Hamburg. Studie: Nur rund 19.000 Menschen in der Hansestadt wagen 2014 den Schritt in die Selbstständigkeit. Die Geschäftsideen sind vielfältig.
Deutschland befindet sich im Gründerfieber. Allein im vergangenen Jahr machten sich laut der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 915.000 Bürger selbstständig, das sind 47.000 mehr als im Jahr 2013. In Hamburg wagten wiederum 19.039 Menschen den Sprung zum eigenen Unternehmen. Damit bleibt die Hansestadt zwar nach Berlin die Hochburg für Gründer. Aber die Zahl der Jungunternehmer sank 2014 um 9,3 Prozent, so Britta Heegardt, Gründungsberaterin bei der Handelskammer.
Über die Ursachen des Rückgangs kann man nur rätseln. „Wenn es am Arbeitsmarkt gut läuft, werden weniger Unternehmen gegründet“, sagt sie. In diesem Jahr erwartet die Expertin mehr Gründungen. Dass derzeit mehr Anfragen an die Handelskammer zum Thema Gründung kommen, stimmt sie optimistisch.
Bei einer Entscheidung für oder gegen eine Selbstständigkeit spielen auch private Gründe eine Rolle, insbesondere die Abwägung möglicher Chancen und Risiken unter Berücksichtigung der Wirtschaftslage sowie der individuellen Möglichkeiten am Arbeitsmarkt. Rückgänge im Gründungsgeschehen waren in der Vergangenheit immer wieder von positiven Arbeitsmarktlagen begleitet, so die Handelskammer. Zugenommen hat die Zahl der Gründerinnen. 43 Prozent aller Existenzgründungen wurde 2014 von Frauen umgesetzt. Im Vorjahr waren es nur 33 Prozent.
Die Palette der Ideen für neue Firmen ist auch in Hamburg vielfältig. „Es wird was“, sagt Jörg Miedke, der sich mit Männermode bestens auskennt. Nach 25 Jahren als Chefdesigner und Produktmanager für Männerbekleidung hat er sich im vergangenen Herbst in Hamburg selbstständig gemacht. Die Zahl der Kunden in seinem Geschäft about blue am Eppendorfer Weg steigt – obwohl nahezu die gesamte deutsche Textilbranche seit September Umsatzverluste zu verzeichnen hat. Miedke punktet damit, dass er neue Modelabels nach Hamburg bringt, „die es bisher in der Stadt noch nicht gegeben hat“.
„Das erneute Plus bei den Gründungen ist eine gute Nachricht für die Volkswirtschaft“, sagt Jörg Zeuner, Chef-Volkswirt bei der KfW. Treibende Kraft waren laut der aktuellen Analyse von KfW Research die Gründungen in freiberuflichen Branchen, wie etwa Coaches oder Berater. Deren Zahl erhöhte sich um 61.000 auf 368.000. In gewerblichen Bereichen gab es hingegen ein Minus von 14.000 auf rund 547.000. Durch neu gegründete Unternehmen entstanden insgesamt 745.000 vollzeitäquivalente Arbeitsplätze, das ist ein Plus von gut 140.000 Stellen gegenüber dem Vorjahr. Die Gründer schufen dabei sowohl die Jobs für sich selbst als auch Arbeitsplätze für 292.000 Angestellte. Vor allem das stabile konjunkturelle Umfeld und der gute Arbeitsmarkt sorgten laut den KfW-Experten dafür, dass nur 30 Prozent der Gründungen ausschließlich mangels anderer Erwerbsalternativen getätigt wurden.
In Hamburg ist die Dienstleistungsbranche auch bei Neugründungen mit einem Anteil nach wie vor am stärksten vertreten. An zweiter Stelle folgt das Baugewerbe mit einem leichten Zuwachs gegenüber dem Vorjahr. Weitere Gründungen konnten unter anderem auch in den Bereichen Einzelhandel und Handwerk verzeichnet werden.
Auch im vergangenen Jahr machten sich drei von vier Existenzgründern selbstständig, indem sie ein neues Unternehmen eröffneten. Eine tätige Beteiligung an einem bestehenden Unternehmen war nur für 16 Prozent denkbar, die Übernahme eines etablierten Unternehmens sogar nur für acht Prozent der Gründer. „Ein stärkeres Interesse an einer Unternehmensnachfolge wäre wünschenswert. Die Chefs von mehr als einer halben Million kleiner und mittlerer Unternehmen wollen in den nächsten zwei Jahren ihre Firma an einen Nachfolger übergeben. Hier ergeben sich spannende Möglichkeiten, die genutzt werden sollten“, appellierte KfW-Chefvolkswirt Zeuner.
Für das laufende Jahr erwartet KfW Research allerdings wieder einen leichten Rückgang bei Neugründungen. Das Wachstum der deutschen Wirtschaft wird laut den Analysten 2015 zwar ähnlich ausfallen wie im vergangenen Jahr. Von konjunktureller Seite bleiben deshalb zusätzliche Impulse für das Gründungsgeschehen aus, heißt es. Der Arbeitsmarkt erzeuge aufgrund der anhaltend guten Jobaussichten auch keinen Druck, in die Selbstständigkeit zu wechseln. „Die Gründungstätigkeit dürfte 2015 wieder abflauen“, erwartet Zeuner.
Von Lakritze konnte Lenka Kalwies schon vor ihrer Selbstständigkeit nicht genug bekommen. Die Soziologin arbeitete nach ihrem Studium in einer Unternehmensberatung. Sie merkte schnell, dass dies nicht ihre Berufung war. „Ich machte einen Job, den ich eigentlich nie machen wollte“, sagt sie. Dann kam in ihrem Unternehmen eine Umstrukturierung. Kalwies nutzte die Chance und ging. „Von da an habe ich mich auf meinen eigentlichen Berufswunsch konzentriert. Ich baute einen Online-Lakritzladen auf.“ Ihre leckeren Erzeugnisse verkauft sie auf großen Märkten und Festen wie dem Alstervergnügen in Hamburg oder dem Husumer Krabbenfest und über den eigenen Internetladen.
Hundegebell am südlichen Bahngraben in Bergedorf. Jeannette Karck ist an diesem Tag bereits zum zweiten Mal unterwegs. Fünf Hunde führt sie aus. Eigentlich ist sie staatlich geprüfte Betriebswirtin seit 2007 im Online-Bereich tätig, zuletzt zwei Jahre lang als Produktmanagerin im Ausland. Vor einiger Zeit kam sie zurück und erfüllte sich Mitte September 2014 mit der Firma Gassi-Taxi ihren Traum. „Ich kann sogar schon von meinem Unternehmen leben“, sagt die begeisterte Hundeliebhaberin. Den Schritt in die Selbstständigkeit bereut sie nicht.