Hamburg. Autonome stellten verdeckte Ermittlerin am Mittwoch bloß. Polizeikreise bestätigen, dass Bericht „vermutlich authentisch“ ist.
Der Bericht ist aufgebaut wie eine wissenschaftliche Arbeit: Einleitung, Hauptteil, Konklusion. Doch der Inhalt gleicht einer Abrechnung. Sie wollten die Wahrheit über die verdeckte Ermittlerin Julia H. (Name geändert) ans Licht bringen, „die nach wie vor Polizeibeamtin ist“, schreiben Autonomen in einem am Mittwoch veröffentlichten Dokument. Dann folgen Adresse und Familienstand von Julia H., die ihre „rechtlichen Kompetenzen“ im Einsatz überschritten habe. Drei Jahre lang spionierte die 32-Jährige in Hamburgs linker Szene. Deckname: Maria Block. Nun wurde sie von alten Weggefährten enttarnt.
Die Ermittlerin sei als Gast bei Veranstaltungen in der „AntiRa“-Kneipe in der St.-Pauli-Hafenstraße im Jahr 2009 erstmals in Erscheinung getreten. Die junge Polizistin hatte sich die blonden Haare zu Dreadzöpfen gedreht. „Nach ihrer Aussage brauchte sie nach der Trennung von dem Mann in Lübeck Abstand und (...) sei daher als politisch (...) interessierte Person nach Hamburg gekommen“, schreiben die Autonomen. Die Polizei wollte Details nicht kommentieren, bestätigte aber den Fall. Von Beamten hieß es, dass der Bericht von Wut auf die Polizei geprägt und vermutlich authentisch sei.
Leitartikel: Autonome stellen Polizei und Politik bloß
Den Schilderung nach fand Julia H. schnell Anerkennung - auch, weil sie äußerlich nicht „mega-szenig“ aufgetreten sei und engagiert war. In kürzerer Zeit sei sie Teil von Organisationsrunden in der „Hafenvolksküche“ in der Hafenstraße geworden, knüpfte Kontakte, drang der Schilderung nach bis Ende des Jahres 2009 tief in die Strukturen der linken Szene ein. Sie hätte Zugang zu diversen Treffpunkten genossen, „dazu gehören mindestens die Hafenvokü, die Planwirtschaft, die Rote Flora und auch Mal der Sportraum, der Schwarzmarkt, USP-Räume, der Infoladen Wilhelmsburg und das Centro Sociale“. Ende des Jahres 2009 nahm Julia H. offenbar auch an zwei Protestaktionen im Ausland teil, habe sich zudem an „strafrechtlich relevanten Aktionen“ beteiligt, etwa dem Aufhängen von Plakatbannern in einem leerstehenden Gebäude.
Sie soll in der Szene mindestens ein sexuelles Verhältnis eingegangen sein
Dass die Ermittlerin sich offenbar Freundschaften erwarb, Privatwohnungen betreten und „mindestens ein sexuelles Verhältnis“ mit einem Aktivisten gepflegt habe, sehen die Verfasser rückblickend als „unverzeihlichen Eingriff in die Privatsphäre“. Erst im Jahr 2012 habe sich "Maria Block" aus der Szene verabschiedet, sie wolle ein neues Leben beginnen. Ein erster Verdacht kam im Jahr 2014 auf, als sich Autonome intensiv über „Maria Block“ austauschten.
Nach der Enttarnung der Ermittlerin besteht in Polizeikreisen Sorge vor Übergriffen auf Julia H. Sie soll geschützt werden. Nach Abendblatt-Informationen wurde die Beamtin „Iris Schneider“, die im November 2014 als ehemalige verdeckte Ermittlerin enttarnt wurde, kurz darauf von Autonomen aufgesucht und beschimpft. Ein Linksradikaler aus dem Umfeld der Roten Flora hatte die Ermittlerin zuvor zufällig bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Islamismus entdeckt.
Ob und in welchem Bereich Julia H. aktuell bei der Hamburger Polizei arbeitet, ist nicht bekannt. Offenbar hatte sie jedoch Glück, dass Autonome den Alias-Namen "Maria Block" nicht früher als Scheinidentität entlarvten. Im Jahr 2003 hatte Julia H. nach ihrer Ausbildung in Berlin zu den 325 Beamten gehört, die der damalige Innensenator Ronald Schill in der Hauptstadt für die Hamburger Polizei anwarb. Im selben Jahr ließ sich die damals 20-jährige Jungpolizistin für mehrere Zeitungen fotografieren und sprach öffentlich über ihre Arbeit. Ein Gewerkschaftsmagazin druckte sogar ein Foto von ihr auf der Titelseite.
Im März 2003 begann sie ihren Dienst in der Hansestadt als Polizeimeisterin bei der Bereitschaftspolizei. In den Medien berichtete sie über Einsätze bei Demonstrationen.