Hamburg. Hamburger Laufschuhanbieter Lunge schneidet bei Stiftung Warentest schlecht ab. Die Firma denkt nun über juristische Schritte nach.
Unruhe beim Laufschuhanbieter Lunge: Die Stiftung Warentest kritisiert die Fabrik und die Produkte des Hamburger Unternehmens in ihrem aktuellen Testmagazin. Bei beiden Prüfthemen kommt Lunge nicht gut weg. Die Sohle des Schuhs sei während des Tests gebrochen, im Werk herrschten Mängel beim Umweltschutz, schreiben die Tester in der August-Ausgabe der Zeitschrift.
Das getestete Modell „Lunge Vivo“ landet in seiner Kategorie auf dem letzten Platz. Es reicht im Praxistest nur für die Note „befriedigend“ (3,3). Bei der Haltbarkeit erhält der grün-weiße Sportschuh lediglich ein „ausreichend“ (4,0). Dabei kostet der Lunge Vivo mit 180 Euro rund 50 Euro mehr als der Testsieger Asics Gel-Cumulus 16, der die Läufer im Praxistest mit einem „Gut“ (1,7) überzeugte.
Die Lunges begannen vor sieben Jahren mit der Produktion in Deutschland
Firmengründer Ulf Lunge, ein Sportler, der in den 80er-Jahren den Titel „Hamburger Meister“ im Marathon holte und sich in seinen Läden und der eigenen Produktion seit Langem mit dem Thema Fußbekleidung beschäftigt, ist verärgert. Denn Qualität ist schon immer sein Credo. Seit er vor sieben Jahren nach einer Millioneninvestition in Mecklenburg den Schritt wagte, als einziger Hersteller wieder in Deutschland zu produzieren, wirbt der Kaufmann mit einem ehrgeizigen Leitgedanken: Dass er mit seiner Manufaktur und dem „Made in Germany“-Siegel der selbst gefertigten Schuhe die Massenware der etablierten Anbieter beim Komfort übertrumpfen könne.
Die Vorwürfe der Stiftung Warentest führen eventuell zu juristischen Schritten, in jedem Fall nennt der Unternehmer die Kritik praxisfern und überzogen. „Ein Sohlenbruch kommt in der Praxis so gut wie nie vor“, bemängelt Lunge das Verfahren des Magazins. Ein Sticherweiterungstest, wie er als Grundlage für die Untersuchung gedient habe, sei zwar für Sicherheitsschuhe wichtig. „Aber Laufschuhe treten in der Regel nicht auf ein Skalpell“, wertet Lunge die Prüfung als realitätsfern. „Wir haben den Test nachgestellt. Nur durch eine schwere Beschädigung kommt es nach vielen Biegungen zum Sohlenbruch. Das deckt unsere Garantie ab.“ An den Sohlen-Zwischenräumen beschädigt, habe jeder Laufschuh dasselbe Ergebnis, so Lunge.
Nicht nur bei den Schuhen, sondern auch bei der Beurteilung der Produktionsbedingungen laufen die Lunges im Test hinterher: „Die meisten Anbieter lassen ihre Schuhe in Fernost fertigen. Doch zum Teil sind die Zustände dort besser als bei dem einzigen in Deutschland produzierenden Unternehmen“, heißt es in dem „Warentest“-Artikel. Die Fabriken, die die Tester in Asien besuchen durften, etwa von Adidas, Brooks und Reebok, hätten sie positiv überrascht: Beim Umweltschutz seien die Verhältnisse besser als in Deutschland. Eine Strategie, wie Lunge Verantwortung für Mitarbeiter und Umweltschutz der Lieferkette übernimmt, sei nicht zu erkennen, heißt es in dem Heft. Eigene Schadstoffprüfungen fänden kaum statt, man verlasse sich auf Erklärungen der Lieferanten, schreiben die Redakteure.
„So groß die Freude über einen Test unserer kleinen Manufaktur auch war, mit dem Ergebnis sind wir nicht zufrieden“, reagiert Lunge auf die Schelte. „Denn Umweltverträglichkeit steht bei der Herstellung unserer Schuhe an erster Stelle.“ Der Corporate Social Responsibility Test (zur sozialen Verantwortung des Unternehmens, Anm. d. Red.) schieße auf einen Betrieb mit 23 Mitarbeitern wie Kanonen auf Spatzen, so Lunge. „100 Seiten Test mit komplizierten Fragen können von uns trotz fachkundiger Unterstützung der Handelskammer nicht angemessen bewältigt werden. Es ging im Wesentlichen um Fragen der Strukturen und der Bürokratie im Betrieb, die wir nicht bieten können.“ Seine Firma könne man nicht mit gleichen Maßstäben messen wie die großen Marken: „Alle anderen Laufschuhhersteller haben dezentrale Herstellungsprozesse in Asien und Indien mit Tausenden Mitarbeitern. Das funktioniert natürlich nur mit aufwendiger Bürokratie.“ Lunge ärgert sich über den Test – ob er dagegen vorgeht, ist unklar. „Die Frage, ob wir juristische Schritte gegen die Stiftung Warentest einleiten, ist nicht abschließend entschieden“, sagte Lunge.
Streitigkeiten mit der Stiftung Warentest hat auch der Schokoladenhersteller Ritter Sport hinter sich. Im vergangenen Jahr siegte der Süßwarenanbieter gegen die Stiftung vor Gericht. Demnach darf sie Ritter Sport in ihrem Schokotest keine irreführende Kennzeichnung eines Vanillearomas vorwerfen. Zuvor hatten die Prüfer der Ritter-Sport-Tafel die Note „fünf“ gegeben, mit der Begründung, sie enthalte das Aroma Piperonal, das künstlich hergestellt worden sei. Ob das Aroma tatsächlich natürlich oder chemisch hergestellt ist, konnte das Gericht nicht klären. Die Auseinandersetzungen hatten Monate gedauert und für Diskussionen darüber gesorgt, wie streng die Maßstäbe der Tester sein sollen.
Neue Läden der Lunges eröffnen in Berlin und Hamburg
In jedem Fall würde für die Firma Lunge eine solche Auseinandersetzung ein Kraftakt werden – und derzeit sind Ulf und sein Bruder Lars Lunge, die das Unternehmen gemeinsam führen, mit der Umgestaltung der Laufschuhkette beschäftigt: In Berlin haben sie gerade einen neuen Laden eingerichtet Und Anfang September eröffnet Lunge ein neues Geschäft in Barmbek, neben Globetrotter. Auf 900 Quadratmetern wollen die Unternehmer dort ihre Schuhe und die Modelle anderer Anbieter in einem modernen Ambiente an den Kunden bringen. Unter anderem mit zwei Indoor-Laufbahnen – zum Testen der Schuhe.