Hamburg. HVV kündigt Preiserhöhung „unter zwei Prozent“ an und erhöht den Druck auf Schwarzfahrer. Auch das Ende der Barzahlung naht.
Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) ist die Dachorganisation der Verkehrsunternehmen in der Hansestadt. Die immer neuen Fahrpreiserhöhungen, die ein Vielfaches höher sind als die Inflationsrate, und das komplizierte Tarifsystem sind umstritten. Das Abendblatt sprach mit den beiden HVV-Geschäftsführern Lutz Aigner und Dietrich Hartmann.
Hamburger Abendblatt: Der HVV will auch im kommenden Jahr die Fahrpreise anheben. Fahrgäste und Oppositionspolitiker kritisieren das. Halten Sie trotzdem an ihren Plänen fest?
Lutz Aigner: Wir werden bei den Gesellschaftern des HVV auch für 2016 eine Tarifanhebung beantragen. Allerdings machen wir uns hier nicht die Taschen voll, sondern damit werden lediglich die gestiegenen Betriebskosten der Verkehrsunternehmen ausgeglichen. Nur gut 70 Prozent der Kosten im HVV werden durch Fahrgeldeinnahmen gedeckt. Der öffentliche Personennahverkehr bekommt also Zuschüsse aus Steuermitteln. Auch viele große Investitionen, zum Beispiel in den barrierefreien Ausbau der Haltestellen oder die Erweiterungen des Schienennetzes, wurden und werden nicht durch die Fahrpreisanhebungen, sondern aus Steuermitteln finanziert.
Haben Sie also kein Verständnis für die Kritik an der Preispolitik des HVV?
Aigner:Jede Preiserhöhung ist für die Kunden unschön, und wir wissen um die Sensibilität dieses Themas.
Also werden Sie bei der Tarifanhebung sensibel vorgehen?
Aigner:Die Höhe der Preisanpassung wird seit 2010 auf Grundlage des HVV-Tarifindexes festgelegt, damit stellen wir eine transparente und vor allem faire Preisgestaltung sicher. Dieser Index wird errechnet aus der allgemeinen Entwicklung der Verbraucherpreise, korrigiert um die lokalen Einflussfaktoren Diesel-, Strom- und Lohnkosten der Verkehrsunternehmen.
Wieviel teurer werden die Tickets im kommenden Jahr?
Aigner:Das steht noch nicht fest. Aber die Tarifanhebung dürfte unter zwei Prozent bleiben. In diesem Jahr waren es noch 2,6 Prozent.
Wann ist Ihrer Meinung nach die Schmerzgrenze bei den Fahrgästen erreicht?
Aigner:Alles wird teurer, und das gilt auch für die Fahrpreise. Gleichzeitig steigen auch die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer an. Es ist also ein ganz normaler Wirtschaftskreislauf. Für die Empfänger von Transferleistungen gibt die Stadt Hamburg auf die HVV-Fahrkarte einen Zuschuss von 20 Euro pro Monat.
Dem HVV wird auch häufig der Vorwurf gemacht, dass es einen Tarifdschungel gibt.
Dietrich HartmannUnser Ziel ist ein möglichst gerechtes Tarifsystem, und das ist dann zwangsläufig ein wenig komplizierter, als wenn wir nur ein Ticket anbieten würden. Immer der gleiche Preis, trotz ganz unterschiedlicher Streckenlängen, das wäre eben nicht fair. Also gibt es für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Fahrgäste eben auch viele unterschiedliche Fahrkarten. Wer eine Monatskarte oder ein Abo möchte, bekommt in unseren Servicestellen gute Beratung und ein maßgeschneidertes Angebot. Beim Kauf einer Einzelkarte kann der Kunde einfach im Internet oder am Automaten sein Ziel eingeben, und sofort wird der passende Preis angezeigt. Und die Zahlen geben uns recht. Das 2007 eingeführte Kurzstreckenticket für 1,50 Euro zum Beispiel hat sich hervorragend entwickelt und wird im Monat mehr als 1,2 Millionen Mal verkauft. Also ein Tarifdschungel ist etwas anderes, und deshalb halten wir an dem bewährten Preissystem fest.
Wie sieht der HVV der Zukunft aus?
Aigner: Im Vertrieb setzen wir auf zwei elektronische Verkaufswege: die HVV-App auf dem Smartphone und die HVV-Card. Mit dem Smartphone werden mittlerweile jeden Monat 230.000 Tickets verkauft, Tendenz weiter steigend. Die HVV-Card läuft zurzeit im Bezirk und Landkreis Harburg und soll ab Sommer 2016 auf den gesamten HVV ausgedehnt werden. Auf dieses neue Produkt können die Zeitkarten aufgespielt werden, aber auch Einzeltickets erworben werden. Noch werden sämtliche Systeme umgestellt und neues technisches Material angeschafft. Wer in den Bus steigt wird künftig dann nur noch die elektronische Karte beim Einstieg benötigen und diese an ein Lesegerät halten oder seine Fahrkarte mit dem Smartphone kaufen. Natürlich müssen auch die Prüfgeräte der Fahrkartenkontrolleure auf das System umgestellt werden. Insgesamt investiert der HVV rund 20 Millionen in das Vorhaben.
Das heißt Bargeld hat im HVV bald ausgedient?
Aigner: Ja, auf lange Sicht schon. Aber zunächst einmal müssen wir die technischen Voraussetzungen schaffen, und unsere Kunden müssen das akzeptieren. Wenn dann alles gut läuft, wird sich die Barzahlung automatisch reduzieren und das gedruckte Ticket wird der Vergangenheit angehören.
Der HVV hat den Einstieg vorn in Bussen eingeführt, um die Schwarzfahrerquote zu senken. Hat sich diese Maßnahme bewährt?
Hartmann:Es hat sich ausgezahlt. Der entstandene Schaden durch Schwarzfahrer ist von etwa 30 auf 20 Millionen Euro jährlich zurückgegangen. Aber das ist natürlich immer noch viel Geld, und deshalb gehört die Bekämpfung der Schwarzfahrer zu unseren wichtigsten Aufgaben.
Kommen also harte Zeiten auf die Schwarzfahrer zu?
Hartmann:Wir sprechen hier nicht von einem Kavaliersdelikt. Also erhöhen wir den Druck auf Schwarzfahrer. Zum 1. August wird das Bußgeld von 40 auf 60 Euro erhöht. Zudem setzen wir auf flexible Einsatzpläne, bei Großkontrollen kooperieren die etwa 350 Prüfer der Verkehrsunternehmen miteinander.
In Metropolen wie London oder Paris gibt es geschlossene Systeme. Das heißt, die Schranken in den Haltestellen öffnen sich nur, wenn der Fahrgast ein Ticket hat. Eine Option für den HVV?
Hartmann:Nein. Das wäre ein viel zu hoher finanzieller Aufwand und auch baulich an vielen Haltestellen nicht zu realisieren.