Ein Wetter-Experte erklärt, wo die Tropengewitter herkamen. Ersatzverkehr auf der Linie U1 wegen umgestürzter Bäume. Ampelausfall.

Hamburg. Starkregen, drei Zentimeter dicke Hagelkörner, umherfliegende Gegenstände und überflutete Straßen: Hamburg wurde am Dienstagnachmittag von mehreren Tropengewittern erschüttert. Dabei kam ein Mann ums Leben, wie die Polizei bestätigte. An der Großen Elbstraße am Altonaer Fischmarkt verschüttete ein vom Wind weggewehtes Vordach ein darunter stehendes Auto mit einem Paar.

Der 26-Jährige konnte nur noch tot von den Rettungskräften geborgen werden. Seine ein Jahr jüngere schwangere Lebensgefährtin, die ebenfalls im Fahrzeug saß, wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert. In einer Notoperation brachten Ärzte das Kind auf die Welt. Die 25-jährige Mutter sei außer Lebensgefahr, sagte ein Sprecher des polizeilichen Lagedienstes.

Am Burchardkai Im Containerhafen haben sich während der starken Unwetter fünf Containerschiffe vom Kai losgerissen. Sie trieben aufeinander zu und berührten sich, sagte der Polizeisprecher. Dabei sei Schaden in unbekannter Höhe entstanden. Schlepper mussten die Schiffe zurück an die Kaianlagen bugsieren.

Sturmböen mit Geschwindigkeiten bis zu 100 Stundenkilometern und Starkregen ließen in der Hansestadt Bäume und Äste auf Straßen und Autos stürzen, wie ein Feuerwehrsprecher sagte. Dabei seien drei weitere Menschen in ihren Wagen eingeklemmt worden. Besonders im Nordosten Hamburgs behinderten Böen und heftiger Regen den Verkehr.

„Ich bin weggeweht worden und habe mich gemeinsam mit einigen anderen Fußgängern mit letzter Kraft ins Rathaus gerettet. Wir hatten große Probleme, gegen den Wind anzukämpfen“, berichtete ein Augenzeuge dem Abendblatt.

Auch Tornados waren denkbar

Schuld an dem wohl heftigsten Unwetter der letzten Jahre war das Tief „Zoran“ über der Nordsee. „Das bringt uns gleich zwei Tiefausläufer“, sagt Alexander Hübener vom Institut für Wetter und Klimakommunikation. Erst eine Warmfront mit feuchten Luftmassen und Temperaturen von bis zu 23 Grad, die aus dem Mittelmeerraum kommen und ihren Ursprung in der Sahara haben. Am Nachmittag zog eine Kaltfront vom Westen über Hamburg und brachte im Übergang Schauer und heftige Gewitter in den Norden Deutschlands.

„Es war eine Mischung aus subtropischer Warmluft und einer Kaltfront, die die warme Luft ausräumt. Die energiereiche Luftmasse erklärt die Gewitter, die über Hamburg zogen“, erklärte Wetter-Experte Hübener. Es komme zudem zu einem starken Temperaturrückgang.

Sogar Tornados waren kurzzeitig nicht ausgeschlossen: „Bei diesen starken Gewittern war das Potenzial für Tornados vorhanden“, sagte Hübener dem Abendblatt. Vorhersehbar seien solche Wirbelstürme allerdings nicht.

Der höchste Niederschlagswert wurde mit 28 Litern pro Quadratmeter in Hammoor in Stormarn gemessen. Das entspricht in etwa einem Drittel des normalen Monatsniederschlags im Mai. In Hamburg-Horn wurden 18,1 Liter pro Quadratmeter gemessen, in Fuhlsbüttel waren es 13,7.

Wegen des Unwetters war nur ein eingeschränkter Betrieb der Buslinien in Hamburg möglich. Eine Haltestelle in Wandsbek wurde unterspült und konnte zwischenzeitlich nicht angefahren werden.

Aufgrund umgestürzter Bäume wurde auf der Linie U1 zwischen Berne und Ohlstedt in beiden Richtungen ein Ersatzverkehr mit Bussen, die allerdings im Stau stehen, für mehrere Stunden eingerichtet. Zwischen Volksdorf und Ohlstedt konnte der Betrieb inzwischen wieder aufgenommen werden. Da die Stromschienen sehr stark beschädigt wurden, bleibt der Ersatzverkehr auf dem Abschnitt Volksdorf bis Großhansdorf voraussichtlich bis Mittwoch bestehen, teilte die Hochbahn mit. Wann die Züge der Hochbahn zwischen Berne und Volksdorf wieder in Betrieb genommen werden können, ist noch unklar.

Wegen eines weiteren umgestürzten Baumes in Hasselbrook kam es auf der Linie S1 zwischen Landwehr und Barmbek zu Verspätungen von bis zu 40 Minuten. Inzwischen sei die S1 aber wieder durchgehend in Betrieb, teilte der HVV via Twitter mit. Ein langfristiger Ausfall der Ampel an der Kreuzung Amsinckstraße/Heidenkampsweg verschärfte das Verkehrschaos in Hamburg.

Die Zugstrecke zwischen Hamburg und Lübeck war vorübergehend in beide Richtungen gesperrt - ein Baum war auf die Bahngleise gefallen. Die Fahrgäste wurden mit Bussen weitertransportiert. Ein ICE musste auf dem Weg zwischen Hamburg und Dortmund auf Gütergleise umgeleitet werden, weil ein Baum auf eine Oberleitung gekippt war.

Bei der Feuerwehr, die wegen überfluteter Keller und umgestürzter Bäume insgesamt mehr als 500-mal ausrücken musste, wurde aufgrund der Unwetter der Ausnahmezustand ausgerufen. Wegen einer Netzüberlastung erreichte der Pressesprecher der Feuerwehr Hamburg für mehr als eine Stunde seinen Lagedienst nicht mehr. So etwas hat er seit 23 Jahren nicht erlebt.

Das letzte derart heftige Unwetter in Hamburg war 2006. Damals kam es sogar zu einem Tornado mit bis zu 251 km/h. Die Bilanz: zwei Tote, zwei Verletzte, 300.000 Hamburger ohne Strom, Chaos im Fern- und Nahverkehr der Bahn und Sachschäden in Millionenhöhe.