Rücksichtslose Autofahrer, ignorante Fußgänger, wild gewordene Rad-Rambos – je nach Blickwinkel ist der Schuldige schnell gefunden.

Der Fahrradfahrer

Manche Zeitgenossen halten Fahrradfahrer ja für eine cholerische Mischung aus Anarchisten und Terroristen, die wie wildgewordene Terrier durch den Großstadtdschungel jagen, Fußgänger von den Wegen vertreiben und Autofahrer verschrecken. Das mag im Zweifelsfall sogar stimmen. Aber wie mutiert selbst der gutmütigste Familienvater im Sattel zum Rächer, Radikalinski, Radlerrambo? Er tut es nicht freiwillig – er wird dazu gezwungen.

Zunächst einmal sind Fahrradfahrer zwar fester Bestandteil jeder politischen Sonntagsrede, aber leider nicht der aktuellen Verkehrsplanung. Er wird bestenfalls ignoriert, meist aber gemobbt: Er darf sich an Bettelampeln die Beine in den Bauch stehen und mitunter drei (!) Ampelphasen abwarten, bevor auch er die Straße überqueren darf. Er wird auf Fahrradwege gezwungen, deren Benutzung selbst Crossfahrern zu gefährlich wäre – sie sind schmal wie ein Küchentuch, zugewuchert wie Ökogärten oder buckelig wie ein Geröllfeld in den Alpen.

Darf er gnädigerweise die Straße benutzen, wird er von Bussen und Taxifahrern gejagt, mit dem Stoßgebet auf den Lippen, lebend ans Ziel zu kommen. Und wird, wie derzeit an jeder Ecke der Stadt, eine Baustelle aufgemacht – muss der Radler sehen, wo er bleibt. Er ist schlichtweg nicht vorgesehen.

Radwege sind Tummelplätze telefonierender Fußgänger

Hamburgs Fahrradpolitik verwandelt selbst Kriegsdienstverweigerer in Militaristen, sie sorgt für ein permanentes adrenalingesättigtes Grundrauschen im Straßenverkehr. Und damit nicht genug: Überall treiben sich auf den spärlichen Wegen Massen herum, die dort nicht hingehören. Fußgänger zum Beispiel: Geschätzte 80 Prozent der Zweibeiner laufen grundsätzlich auf dem Fahrradstreifen. Und von denen torkeln und irren noch einmal 60 Prozent wie Volltrunkene von links nach rechts. Sie konzentrieren sich voll und ganz auf ihr Telefonat mit Oma, Tante, Freundin, Feind und halten Aufmerksamkeit im Verkehr für vorgestrig, schließlich gehört die ganze Aufmerksamkeit dem Mobiltelefon. Ruft ausnahmsweise mal keiner an, kann man immer noch Mails checken, E-Mails beantworten oder Lappalien in die Welt twittern. Hauptsache, das geschieht auf dem Fahrradweg.

Meist gilt: Je größer das Auto, desto rücksichtsloser der Fahrer

Die allerdings sind meistens zugeparkt. Warum eine Parklücke suchen, wenn es Radwege gibt? Je schwerer das Auto, desto selbstbewusster das Verhalten seines Führers im Straßenverkehr. PS-Ritter haben drei Grundsätze: Hier stehe ich, ich kann ich nicht anders. Hier bieg’ ich ab, ich muss nicht blinken. Hier fahre ich, da bleibt kein Platz für Radler. Dafür nehmen viele Autofahrer ihren Erziehungsauftrag extrem ernst: Permanent wird gehupt, gebremst, geschimpft, gepoltert, gedroht. Und da soll man ruhig bleiben?

Lesen Sie hier die Sichtweisen von Autofahrern und Fußgängern.