Hamburg. Kritiker von Hamburgs Olympiabewerbung warnen vor finanziellen Risiken - Befürworter äußern sich dagegen zuversichtlich.

Die Linken waren die ersten, die sich öffentlich zu Wort meldeten. Nachdem die US-Ostküstenmetropole Boston am späten Montagabend offiziell ihre Bewerbung für die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2024 zurückgezogen hatte, versuchten am Dienstag Befürworter und Gegner einer Hamburger Bewerbung das sportpolitische Beben in ihrem Sinne zu interpretieren.

Unter dem Slogan „Von Boston lernen“ erklärte Linken-Olympiaexperte Mehmet Yildiz die Sorge vor einem „enormen finanziellen Desaster“ zu eigentlichen Grund für den Rückzug der US-Stadt. Boston habe keineswegs aus Angst vor Hamburg zurückgezogen oder weil die Stadt nicht in der Lage wäre, Olympische Spiele auszurichten.

Hamburgs Sportstaatsrat Christoph Holstein sah das - wenig überraschend - anders. „Mit dem Rückzug Bostons ist wohl der härteste Konkurrent Hamburgs aus dem Rennen“, sagte er, obwohl Experten Paris als schärfsten Mitbewerber der Hansestadt ausgemacht haben. Bostons Konzept habe neben Hamburgs Plänen am besten zu den Vorgaben des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gepasst, sagte Holstein weiter.

„Senat hat Bringschuld“

Allerdings hatten die Ideen der Olympiaplaner in der Bostoner Bevölkerung nicht verfangen. Man habe diese nicht für die Bewerbung begeistern können, sagte Scott Blackmun, Geschäftsführer des US-amerikanischen nationalen Olympischen Komitees. Die ungeklärten Kosten dürften jedoch der eigentliche Grund des Ausstiegs gewesen sein. Schließlich hatte Bostons Bürgermeister Marty Walsh erklärt: „Ich werde nichts unterschreiben, wodurch das Geld der Steuerzahler für die Kosten der Olympischen Spiele benutzt werden kann.“

Dirk Seifert, der den olympiakritischen Internetblog „Fairspielen“ betreibt, zeigt sich daher auch beeindruckt davon, dass Boston auf Grund einer möglichen Kostensteigerung seinen Rückzug beschloss. „Der Senat hat jetzt mehr denn je eine Bringschuld, der Öffentlichkeit wie zugesagt im September ausführlich über die absehbaren Kosten zu informieren. Wir benötigen einen vollständigen Zwischencheck.“ Boston habe mit seiner Entscheidung „die Messlatte für Hamburg deutlich höher gesetzt“, so Seifert.

Sportstaatsrat Holstein machte dagegen deutlich, dass Hamburg mit Steuergeldern das bezahlen werde, „was wir ohnehin machen wollen, aber ohne Olympia sicherlich später“. Dazu zählte er den Bau von Wohnungen, den Ausbau des Nahverkehrs und die Sanierung der Sportstätten. „Und wir würden bei einem Teil der Investitionen erhebliche Hilfen bekommen.“

Unterstützung in der Bevölkerung unverzichtbar

Hamburg verzichtet bei seiner Bewerbung auf Gigantismus und setzt auf Olympia in der Innenstadt mit dem Kleinen Grasbrook als zentralen Ort. Die meisten Wettkampfstätten sind davon nicht weiter als zehn Kilometer entfernt. Zudem will Hamburg nachhaltige Spiele. Die Unterkünfte für die Olympioniken sollen später als Wohnungen genutzt werden. In der Hansestadt entscheiden die Bürger am 29. November final über die Bewerbung.

Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, betonte, die Unterstützung einer Bewerbung in der Bevölkerung sei unverzichtbar. Die meisten Hamburger seien sich der Chance bewusst, die eine Bewerbung darstelle. „Wir werden in den nächsten Wochen dafür arbeiten, dass die Impulse für Wachstum und Beschäftigung sichtbar werden, von denen alle Hamburger profitieren, und damit die Zustimmung weiter wächst.“

Juliane Timmermann von der SPD meinte: „So wie Boston das Recht hat, Nein zu einer Olympiabewerbung zu sagen, hat Hamburg das Recht, Ja zu sagen.“ In letzter Instanz würden die Bürger über eine Bewerbung entscheiden. Christiane Blömeke von den Grünen betonte, Olympische Spiele könne es nur mit einem soliden Finanzierungskonzept geben, und versprach bis zur Abstimmung die Vorlage aller verfügbaren Informationen.

„Hamburger müssen und wollen überzeugt werden“

CDU-Fraktionschef André Trepoll glaubt, dass nach dem Rückzug Bostons Hamburg mit den „Spielen im Herzen der Stadt“ ein Alleinstellungsmerkmal unter den verbleibenden Mitbewerbern hat. Allerdings falle die Begeisterung nicht vom Himmel. „Deswegen darf Hamburg nicht nachlassen. Die Hamburger müssen und wollen überzeugt werden“, sagte Trepoll.

FDP-Fraktionschefin Katja Suding verwies darauf, dass die Konkurrenz um Olympia auch nach dem Ausscheiden von Boston für Hamburg stark bleibe. „Paris, Rom und Budapest sind ernstzunehmende europäische Mitbewerber, Los Angeles könnte Boston mehr als nur ersetzen, und wer sich darüber hinaus noch bis zum September bewirbt, bleibt abzuwarten.“

Bernhard Schwank, stellvertretender Chef der Hamburger Bewerbungsgesellschaft, versprach eine genaue Bewertung der Tatsache, „dass wieder eine Stadt gesagt hat, wir bewerben uns nicht um Olympische Spiele“. Es verbiete sich jede Freude über den Rückzug Bostons, denn das habe man vor zwei Jahren mit der Münchner Kampagne für die Winterspiele 2022 leidvoll erfahren müssen. Damals war die Bewerbung durch ein gescheitertes Referendum gestoppt worden.

Olympiakritiker Dirk Seifert mahnte: Jetzt müsse man abwarten, ob Los Angeles für Boston einspringe. „Für Hamburg wird es dann sicher nicht leichter.“