Hamburg. Deutschland-Chef Peter Vullinghs will die Hansestadt zum wichtigen Forschungsstandort des Konzerns ausbauen.
Zum ersten Mal spricht Peter Vullinghs, 44, in den Medien über seine Pläne für Philips. Der Holländer, ein eloquenter Manager, der sich als „Menschenfreund“ bezeichnet und gerade einen Deutsch-Crash-Kurs besucht hat, ist neuer Chef von Philips Deutschland, Österreich und der Schweiz mit Sitz in Hamburg. Er löst seine Vorgängerin Carla Kriwet in turbulenten Zeiten ab: Die Firma, die mit Glühbirnen groß geworden ist, führt im kommenden Jahr die Lichtsparte in die Eigenständigkeit, hat bereits das Fernsehgeschäft verkauft, ebenso ihre Aktivitäten im Audiobereich mit Kopfhörern und HiFi-Anlagen. Im Abendblatt-Interview lesen Sie, was dieser radikale Umbau des Konzerns zum Gesundheitsspezialisten bedeutet – auch für den Standort Hamburg, wo Philips bald eine neue Zentrale bezieht.
Hamburger Abendblatt: Herr Vullinghs, Sie haben über Jahre für Philips in Fernost und Russland gearbeitet. Jetzt sind Sie gerade in ein Apartment auf der Uhlenhorst gezogen und leben sich in Hamburg ein. Ihr erster Eindruck?
Peter Vullinghs: Die Holländer haben im Grunde ein sehr gutes Bild von Deutschland, mal abgesehen vom Fußball (lacht). Meine positive Erwartung bestätigt sich gerade: Ich dachte, der Umgang sei hier sehr formell und hatte schon Bedenken, aber ich erlebe die Hamburger einfach als sehr höflich und angenehm. Schön ist auch, dass die Stadt so grün ist, und ich genieße das Joggen an der Alster.
Sie sind neuer Chef von Philips in Deutschland mit 5000 Mitarbeitern, davon etwa 3400 in Hamburg. Mit dem Verkauf diverser Firmenteile und der Abspaltung der Lichtsparte, die vor gut 100 Jahren den Grundstein für die Firma gelegt hatte, kommen große Herausforderungen in der Führung auf Sie zu. Wie werden Sie die Veränderungen managen?
Vullinghs: Ich bin ein Menschenfreund, die Mitarbeiter sind mir sehr wichtig. Die Person an der Spitze kann allein nichts erreichen. Es kommt vielmehr darauf an, alle mit auf die Reise zu nehmen. Daher werde ich die neue Strategie sehr offen und transparent kommunizieren, auch im Dialog mit dem Betriebsrat, der mir sehr wichtig ist.
Nachdem Philips vor kurzer Zeit noch etwa Leuchtdioden als zukunftsträchtiges Geschäft gepriesen hatte, soll der Bereich, der unter hohem Konkurrenzdruck leidet, nun abgespalten werden. Wie sieht die Zukunft für den Bereich und die Mitarbeiter aus, immerhin bauen Sie am Standort Aachen in der Beleuchtungsproduktion Dutzende Stellen ab?
Vullinghs: Ich arbeite seit 18 Jahren bei Philips und emotional ist die Auftrennung des Unternehmens erst einmal ein Einschnitt. Rational betrachtet ist die Entscheidung aber richtig. Außerdem: Der Bereich wird ja fortbestehen – er wird nur eigenständig und kann damit flexibler auf die sich verändernden Märkte reagieren.
Inwiefern?
Vullinghs: Wir bauen für die Lichtsparte eine eigenständige Gesellschaft auf. Die Produkte dieses Unternehmens werden weiterhin den Namen Philips tragen und natürlich auf unserem Know-how aufbauen.
Aber der Bereich OLED, etwa mit Lichtkacheln für Lichtinstallationen, wurde bereits an eine US-Firma verkauft. Und der Löwenanteil der Lumileds, mit Leuchtmitteln für Autoscheinwerfer, an einen chinesischen Investor.
Vullinghs: Wir haben uns von unserem Geschäft mit Basiskomponenten getrennt, das ist richtig. Im Beleuchtungsbereich wird Philips sich noch mehr auf vernetzte und digitale Lösungen fokussieren. Wir müssen auch nicht einzelne Bauteile selbst produzieren, um erfolgreich zu sein. Ab dem kommenden Jahr werden wir also zwei eigenständige Philips-Unternehmen haben. Eins konzentriert sich auf das Beleuchtungssegment, das andere auf die Gesundheit.
Bei den Fernsehern ist Philips den Weg gegangen, die Marke zu verkaufen. Jetzt bekommen die Kunden TV-Geräte mit Philips-Logo aus asiatischer Produktion. Ein Vorbild für die Beleuchtungen?
Vullinghs: Als globales Unternehmen hat Philips bereits vor dem TV-Verkauf global produziert – in Europa, Amerika und auch Asien. Nach wie vor wird auch in Europa entwickelt. Wichtig ist, dass die Qualität stimmt, die Kunden mit dem Namen Philips verbinden. Das haben wir auch in unseren Lizenzbedingungen sichergestellt.
Philips baut an der Röntgenstraße eine neue Zentrale für die DACH-Region. Werden auch die Mitarbeiter der Lichtsparte umziehen nach Fuhlsbüttel?
Vullinghs: Ja, das wird so sein. Wir bekennen uns zu Hamburg, der Mietvertrag für unsere neue Verwaltung läuft über 15 Jahre. Ich möchte den Standort Hamburg sogar stärken. Alle gut 1100 Beschäftigten, die bisher hier am Lübeckertordamm gearbeitet haben, werden umziehen in die neue Zentrale. Dort werden wir die Bereiche räumlich trennen, die Lichtsparte bekommt zum Beispiel eigene Etagen.
