Sternschanze. Polizistin spähte für Generalbundesanwalt und LKA die Rote Flora aus. „Iris Schneider“ hat auch häufig Privatwohnungen betreten.

Die verdeckte Ermittlerin mit dem Tarnnamen „Iris Schneider“ tauchte weitaus tiefer in die linke Szene ein als bislang bekannt. Die Polizistin, die sowohl als „Verdeckte Ermittlerin“ (VE) für die Generalbundesanwaltschaft und das Landeskriminalamt Kiel als auch als „Beobachterin für Lagebeurteilung“ (BfL) für das Landeskriminalamt Hamburg mehrere Jahre lang in der Szene rund um die Rote Flora eingesetzt war, hat häufig auch Privatwohnungen betreten. Das fand die von Polizeipräsident Ralf Meyer eingesetzte Arbeitsgruppe heraus. Dort hatte die Polizistin vor wenigen Tagen in einer siebten Befragung deutlich mehr ausgesagt als in der Vergangenheit.

Die Beamtin suggerierte der linken Szene, dass sie eine engagierte, politisch interessierte Frau ist, die sich unter anderem bei feministischen Themen einbringt. Beim Radiosender FSK – auch das sagte sie jetzt in ihrer Befragung – war sie Sprecherin eines Jingles, der zur Mobilisierung für das Schanzenfest 2004 diente, bei dem dazu aufgerufen wurde „einmal im Leben pünktlich aufzustehen“ und sich „die Straße zu nehmen“. Rund um das Fest kam es, wie auch anlässlich von Schanzenfesten in anderen Jahren, zu erheblichen Ausschreitungen. Aussagen zu angeblichen Liebesbeziehungen oder anderen Bereichen ihrer Tätigkeit machte „Iris Schneider“ nicht.

Neue Ansatzpunkte

Die neuen Aussagen von „Iris Schneider“, bei denen sie betonte, dass es sich um mit Vorgesetzten abgesprochene Aktionen handelte, dürften ebenso wie das Betreten von Privatwohnungen noch einmal für zusätzlichen Zündstoff innerhalb der Polizei sorgen. Bislang hatten die sogenannten VE-Führer – Beamte der Staatsschutzabteilung, die auch innerhalb des Polizeiapparates besonders abgeschottet sind – und andere Vorgesetzte nur sehr wenige, bis keine Erinnerungen an die Zusammenarbeit mit ihrer „Undercover-Agentin“. Dazu kam, dass weder die Generalbundesanwaltschaft noch das Kieler Landeskriminalamt für die Aufarbeitung in Hamburg Unterlagen zur Verfügung stellen. Außerdem sollen bereits viele Unterlagen vernichtet worden sein. Jetzt haben die Mitglieder der Arbeitsgruppe neue Ansatzpunkte.

In neuen Befragungen dürften sie noch einmal die damaligen Akteure der Staatsschutzabteilung gezielt befragen. Anschließend wird es einen Abschlussbericht geben. Konfrontiert mit den neuen Aussagen, sagte Innensenator Michael Neumann (SPD): „Ich habe entschieden, Strukturen und Abläufe beim Einsatz verdeckt ermittelnder Polizeibeamter von der Innenrevision überprüfen zu lassen. Aufgrund der zu Tage getretenen widersprüchlichen Aussagen werden darüber hinaus umgehend Verwaltungsermittlungen aufgenommen.“ Bei der Polizei hat der Einsatz der „Iris Schneider“ bereits zu Konsequenzen geführt. Eine Vermengung von Einsätzen als Verdeckter Ermittler und als Beobachter für Lagebeurteilung wird es nicht mehr geben. Ausschlaggebend sind die aktuellen rechtlichen Grundlagen.

Als Verdeckte Ermittlerin hätte die Beamtin sehr wohl das tun dürfen, was sie gemacht hat. Die Mission eines Beobachters für Lagebeurteilung ist dagegen eher eine Vorfeldaufklärung, die durch das Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) geregelt ist. Das Betreten von privaten Wohnungen ist damit nicht gedeckt. Wird es keine BfL-Einsätze mehr geben, gilt das nicht nur für die linke, sondern auch für die rechte und die Salafisten-Szene.