittlungsleiter davon berichtet? Wenn ja, hätte die Mission sofort abgebrochen werden müssen. Wenn nein, stellt das die Qualität der Führung infrage.
Innensenator Michael Neumann (SPD) muss Antworten geben, der lapidare Hinweis seiner Behörde auf die Federführung der Polizei verfängt nicht mehr. Die zweite Enttarnung einer Ermittlerin binnen eines Jahres stellt das System von verdeckten Ermittlungen in Hamburg, in dem sich wenige Eingeweihte auf ein rechtliches Drahtseil wagen, grundlegend infrage. Die Linksextremisten, so die Polizei, haben „aufgerüstet“, verfügen über neue Mittel zur Erkennung von Spitzeln. Die Reaktion der Stadt kann nur lauten, Ermittlern klarere Handhaben zu geben – und Grenzen zu setzen.