Hamburg . Hamburgs Verfassungsschutz registriert deutlich mehr Salafisten in der Stadt. Bedrohung „erheblich näher“ gerückt, so der Innensenator.

Die Zahl der Unterstützer des bewaffneten Dschihad hat sich in Hamburg im vergangenen Jahr mehr als verdreifacht. Insgesamt stieg sie von 70 auf 240, sagte Hamburgs Verfassungsschutzchef Torsten Voß am Donnerstag bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichts 2014. Die Zahl der salafistischen Szene insgesamt habe sich von 240 auf 400 erhöht. Ein Grund dafür sei, dass der Verfassungsschutz das Geschehen deutlich intensiver in den Blick genommen habe. Auf der anderen Seite sei aber auch eine stärkere Radikalisierung vor allem junger Erwachsener festzustellen gewesen. Beim Links- und Rechtsextremismus gab es 2014 geringe Veränderungen.

Innensenator Michael Neumann (SPD) sprach von einer deutlich höheren Gefährdungslage in Deutschland und Hamburg. „Durch die Ereignisse des Jahres 2014 kommen wir zu dem Ergebnis, dass gerade nach den furchtbaren Anschlägen in Paris, aber auch in Kopenhagen, die Bedrohung erheblich näher gekommen ist.“ Die Absagen von Veranstaltungen in Dresden, Braunschweig und Frankfurt machten deutlich, „dass das Gefährdungspotenzial stetig zunimmt“.

Bekämpfung des islamistischen Terrors Schwerpunkt des Verfassungsschutzes

Die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus sei im vergangenen Jahr Schwerpunkt des Verfassungsschutzes gewesen, sagte Voß. Die Zahl der Islamisten habe sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren bundesweit von rund 4000 auf rund 8000 verdoppelt, rund 700 Frauen und Männer seien nach Syrien oder den Irak ausgereist, um in den „Heiligen Krieg“ zu ziehen. Aus Hamburg kamen dabei rund 50. Etwa ein Dutzend der Kämpfer sei dort ums Leben gekommen, etwa ein Drittel sei zurückgekehrt und stehe nun unter besonderer Beobachtung. In 16 Fällen habe eine Ausreise verhindert werden können, sagte Voß.

In diesem Zusammenhang warnte er vor der Koran-Verteilaktion „Lies“. Dahinter stünden Salafisten. „Wir warnen davor, mit diesen Menschen zu sprechen, sich von diesen Menschen in irgendeiner Form anwerben zu lassen.“ Das sei nur Show. „Viele von denjenigen, die in Syrien, im Irak sind, waren vorher im Bereich der Koran-Stände aktiv.“

Die Zahl der Islamisten in Hamburg insgesamt bezifferte Voß auf 955 - fast 1300 weniger als 2013. Grund sei, dass der Verfassungsschutz nicht mehr alle Teile der islamischen Millî-Görüş-Bewegung beobachte. Voß betonte jedoch: „Das ist keine Entwarnung. Im Gegenteil: Unser Fokus liegt jetzt auf dem Bereich der dschihadistischen Salafisten und der Salafisten - und die sind angestiegen.“ Eine Steigerung verzeichnete Voß auch beim auslandsbezogenen Extremismus. Dazu zählten etwa die 600 Anhänger der kurdischen PKK, 145 türkische Linksextremisten und 105 türkische Nationalisten.

Linksextremismus kaum verändert

Im Bereich des Linksextremismus gab es 2014 kaum Veränderungen. Allerdings seien zwei besonders schwere Straftaten gegenüber der Polizei zu verzeichnen gewesen - einmal ein versuchter Mordanschlag am 1. Mai mit einem Molotow-Cocktail sowie ein versuchter Totschlag, als während der Räumung eines besetzten Hauses ein Nachtspeicherofen auf einen Beamten geworfen worden sei. Insgesamt sei die Zahl der Linksextremisten mit 1110 annähernd gleichgeblieben (2013: 1120). Von ihnen wiederum seien 630 gewaltbereit (2013: 620). Die Zahl der politisch motivierten Kriminalität aus dem linken Lager sei mit 853 im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken (2013: 895), die darin enthaltenen linksextremistischen Straftaten sanken von 297 auf 248. Die Zahl der Gewaltdelikte stieg dagegen von 187 auf 219.

Ein ähnliches Bild zeigte sich beim Rechtsextremismus. Deren Anhängerzahl stieg leicht von 330 auf 340, wobei 150 von ihnen als gewaltbereit einstuft werden (2013: 160). Bei den politisch motivierten Straftaten (296) verzeichnete Voß ebenso wie bei den rechtsextremistischen Straftaten (278) und rechtsextremistischen Gewalttaten (17) einen Rückgang. Bei fast zwei Dritteln aller Taten habe es sich zudem um Propagandadelikte gehandelt.

Dennoch habe sich der Verfassungsschutz entschieden, nicht nur die Burschenschaft Chattia Friedberg, sondern auch die Burschenschaft Germania wegen rechtsextremistischer Bestrebungen zu beobachten. Der Kampf gegen Rechts bleibe ein Schwerpunkt, betonte Voß. „Eine Körperverletzung zum Nachteil eines Menschen mit Migrationshintergrund entfaltet eine derartige Strahlkraft, dass das subjektive Sicherheitsgefühl von vielen Menschen stark beeinträchtigt wird.“ (dpa)