Hamburg. Parlament stimmt für Verfassungsänderung. Generelle Volksabstimmungen „von oben“ sind nun möglich. Was bedeutet dies konkret?
Die Bürgerschaft hat nun endgültig die Schaffung von Referenden beschlossen. Nachdem das Parlament bereits Anfang Mai in erster Lesung für den Vorschlag von SPD, Grünen und CDU gestimmt hat, stimmte es am Donnerstagnachmittag nun auch in zweiter Lesung dafür. Wie vor drei Wochen votierten die Abgeordneten der Regierungsfraktion, der oppositionellen CDU sowie AfD dafür. FDP und Linke stimmten mit Nein.
SPD-Verfassungsexperte Olaf Steinbiß hatte zuvor erklärt, dass Referenden Volksinitiativen nicht gefährden würden. „Der Volksentscheid braucht nicht gerettet zu werden, er ist nicht in Gefahr.“ Karin Prien (CDU) sieht in der Möglichkeit, Referenden durchzuführen, „die Basis für eine erfolgreiche Olympia-Bewerbung und ein Mehr an Demokratie“.
Und auch Farid Müller (Grüne) pries die generellen „Volksabstimmungen von oben“ als zusätzliches Instrument der Bürgerbeteiligung. Zudem sei man den Kritikern in einer Reihe von Punkten entgegengekommen. So gebe es die Möglichkeit, die Gegenposition zu einem Referendum im Informationsheft beizufügen.
Die Linken überzeugte das nicht. Heike Sudmann kritisierte das Tempo, in dem die Verfassungsänderung vorangetrieben worden ist. „Nach wie vor sind wir überzeugt, dass diese im Schweinsgalopp durchgezogene Verfassungsänderung eine ernste Gefahr für die Volksgesetzgebung in Hamburg ist.“ Und Anna von Treuenfels (FDP) monierte: „Willkürliche Obrigkeitsreferenden zu ermöglichen, deren Themen wie Ausgang künftig völlig unabsehbar sind, ist der grundsätzlich falsche Weg. Eine einmalige Abstimmung der Hamburger über die Spiele an Alster und Elbe wäre das richtige.“
Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu Referenden.
Referenden in Hamburg
Was ist ein Referendum?
Ein Referendum ist die Möglichkeit für Bürgerschaft oder Senat, dem Volk eine Frage zur Entscheidung vorzulegen – eine Volksentscheidung „von oben“. Bislang gibt es das nur umgekehrt: Aus dem Volk heraus kann sich eine Initiative bilden, die dann am Ende zum Volksentscheid führt, der verbindlich ist, also im Erfolgsfall Gesetzeskraft hat. Damit betritt Hamburg justizpolitisches Neuland.
Wie kommt ein Referendum zustande?
Ein Referendum kann abgehalten werden, wenn zwei Drittel der Bürgerschaftsabgeordneten einen entsprechenden Antrag stellen. Der Senat muss dem Vorhaben zustimmen. Es geht auch andersherum: Der Senat kann ein Referendum vorschlagen. Auch in diesem Fall muss die Bürgerschaft mit zwei Dritteln der Abgeordneten dafür stimmen. Abgestimmt wird gleichzeitig über Inhalt und Zeitpunkt des Referendums.
Warum werden Referenden eingeführt?
Ausgangspunkt ist die geplante Bewerbung Hamburgs für die Olympischen Sommerspiele 2024. Voraussetzung für eine internationale Bewerbung ist laut Deutschem Olympischen Sportbund (DOSB) eine Volksabstimmung.
Wann findet die Befragung zu Olympia statt?
Das Referendum ist für den 29. November geplant.
Zu welchen Themen können Referenden durchgeführt werden?
Es ist vorgesehen, dass Themen von „grundsätzlicher und gesamtstädtischer Bedeutung“ vorgelegt werden. Es geht also um Entscheidungen über Großprojekte und Infrastrukturvorhaben, die Auswirkungen über mehrere Wahlperioden haben. Damit ist beabsichtigt, dass ein neuer Senat oder eine neue Bürgerschaft die Entscheidung der vorherigen Regierung oder des vorherigen Parlaments nicht wieder kassiert oder verändert.
Wann ist ein Referendum gültig?
Die Mehrheit der Wähler muss mit Ja gestimmt haben. Gleichzeitig muss diese Mehrheit mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten entsprechen. Das sind 240.000 Jastimmen.
Sind Referenden verbindlich?
Es gibt eine Sperrfrist, um der Volksentscheidung eine verbindliche Wirkung zu verleihen. Weder Politik noch anderslautende Volksinitiativen sollen diese aufheben können. Diese Sperrfrist beginnt mit dem Tag der positiven Volksabstimmung und endet mit der laufenden Legislaturperiode. Mindestens aber beträgt die Sperrfrist drei Jahre. Dann aber sind Volksinitiativen wieder zulässig.
Was sagen die Kritiker?
Der Verein „Mehr Demokratie“ sieht seine Errungenschaften in der direkten Bürgerbeteiligung in Gefahr. Die Mitglieder sehen in den in kurzer Zeit „durchgepeitschten“ Plänen der Parlamentarier den Versuch, Volksinitiativen auszuhebeln. „Wir wehren uns gegen den geschickt getarnten Versuch, mühsam errungene demokratische Rechte abzubauen“, sagte Manfred Brandt, Sprecher von „Mehr Demokratie“. Volksinitiativen sollten per Referendum „plattgemacht“ werden, und Bürgerrechte würden eingeschränkt, so der Vorwurf. Dem halten die Befürworter die aus ihrer Sicht überschaubaren Sperrfristen entgegen. Weitere Kritik: Die angeblich geringe Frist, um als Gegenvorlage in das Referendum aufgenommen zu werden. SPD, CDU und Grüne schreiben daher vor, dass die Bürgerschaft ein halbes Jahr vor einem Beschluss über ein Referendum ihre Absicht bekannt machen muss.