Hamburg . Der Konzern will 1000 Stellen streichen. Hamburger Beschäftigte verunsichert. Betriebsrat fordert Umdenken der Chefetage.

Unter den 3500 Vattenfall-Mitarbeitern in der Hansestadt herrscht Sorge und Ratlosigkeit. Kürzlich hatte der Stromversorger mitgeteilt, dass er die Zahl seiner Stellen um 1000 reduzieren wolle. Neben der Zentrale in Schweden sollen auch die Niederlassungen in den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland betroffen sein. Die Mitarbeiter kennen bislang nur die Anzahl der zu streichenden Arbeitsplätze. Ob sie selbst betroffen sind, wissen sie nicht. „Natürlich habe ich ein mulmiges Gefühl“, sagt einer, der seit 14 Jahren bei dem Energiekonzern in Hamburg arbeitet. Frühestens Mitte Mai will Vattenfall in die Detailplanung gehen.

„Der Abbau von Arbeitsplätzen ist der falsche Weg“, sagt Vattenfall-Betriebsratschef Rainer Kruppa. Er fordert, in den kommenden Verhandlungen auch Alternativen zu prüfen. In jedem Falle müsse ein Personalabbau aber sozialverträglich durch Abfindungen und Vorruhestandsregelungen stattfinden. „Betriebsbedingte Kündigungen sind dabei tarifvertraglich ausgeschlossen“, so Kruppa.

„Einige Geschäftseinheiten müssen größenmäßig angepasst werden. Wir werden Abfindungspakete auflegen. So soll der Anpassungsprozess sozialverträglich gestaltet werden“, hatte der neue Vattenfall-Chef Magnus Hall jüngst gesagt. Alle Optionen würden geprüft. „Wir sind bestrebt, diesen Prozess bis zum 1. Oktober abzuschließen“, so Hall. Im kommenden Jahr werden dann die betroffenen Mitarbeiter gehen müssen.

Doch die Nachricht aus Schweden ist nicht das einzige, was die Mitarbeiter in Hamburg beunruhigt. Vattenfall betreibt in der Stadt einen Kundenservice mit rund 200 Beschäftigten. Bislang erhalten diese ihr Gehalt von Vattenfall. Doch nun gibt es offenbar Pläne, den Servicebereich und die Mitarbeiter auszugliedern oder auch hier das Personal zu reduzieren. Die Zahl der bislang rund 18.000 Beschäftigten von Vattenfall in Deutschland wird sich also verringern.

In Hamburg macht Kruppa ein weiteres Problem aus. „Mit dem erfolgreichen Volksentscheid zum Stromnetz hat der Senat die Rosinen von Vattenfall herausgepickt“, sagt er. Das Stromnetz mit 1200 Mitarbeitern gehört nun der Stadt, die sich vermutlich in einigen Jahren auch das Fernwärmenetz mit 500 Beschäftigten einverleiben wird. Damit werde das mehr als 100 Jahre alte, stolze einstige Unternehmen HEW zum Stromhändler degradiert. Neben dem Netz sind etwa die Serviceleistungen für die Steuerung der Ampeln und das Ablesen der Stromzähler an die Stadt gegangen. Kruppa appellierte an den Senat: „Die Stadt Hamburg hat auch eine Verantwortung für den Rest der alten HEW, deren Mehrheitseigentümer sie schließlich bis zur Privatisierung 2001 war. Das haben wir auch schon im Rahmen des Volksentscheids immer wieder eingefordert.“

In Berlin hingegen setzten sich die Gegner von Vattenfall bei einem Volksentscheid zum Verkauf des Stromnetzes nicht durch. Vattenfall machen wie auch E.on und RWE die gefallenen Großhandelspreise auf dem Strommarkt zu schaffen. Diese sind wegen des Ausbaus von Ökostrom und der Überkapazitäten an Kraftwerken auf den tiefsten Stand seit Jahren gesunken. „Wir wollen die Energiewende mitgestalten“ sagt Kruppa und mahnt von der Politik ein Konzept zur Zukunft der Energieversorgung aus einem Guss an. „Unser Geschäft wird durch die politische Einflussnahme unwirtschaftlich.“

Eines scheint klar. Laut Vattenfall-Finanzchefin Ingrid Bonde gibt es aktuell keine Anzeichen dafür, dass die Energiepreise weiter steigen. Für die Konsumenten ist dies eine gute Nachricht, für den Konzern bedeutet es aber immer weniger Einnahmen. Allein im ersten Quartal 2015 fiel der operative bereinigte Gewinn um 15 Prozent auf 822 Millionen Euro. „Wir wissen, dass die Preise frühestens in vier oder fünf Jahren wieder steigen werden,“ sagt Bonde.

Der schwedische Konzern will nun die deutschen Braunkohlekraftwerke verkaufen, obwohl sie bislang die größten Gewinnbringer im Unternehmen sind. Doch auch das wird sich vermutlich schwierig gestalten. Denn in Zeiten der Energiewende wird es nicht einfach sein, Käufer für die laut Kruppa zu Unrecht stark kritisierten Braunkohlekraftwerke zu finden.

Die Hamburger Mitarbeiter lassen ihren Sorgen freien Lauf. „Wir waren bei dem Verkauf der HEW an Vattenfall alle froh darüber, dass ein schwedischer Staatskonzern (das klang nach Sicherheit) den Zuschlag erhalten hatte“, so ein Beschäftigter. „Die Schweden peilen als Aktieninhaber eine Mindestrendite von neun Prozent an, und es ist ihnen völlig egal, wie“, sagt einer.

Hoffnung machen laut Kruppa die Pläne Vattenfalls, sich noch stärker in erneuerbare Energien zu engagieren. Erst kürzlich wurde in der Nordsee der Windpark Dan Tysk eröffnet. Wie viele Menschen hier zukünftig einen Arbeitsplätze finden, und ob das auch eine Alternative für die jetzigen Mitarbeiter von Vattenfall in Hamburg ist, muss sich allerdings noch zeigen.

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