Rücksichtslose Autofahrer, ignorante Fußgänger, wild gewordene Rad-Rambos – je nach Blickwinkel ist der Schuldige schnell gefunden.

Ja, es stimmt: Wir stehen nicht im Stau, wir sind der Stau. Und, nein: Wir sind nicht alle selber Schuld daran. Es soll Menschen geben, die müssen mit dem Auto fahren, weil es keine geeigneten Alternativen für sie gibt. Aus Freude am Fahren jedenfalls stürzt sich wohl niemand morgens und abends freiwillig ins Hamburger Berufsverkehrs-Chaos. Und aus Freude am Stehen schon gar nicht.

Dabei beschleicht einen ständig der Verdacht, dass das von der Politik genau so gewollt ist, um Autofahrern den Garaus zu machen. Baustellen auf allen Einfallstraßen gleichzeitig, „Rückbau“ von Bushaltebuchten, durch Lieferwagen blockierte Fahrspuren oder gleich komplette Sperrungen wegen irgendwelcher Volks-, Sportfeste oder Hafenfeste: Jeden Morgen darf man gespannt sein, was sich die Verkehrsplaner heute wieder haben einfallen lassen. Nach dem Motto: Wo noch kein Hindernis steht, müssen wir dringend eines schaffen. Das ist der reine Horror, kostet Nerven, Zeit, Geld und verpestet unnötig die Luft.

Die Mehrheit der Radfahrer benimmt sich mittlerweile wie Anarchisten

Unter diesem unvermeidlichen Adrenalin-Dauerstoß suchen viele „Kollegen“ Autofahrer jeden kleinsten Vorteil auf Kosten der anderen zu erzwingen, stellen Kreuzungen zu, missachten Vorfahrtsregeln, quetschen sich in kleinste Lücken, drohen, schimpfen, zeigen den Mittelfinger. Der Mensch ist eben doch des Menschen Wolf.

Und dann – ja dann sind da ja noch die Radfahrer. Nein, wir wollen nicht alle in einen Topf werfen, und wer selbst leidenschaftlich Rennrad fährt – freilich draußen im Grünen und weitgehend stressfrei – und dazu noch aus der Radfahrerhauptstadt Münster stammt, mag eher geneigt sein, Milde walten lassen. Doch so geht’s wirklich nicht! Viele Radler glauben inzwischen, Könige der Straße zu sein. Sie schaffen sich nach Rambo-Manier ihre eigenen Regeln, in denen Ampeln und Stopp-Schilder gar nicht mehr vorkommen. Warum auch, mag sich ein jeder fragen – die anderen machen’s doch genauso. Noch eben bei Rot quer über die Kreuzung – gefühlt tut das inzwischen die Mehrheit. Und wer sich als Autofahrer erdreistet zu hupen, kriegt ebenfalls den Stinkefinger zu sehen. „Anarchist“ ist für diese Zeitgenossen noch geschmeichelt.

Der Senat nimmt den täglichen Kleinkrieg billigend in Kauf

Aber auch jene, die sich korrekt verhalten, werden zum Hindernis. Sie benutzen die Fahrbahn, obwohl es Radwege gibt. Man kann sie nicht überholen, ohne sie zu gefährden. Und wenn bei zwei Fahrspuren der Verkehr mal fließen könnte, drängeln sich aus Rücksicht auf die Radler wieder die Autos auf der linken Spur.

Womöglich ist aber auch dies vom Senat so gewollt. Erst ruft er Hamburg zur „Fahrradstadt“ aus – und dann schickt er jene, die dem Credo folgen, auf die Straße. Denn die Radwege, zumal jene im Zentrum, sind wirklich einer Fahrradstadt nicht würdig. So schürt die Politik den täglichen Kleinkrieg auf den Straßen – oder nimmt ihn zumindest billigend in Kauf. Und da soll man nicht hupen?

Lesen Sie hier die Sichtweisen von Fußgängern und Fahrradfahrern.