Hamburg. Aber Hamburger müssen wegen teurer Immobilien höhere Kredite aufnehmen. ING-DiBa startet Offensive im Norden.

Vom 23. Stock des Panoramadecks im Emporio blickt Isold Heemstra auf Hamburg. Das ist die richtige Perspektive für den Vertriebschef für Baufinanzierung der ING DiBa, denn mit einer neuen Strategie und Rabatten auf die Zinskonditionen für ausgewählte Regionen will er das Baufinanzierungsgeschäft der größten deutschen Direktbank ankurbeln. So will Heemstra allein den Marktanteil in Hamburg um fast die Hälfte steigern. Die Offensive richtet sich klar gegen den Marktführer Hamburger Sparkasse (Haspa) und andere regionale Institute wie die PSD Bank Nord.

Mehr Wettbewerb wird die Konditionen noch stärker unter Druck setzen als sie es durch die Zinsentwicklung ohnehin sind. Für eine zehnjährige Baufinanzierung gibt es inzwischen die ersten Angebote mit Zinsen von weniger als einem Prozent. Nie war die Immobilienfinanzierung günstiger als jetzt. Zwar liegt der durchschnittliche Zins für eine zehnjährige Baufinanzierung noch bei 1,23 Prozent. „Aber wer viel Eigenkapital mitbringt und den Kredit in zehn Jahren auch komplett tilgt, kann schon mit Zinsen von weniger als ein Prozent rechnen“, sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung. So wirbt die Haspa mit einem Zins von 0,99 Prozent, wenn der Kredit innerhalb von zehn Jahren komplett zurück gezahlt wird. Die Degussa Bank macht dieses Angebot schon für einen Zins von 0,90 Prozent.

Für die meisten Bauherren kommen solche Konditionen noch nicht in Frage. Doch die Richtung ist klar: Seit Jahren wird Baugeld immer günstiger. Wer sich jetzt 250.000 Euro mit einer Zinsbindungsfrist von zehn Jahren leiht, spart im Vergleich zu 2011 rund 7500 Euro an Zinsen pro Jahr. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat auch die Renditen für Pfandbriefe, an denen sich die Konditionen für Baugeld bemessen, kräftig sinken lassen. Doch in den letzten Tagen gab es leicht steigende Zinsen. „Das ist aber noch keine Zinswende, die Konditionen sind nach wie vor supergünstig“, sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung.

2011 kostete eine zehnjährige Baufinanzierung noch mehr als vier Prozent. Inzwischen können sich Bauherren für monatliche Kosten von rund 700 Euro 250.000 Euro leihen (zehnjährige Zinsbindung, zwei Prozent Tilgung). Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn für die Hamburger ist der Kauf einer Immobilie heute um 34 Prozent teurer als noch vor drei Jahren. Im Schnitt geben sie dafür 335.000 Euro aus, wie Berechnungen des Vergleichsportals Baufi24 für das Abendblatt zeigen. Die Darlehenssumme der Hamburger lag im März 2015 bei 295.000 Euro. Das sind 28 Prozent mehr als sie 2012 an Kredit aufgenommen haben. Doch der Vorteil der niedrigen Zinsen wird von den gestiegenen Immobilienpreisen nicht aufgezehrt.

Die hohen Immobilienpreise bremsen das Interesse der Kreditnehmer nicht, aber der Markt für Baufinanzierungen wird sich verändern, nicht zuletzt wegen dem Filialsterben bei den Banken. 80 Prozent der Baufinanzierungen kommen bei der ING DiBa über freie Vermittler, nur 20 Prozent über eigene Mitarbeiter oder direkt über das Call-Center der Direktbank. Die ING DiBa will das Geschäft mit den Vermittlern ausbauen und dafür in den Regionen eigene Manager etablieren, davon allein drei in Norddeutschland. „Hamburg wird mit Sicherheit ein wichtiger Standort“, sagt Heemstra. Die bisher neun Regionen sollen auf 25 erweitert werden.

So will sich die Direktbank mehr Kompetenz in den lokalen Märkten verschaffen. „Anders als bei der Geldanlage mit Sparprodukten kommt es bei der Immobilienfinanzierung auf lokale Besonderheiten an“, sagt Heemstra. In den Baugeldvermittlern sieht er eine wichtige Rolle. „Sie haben die Verbindung zu den Menschen in ihrer Region, die ein Baudarlehen benötigen.“ Bisher arbeitet die ING DiBa mit 5000 Vermittlern, die zum Beispiel Versicherungsvertreter sind, zusammen. Der Gesetzgeber sieht ab März 2016 neue, strengere gesetzliche Regelungen für diese Baugeldvermittler vor. Sie müssen Sachkunde und ganzheitliche Beratung des Kunden nachweisen, sich in ein Vermittlerregister eintragen lassen und ihre Provisionen offenlegen.

Gleichzeitig agiert die ING Diba seit Montag bei den Konditionen aggressiver. „Für 102 Landkreise wird es auf den bundesweit einheitlichen Zinssatz der Bank einen Abschlag von bis zu 0,20 Prozentpunkten geben“, sagt Heemstra. Aber Hamburg und das Umland gehören, anders als etwa Lübeck und Oldenburg, noch nicht dazu. In Hamburg sieht sich die Bank mit ihren Standardkondition im Wettbewerb gut aufgestellt.

Derweil bauen die örtlichen Anbieter ihre Position aus. PSD Bank Nord und Sparda Bank Hamburg versprechen eine Kreditzusage 48 Stunden nachdem alle Unterlagen vorliegen. Die PSD Bank Nord will noch in diesem Jahr mit neuen Baufinanzierungsprodukten auf den Markt kommen und baut gerade ihre Filiale in Wandsbek zu einem Baufinanzierungscenter aus. „Die Nachfrage nach privaten Baufinanzierungen zog in der zweiten Jahreshälfte deutlich an und hat sich in diesem Jahr fortgesetzt“, sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg.

Wegen der niedrigen Zinsen ist Beratung wichtig. Die Gefahr ist die hohe Restschuld am Ende der Zinsbindungsfrist, wenn nicht eine höhere Tilgung gewählt wird. „Wenn die Zinsen dann steigen, kann sich die monatliche Belastung um 50 Prozent erhöhen“, sagt Baufi24-Chef Stephan Scharfenorth. Deshalb hält es Christian Schmid-Burgk von der Verbraucherzentrale Hamburg für gefährlich, jetzt nur auf die zehnjährige Zinsbindung zu blicken. „Bei den niedrigen Zinsen sind auch Laufzeiten von 15 oder 20 Jahren interessant, da das mehr Sicherheit gibt“, sagt der Verbraucherschützer. Bei beiden Laufzeiten liegen die Zinsen deutlich unter zwei Prozent.