Hamburg. Der neue Chef Johannes Bußmann spricht mit dem Abendblatt in seinem ersten Interview über den Standort Hamburg.
Bei einem der größten Hamburger Arbeitgeber ist eine Ära zu Ende gegangen. Johannes Bußmann löste August Wilhelm Henningsen nach 14 Jahren an der Spitze von Lufthansa Technik ab. Zum ersten Interview seiner Amtszeit lud der 46-Jährige Chef von mehr als 7000 Beschäftigten in Hamburg das Abendblatt in seinem Büro an einen Glastisch, dessen Unterbau aus Rumpfspanten eines A300 besteht – ein Relikt seines Vorgängers.
Hamburger Abendblatt: 1999 haben Sie Ihre Karriere bei Lufthansa Technik im Produktmanagement gestartet. Pflegen Sie aus dieser Zeit noch Freundschaften?
Johannes Bußmann: Ich würde es gute Bekanntschaften nennen. Manche der damaligen Kollegen waren ja dann später eine Weile im Ausland tätig, so wie ich auch. Ich hatte das Glück, damals die Voraussetzungen zu schaffen für etwas, das wir erst heute wirklich konsequent umsetzen: Es ging darum, in allen Sparten des Unternehmens nachzuforschen, welche der dort entwickelten Produkte sich auch nach außen vermarkten lassen. Damit hatte ich die Chance, Lufthansa Technik sehr gut kennenzulernen. Die Kontakte aus dieser Zeit helfen mir noch heute.
Ist es ein Problem, vom Kollegen zum Chef zu werden?
Bußmann: Das müssten Sie eigentlich die Kollegen fragen. Man muss zwischen der privaten und der beruflichen Ebene trennen können. Meine Mitarbeiter sind alle Profis, denen gelingt das. Ich finde sogar, es hat für mich den Vorteil, auch einmal Klartext reden zu können, ohne dass andere das persönlich nehmen.
Ist es schwer in die Fußstapfen von August Wilhelm Henningsen zu treten, der das Unternehmen 14 Jahre lang lenkte?
Bußmann: Nicht die 14 Jahre geben dabei den Ausschlag, sondern der Mensch, der dieses Unternehmen mit seiner Persönlichkeit stark geprägt hat. Aber wir haben in den zurückliegenden zwei Jahren die künftige Strategie gemeinsam erarbeitet, es gibt keinen abrupten Wechsel.
Wie unterscheidet sich Ihr Führungsstil von dem Ihres Vorgängers? Sind Sie, wie er bei seinem Abschied sagte, vielleicht etwas ungeduldiger als er?
Bußmann: Ja, das kann schon sein. Der Lufthansa-Konzern befindet sich im Umbau, es ist eine unruhige Zeit. Ebenso wie mein Vorgänger bin ich aber sehr auf die Kunden ausgerichtet – was ich für einen Dienstleister wie dieses Unternehmen allerdings auch für eine unbedingte Voraussetzung halte.
Sie waren mehrere Jahre lang in Singapur. Was haben Sie dort gelernt?
Bußmann: Auf privater Ebene hat es mir gezeigt, dass man sich sehr wohl auch in einem anderen Kulturkreis gut zurechtfinden kann. Berührungsängste verlieren sich. Sehr aufschlussreich war aber auch der Blick von außen auf das Unternehmen. Ein Beispiel: In Asien ist es bis zu acht Stunden später als in Deutschland. Ein Kunde dort will aber dann zum Hörer greifen, wenn er ein Problem hat. Solche Erfahrungen haben mit dazu geführt, den Kundendienst stärker in die Regionen hinein zu verlagern.
Airbus und Boeing versprechen bei ihren neuen Modellen einen deutlich verringerten Wartungsaufwand. Befinden Sie sich noch in einem Wachstumsmarkt?
Bußmann: Generell stimmt es schon, dass Flugzeuge immer zuverlässiger werden. Man kann das ganz gut mit dem Auto vergleichen: Wie oft muss man damit heute noch in die Werkstatt fahren – und wie war das vor 25 oder 30 Jahren? Auf der anderen Seite werden Flugzeuge und Triebwerke stetig teurer, weil die Hersteller immer weiter in den Bereich der Hochtechnologie vordringen, um die Maschinen noch sparsamer und noch leiser zu machen. Damit steigen auch die Preise für die Wartung, Überholung und Reparatur. Vor allem aber wird die Zahl der Flugzeuge weltweit in den nächsten Jahrzehnten allen Prognosen zufolge deutlich zunehmen. Wir rechnen damit, dass unser Markt um 7,5 Prozent jährlich wächst.
