Stellingen. Lailek war erst 2014 nach Stellingen gekommen. Vor wenigen Tagen erkrankte der Vater der toten Zwillinge dann plötzlich.

Das mysteriöse Raubtiersterben bei Hagenbeck geht weiter. Nachdem der Tierpark in den vergangenen Wochen bereits zwei Tigerbabys und den Leopardennachwuchs verloren hatte, starb am Donnerstag „völlig unerwartet“ auch der erst vier Jahre alte Sibirische Tiger Lailek. Die Ursache blieb zunächst unklar, nach ersten Untersuchungen wird aber eine Erkrankung des zentralen Nervensystems vermutet.

Nach Tierpark-Angaben war der Tiger seit zwei Tagen durch ein verändertes Gangbild aufgefallen, seit Mittwochnachmittag sogar durch eine schwere Lähmung der Hinterbeine. Während der sofort eingeleiteten medizinischen Checks durch Hagenbecks Tierärzte sei der narkotisierte Tiger Lailek dann „während der Untersuchungen gestorben“. Zuvor konnten die Ärzte nach Röntgen, Computertomografie und Magnetresonanztomografie zumindest noch die Ursache für die Lähmung diagnostizieren: eine Rückenmarkschädigung.

Dabei sei auch relativ klar geworden, dass eine „hochgradig entzündliche Veränderung im zentralen Nervensystem“ vorgelegen haben muss. Wie es dazu kam, sei noch ungeklärt, sagte Tierarzt Michael Flügger dem Abendblatt. Heute sollen weitere pathologische Untersuchungen im Tierpark Aufschluss über die Todesursache geben.

„Wir sind natürlich tief betrübt“, sagte Flügger. Lailek galt als mustergültiges Zuchtmännchen für den Tierpark. Erst im Januar 2014 war das junge Tier aus dem Zoo Zürich nach Hamburg gekommen – ohne Anzeichen einer Erkrankung. Flügger: „Wie jedes Tier wurde er bereits in seinem Heimatzoo parasitologisch und bakteriologisch untersucht. Auch bei uns wurden diese Tests in seiner Quarantäne wiederholt.“ Ohne Befund. Zudem gelte der Züricher Zoo, in dem Lailek am 15. Mai 2011 geboren wurde, als sehr gute Zuchtadresse mit lückenloser Überwachung durch festangestellte Tierärzte. Vor dem damaligen Transport habe – wie in solchen Fällen üblich – sogar ein unabhängiger Amtstierarzt den Tiger untersucht. „Das ist gängige Praxis“, sagt Flügger. Umso merkwürdiger sei nun der plötzliche Tod.

Seit Laileks Ankunft im vergangenen Jahr ruhten alle Zuchthoffnungen bei Hagenbeck auf den gestreiften Schultern des jungen Amurtigers. Erstmals nach 13 Jahren sollten wieder Jungtiere bei den in freier Wildbahn stark gefährdeten Raubkatzen geboren werden. Mit einem Zwillingspärchen gingen im Mai dieses Jahres zunächst auch Biologenträume in Erfüllung. Doch wie berichtet starben beide Jungtiere kurz nacheinander und wurden danach – wie bei Tigern üblich – von Mutter Maruschka aufgefressen. Die Todesursache blieb mangels Obduktionsmöglichkeit unklar.

Für Hagenbeck ist die Tigerzucht angesichts zurückliegender Widrigkeiten eine besondere Angelegenheit: Im Jahr 2002 waren die Bemühungen der Nachzucht mit dem vorerst letzten Wurf gestoppt worden. Damals wurde die genetische Testmethodik des Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) verfeinert und der damalige Kater Sascha als nicht reinrassig aussortiert. Fortan durfte nicht mehr mit dem Paar Sascha und Taiga gezüchtet werden. Beide Tiere wurden dennoch gemeinsam im Tierpark alt, bevor sie starben.

Die Suche nach einem geeigneten Nachfolgerpaar gestaltete sich in der Folge schwierig. Erst im vergangenen Jahr konnte die Fahndung nach einem Männchen mit Lailek beendet werden. Artgenossin Maruschka, schon 2012 aus Nowosibirsk nach Stellingen gekommen, wartete da bereits im umgebauten Gehege. Ihr Stammbaum war so wenig verbreitet, dass sie im europäischen Zuchtprogramm auf Anhieb an Ranglistenplatz sechs stand. Für Hagenbeck ein Glücksfall. Je weiter oben ein Tier steht, desto zügiger kann die Arbeit am Erhalt der Art beginnen. Im vergangenen Jahr erhielt der Tierpark dann die Erlaubnis. Nun der Rückschlag. Nur etwa 260 Tiere leben momentan in Europa in Gefangenschaft, Ein geeignetes neues Männchen zu finden, kann folglich lange dauern.