Wie wird die Organisation aussehen?
Vullinghs: Vertrieb und Marketing, die bisher schon getrennt sind, aber auch die Verwaltung wie Recht oder Personal werden doppelt aufgebaut.
Wenn die einzelnen Sparten für beide Gesellschaften geschaffen werden, entstehen möglicherweise auch neue Jobs in der Hansestadt?
Vullinghs: Ein Aufbau von Arbeitsplätzen ist nicht ausgeschlossen. Aber vor allem möchte ich in Hamburg die Innovationen voranbringen. Die Stadt ist schließlich die Keimzelle für unser Medizintechnikgeschäft. In Fuhlsbüttel wird seit den 1920er Jahren Röntgentechnik gebaut. Die Region Deutschland/Österreich/Schweiz (DACH), deren Hauptquartier in Hamburg ist, ist nach den Niederlanden der wichtigste Forschungsstandort des Konzerns. Diese Kompetenz wollen wir nutzen – und ausbauen.
Inwiefern?
Vullinghs: Die Zentrale neben der Medizintechnik-Produktion soll als Campus auch Start-Ups aus der Branche anziehen. Wir wollen uns in der Gesundheitsbranche neu aufstellen. Und dafür brauchen wir kontinuierlich Ideen, auch und besonders aus Hamburg.
Schon im Jahr 2012 hat der Konzern seine Fernsehsparte, im April 2014 den Rest seiner Unterhaltungselektronik, also zum Beispiel Stereoanlagen, verkauft. Wie werden Sie in Zukunft Ihr Geld verdienen? Nur noch mit Röntgen- und Ultraschallgeräten?
Vullinghs: Wir haben eine einmalige Position im Gesundheitssegment, denn wir decken die gesamte Versorgungskette ab. Von Produkten für einen gesunden Lebensstil, Ernährung, Prävention, Diagnose, Behandlung, bis hin zur ambulanten Pflege und telemedizinischen Lösungen. Wir haben jahrzehntelange Erfahrung im Konsumentenmarkt und in der Zusammenarbeit mit professionellen Kunden wie Ärzten.
Wie wollen Sie den Markt weiter erobern und ihr Geschäft ausbauen? Immerhin konkurrieren Sie mit starken Unternehmen wie Siemens oder General Electric, außerdem drängen asiatische Schwergewichte wie Samsung in den Markt...
Vullinghs: Unsere Position im Gesundheitssegment ist wie gesagt einmalig. Und wir sind gut aufgestellt, um weitere Marktsegmente zu entwickeln. Gleichzeitig arbeiten wir daran, dass Philips als Gesundheitsmarke ins breite Bewusstsein dringt.
Der Philips-Vorstandschef Frans van Houten hat kürzlich von den elektrischen Zahnbürsten aus ihrem Haus geschwärmt, und es wird bereits darüber spekuliert, dass Zahnbürsten von Philips künftig Gesundheitsdaten aus dem Speichel herauslesen können...
Vullinghs: Ja, das ist zum Beispiel in der Schwangerschaft sehr nützlich. Grundsätzlich forcieren wir die Vernetzung der Patienten mit dem Arzt. Wer zu Hause Daten über seine sportlichen Aktivitäten, über seine Ernährung und den Gesundheitszustand sammelt, kann dadurch Zeit und Geld sparen.
Wie soll das funktionieren?
Vullinghs: Die Leute werden gesundheitsbewusster. Wenn ich Daten über meine Fitness, den Puls und den Blutdruck an den Arzt senden kann, die ich zu Hause gesammelt habe, ist beiden Seiten geholfen. Der Patient lebt bewusster und der Arzt kann auf manche aufwendige Eingangsuntersuchung verzichten. Ein entsprechendes Pilotprojekt verfolgen wir in Hamburg in Kooperation mit der Asklepios-Klinik und der Allianz. Schließlich leiden unsere Gesellschaften an hohen Kosten für das Gesundheitssystem. Und das Problem wird sich durch den demographischen Wandel noch verschärfen.
Sie müssen den Kliniken günstigere Röntgengeräte anbieten – oder wie sieht hier die Zukunft aus?
Vullinghs: Das kann auch über die Finanzierung laufen. Die Krankenhäuser können beispielsweise Ultraschallgeräte von uns bekommen und zahlen einen Betrag pro angefertigter Aufnahme. Das reduziert die Kapitalbindung der Klinik. Und wenn mal weniger Patienten kommen, sinken auch die Kosten.
Wie verankern Sie das Bild der neuen Philips in der Öffentlichkeit?
Vullinghs: Um Philips als Gesundheitsmarke bekannter zu machen, haben wir gerade eine Werbekampagne gestartet.
Wie sieht diese aus?
Vullinghs: Wir kombinieren Innovation mit Emotion, zeigen, dass wir viel Forschung betreiben, um Menschen beim gesunden Leben zu unterstützen. Für die vor einigen Tagen in Hamburg gestartete Kampagne, die im Juni in Berlin fortgesetzt wird, geben wir zum Start eine halbe Million Euro aus.
Im Herbst ziehen Sie nach Fuhlsbüttel. Was wünschen Sie sich über einen reibungslosen Ablauf des Umzugs hinaus?
Vullinghs: Ich wünsche mir Erfolg im deutschen Markt und habe hier eine hohe Erwartung: In Russland, wo ich bisher für das Philips-Geschäft zuständig war, konnte ich jedes Jahr ein Umsatzplus von 25 Prozent ins Hauptquartier nach Amsterdam melden. Jetzt steht meine Arbeit noch mehr im Fokus. Deutschland ist nach den USA und China der wichtigste Markt für Philips.