Hamburg. Hoher Krankenstand und komplexe Verfahren belasten die Arbeit – FDP fordert eine Entlastung der Amtsgerichte.

In der Hamburger Justiz brodelt es. Nach dem Brandbrief von Strafrichtern an Justizsenator Till Steffen (Grüne) hat auch das Amtsgericht Wandsbek mit einer Überlastungsanzeige Alarm geschlagen. Per Brief wurden die „Klägerinnen und Kläger sowie deren Prozessbevollbemächtigte“ gebeten, „zur Entlastung der Geschäftsstelle von Sachstandsanfragen abzusehen“, denn „auf Grund eines gravierenden personellen Engpasses“ könnten alle Verfahren nicht „mit der wünschenswerten Zügigkeit“ erledigt werden: Es sei mit „Verzögerungen von mehreren Wochen zu rechnen.“ Ursache der Misere: Mehrere Sacharbeiter waren gleichzeitig in den Ruhestand oder in die Elternzeit gegangen – oder krank geworden.

Offenbar haben auch die Zivilabteilungen der übrigen sieben Hamburger Amtsgerichte mit Personalproblemen zu kämpfen. In einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der Bürgerschafts-Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels und Wieland Schinnenburg (FDP) heißt es: Der Justizbehörde sei bekannt, dass die „Servicebereiche der Amtsgerichte stark belastet“ sind.

Dabei sind die Planstellen mit 98 Prozent eigentlich ausreichend besetzt. Doch fehle es, so Treuenfels, an weiteren Stellen und „Feuerwehrkräften“ – das sind Mitarbeiter, die aushelfen, wenn an einem der Amtsgerichte Personalprobleme entstehen. Derzeit gibt es davon fünf. Auch wenn die Zahl der Verfahren annähernd gleich geblieben sei, so seien diese doch deutlich komplexer – für eine zügige Erledigung reiche das Personal nicht aus, so Treuenfels. Die durchschnittliche Verfahrensdauer an den Amtsgerichten stieg von 2011 bis April 2015 von 4,8 auf fünf Monate. Bei den Zivilkammern des Landgerichts liegt sie nun bei zehn Monaten (2011: 8,8). Zudem leiden die Geschäftsstellen einiger Amtsgerichte unter hohen Krankenständen.

In Blankenese beträgt die Quote 7,9 Prozent, in Wandsbek gar 12,1 Prozent. Die Justizbehörde will nun den Servicebereich personell verstärken. Die Zahl der Ausbildungsstellen sei von 15 auf 30 verdoppelt worden, sagte Behördensprecher Thomas Baehr. Die FDP hält das indes für Symbolpolitik. „Die Zivilgerichtsbarkeit steht in weiten Teilen offenbar kurz vor dem Zusammenbruch. Justizsenator Steffen hat zu dieser dramatischen Situation schon in seiner ersten Senatszeit bis 2011 durch Untätigkeit beigetragen“, sagt von Treuenfels. „Wir fordern den Senat auf, der Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates durch ein umgehendes Entlastungsprogramm für die Justiz entgegenzutreten.“

Zumal auch den Richtern schon lange die Arbeit über den Kopf gewachsen ist. „Umfang und Komplexität der Verfahren haben deutlich zugenommen“, sagt Landgerichtspräsidentin ­Sibylle Umlauf. Folge: mehr unerledigte und längere Verfahren. Ähnlich sieht das Amtsgerichtspräsident Hans-Dietrich Rzadtki: „Unsere Mitarbeiter arbeiten seit Langem an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Dies schlägt sich nicht zuletzt in einer erhöhten Quote Langzeiterkrankter nieder. Eine zeitnahe Bearbeitung der Verfahren ist nicht mehr überall gewährleistet.“