Lufthansa Technik will bis 2018 den Umsatz gegenüber 2013 um 60 Prozent steigern. Wie schaffen Sie das, nachdem das Plus 2014 nur bei vier Prozent lag?
Bußmann: Das ist zweifellos ein sehr ambitioniertes Ziel. Der Markt wächst vor allem in Asien und in Nordamerika. Unsere zunehmende Präsenz dort gibt uns den Mut, an dem Ziel festzuhalten. Gerade in Asien gibt es sicher noch weiteres Potenzial für Aktivitäten vor Ort.
In den vergangenen 15 Jahren hat Lufthansa Technik viele neue Standorte und Beteiligungsfirmen im Ausland eröffnet, demnächst kommt sogar noch eine neue Überholungslinie in Puerto Rico hinzu. Verliert der Standort Hamburg dadurch an Bedeutung?
Bußmann: Ich sehe das nicht so. Für unsere Kunden ist es wichtig, dass wir zum Beispiel mit einem Lager für Austauschteile vor Ort sind. An viele wichtige Serviceverträge würden wir gar nicht herankommen, wenn wir diese Präsenz in Asien oder Amerika nicht hätten. Einen Teil der Triebwerke oder Geräte, die wir betreuen, bearbeiten wir dann in Hamburg, auch weil es hier Spezial-Know-how gibt und wir in teure Anlagen investiert haben. Das sichert Beschäftigung in Hamburg – und das hat in den vergangenen Jahren immer gut funktioniert.
Wie viel wollen Sie in Hamburg investieren?
Bußmann: Es gibt keine standortbezogene Investitionsplanung. Aber wir haben beschlossen, unsere Ausgaben für Forschung und Entwicklung erheblich auszuweiten und in den Jahren 2014 bis 2017 insgesamt 200 Millionen Euro dafür einzusetzen. Ein Großteil dieses Betrages entfällt auf Projekte in Hamburg.
Sie haben ein Unternehmen mit General Electric für die Wartung neuer Triebwerke dieses Herstellers angekündigt. Warum wird eine Arbeit gemeinsam mit GE erledigt, die man bislang alleine macht?
Bußmann: Die Triebwerke machen einen erheblichen Anteil der Wartungskosten aus. Für uns ist wichtig, Zugang zu der Technologie dieser neuen Typen zu bekommen. Umgekehrt haben die Hersteller ein Interesse an Kooperationen mit uns, weil sie immer häufiger für die Wartungskosten ihrer Triebwerke garantieren – und wir können Erfahrungen aus dem Flugbetrieb mitbringen, die helfen, diese Kosten zu senken.
Wie läuft der Bereich VIP-Jets mit Aufträgen für Reiche und Regierungen?
Bußmann: Dieser Bereich ist schon immer sehr schwankungsanfällig gewesen und momentan sieht es hier nicht so gut aus. Bei den Wartungen ist die Auslastung zwar stabil, aber der Neuausbau ist weniger gefragt. So ist das Geschäft in China durch die neue politische Führung stark abgesackt. Derzeit haben wir allerdings noch zwei Großraumjets in unseren Hallen.
Allein in Hamburg wurden bei Lufthansa Technik zwischen Anfang 2013 und Ende 2014 rund 400 Stellen in der Verwaltung gestrichen. Wie geht es weiter?
Bußmann: Es gibt kein neues Abbauprogramm. Allerdings sind wir gehalten, die Kosten weiter zu senken, um angesichts der Konkurrenz etwa aus Asien wettbewerbsfähig zu bleiben.
Der Lufthansa-Konzern soll enger zusammenrücken. Wird es in zehn Jahren noch eine Zentrale von Lufthansa Technik in Hamburg geben?
Bußmann: Wie der Lufthansa-Konzern in zehn Jahren aussehen wird, weiß ich nicht. Aber Lufthansa Technik ist heute selbst ein großes Unternehmen mit 34 Tochter- und Beteiligungsgesellschaften und 26.000 Beschäftigten rund um den Globus. Wir sind in unserer Branche Weltmarktführer. Ich glaube, diese Fakten sprechen schon für sich.
Zwei Ihrer Vorgänger wurden Lufthansa- Konzernchef. Würde Sie das reizen?
Bußmann: Ich bin vollauf damit beschäftigt, hier meine Rolle zu finden – und meine neue Aufgabe macht mir riesig Spaß. Im Übrigen geht es darum, den Lufthansa-Konzern durch gemeinschaftliche Anstrengungen zu stärken. Es kommt darauf an, für dieses Ziel zu arbeiten, und weniger auf die Position, in der man das tut.