Hamburg . Seit 2013 gilt das Ehegattensplitting auch für homosexuelle Paare – doch zwei Hamburgerinnen scheitern an Behörde.

Am 13. Juli setzte Hamburg ein Zeichen. Für Toleranz, Offenheit und Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Liebe. Seitdem signalisiert die Ampelanlage mitten im Stadtverkehr von St. Georg Passanten, dass in Hamburg Platz für Vielfalt ist. Bei rot und grün leuchten ein rein weibliches und auf der anderen Straßenseite ein rein männliches Ampelpaar auf. Doch so weit wie im Straßenverkehr ist Hamburg noch nicht überall. Christina Grevenbrock und Anja Manneck mussten das gerade feststellen – beim Versuch, ihre Steuerklasse zu ändern.

„Wir waren fassungslos“, sagt Grevenbrock. Die 32 Jahre alte Kunsthistorikerin und ihre Partnerin gaben sich vor einem Jahr am Meer von Laboe das Ja-Wort. Nun wollten sie das Ehegattensplitting für sich in Anspruch nehmen – so wie es ihnen seit 2013 zusteht. Damals entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Unterscheidung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft bei der Einkommenssteuer verfassungswidrig ist, da sie eine Minderheit diskriminiert. Seitdem genießen eingetragene Lebenspartnerschaften dieselben Steuerprivilegien wie Ehen. Theoretisch. Praktisch sieht das ganz anders aus.

Dabei wollten die beiden Hamburgerinnen nur aus der Steuerklasse I in III und V wechseln – Ehegattensplitting eben. „Am Telefon wurde uns gesagt, dass sei überhaupt kein Problem“, erinnert sich Manneck. Und sie hätten sicherheitshalber mehrmals angerufen. Im Finanzamt war es dann eins. So hätte die Mitarbeiterin erst einmal langwierig interne E-Mails studieren müssen, da ihr so ein Fall bislang noch nicht untergekommen sei.

Das Problem: Im Unterschied zu Ehepaaren werden Lebenspartner nicht automatisch nach der Eheschließung in die Steuerklasse IV eingestuft. Dafür muss erst bundesweit das Meldegesetz geändert werden. Denn während die Standesämter die neuen Meldedaten nach einer Heirat direkt an die Finanzämter weiterleiten, ist das bei Lebenspartnerschaften noch nicht der Fall. Und ohne Steuerklasse IV/IV gibt es auch kein III/V. Denn das ist wiederum technisch nicht möglich.

Im Hamburger Finanzamt sei Christina Grevenbrock und Anja Manneck schließlich geraten worden, das Problem am Ende des Jahres über den Lohnsteuerausgleich zu regeln. Solange müssten sie finanziell in Vorleistung gehen. Auch wenn die Zinsen derzeit ohnehin nicht hoch sind, für die beiden geht es ums Prinzip. „Das ist einfach diskriminierend“, so Manneck. „Wir sind es leid, als Sonder- oder auch noch als Problemfall zu gelten.“

Tatsächlich bestätigt Daniel Stricker als Sprecher der Hamburger Finanzbehörde, dass Frau/Frau so im System derzeit nicht vorgesehen wäre. Später betont er jedoch, dass man in Hamburger Finanzämtern bereits seit August 2014 die Anredeschlüssel „Frau/Frau“ und „Herr/Herr“ verwende. In den Vordrucken zur Einkommensteuererklärung gebe es seitdem auch die Begriffe „Lebenspartner A“ / „Lebenspartner B“. Nur wie das beim Problem mit der Steuerklasse weiterhilft, bleibt unklar. In Sachen Ehegattensplitting verweist Stricker auf die zuständige Bundesfinanzbehörde.

Dort will man den Schwarzen Peter aber auch nicht so recht haben. Zwar räumt Sprecher Jürg Weißgerber ein, dass es bei Lebenspartnerschaften bundesweit bei der automatischen Übermittlung der Steuermerkmale hake, „folgerichtig sind in den Dialogsystemen in den Finanzämtern noch keine entsprechenden Eingabefelder vorhanden“. Bis Ende 2015 sollen aber die rechtlichen und voraussichtlich in 2016 auch die technischen Voraussetzungen geschaffen werden.

„Vor zwei Jahren ist das Urteil des Bundesgerichtshofes ergangen. Es ist unfassbar, dass die es immer noch nicht geschafft haben, ihre EDV umzustellen“, urteilt Manfred Bruns. Der ehemalige Anwalt am Bundesgerichtshof engagiert sich ehrenamtlich im Vorstand des Lesben- und Schwulenverbandes. Er bietet auch eine Beratung für Benachteiligte in Rechts- und Steuerfragen an. Und er hat eine Übergangslösung, wie Grevenbrock und Manneck sofort die Steuerklasse ändern könnten. Sie müssten sich für das automatische System sperren lassen und mit einer Bescheinigung des Finanzamtes zum Arbeitgeber gehen. Warum den beiden dazu im Hamburger Finanzamt nicht geraten wurde? „Die Mitarbeiter sind hier wohl mit Lebenspartnerschaften überfordert“, sagt Bruns. Denn andernorts klappe es laut der Rückmeldungen über den Verband.

Es sei nicht auszuschließen, dass es bei der praktischen Umsetzung des Gesetzes zur Änderung des Einkommenssteuergesetzes im Einzelfall Probleme auftreten können, erklärt Julia Offen, Sprecherin der Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung. Sie betont, dass sich der Senat für die vollständige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen stark mache. „Auf Bundesebene setzt sich Hamburg insbesondere für die Öffnung der Ehe für alle Menschen ein“, so Offen. Der Senat nehme den Fall zum Anlass, „die Prozesse zu analysieren und eine schnellere Umsetzung der Bundesgesetzgebung zu ermöglichen.“