Frankfurt/Hamburg. Beteiligung soll deutlich sinken. Altlasten lassen Gewinn schrumpfen. Ver.di in Hamburg schließt weitere Streiks nicht aus.
Im verflixten siebten Jahr wird die Trennung eingeläutet: Die Deutsche Bank will ihre Tochter Postbank künftig nicht mehr kontrollieren und ihren Anteil schrittweise von 94,1 Prozent auf bis zu null verringern. Dies beschloss der Aufsichtsrat des größten deutschen Geldinstituts in der Nacht zu Sonnabend. Der Schritt ist Teil einer Schrumpfkur, den Deutschlands größtes Geldhaus einleiten möchte. Die Postbank könnte somit im nächsten Jahr wieder eigenständig an die Börse kommen. Auch die Investmentbank der Deutschen Bank dürfte laut Insidern abspecken, etwa um das Geschäft mit Hedgefonds. Außerdem ist offenbar der Rückzug aus einigen Ländern geplant. Details ihrer neuen Strategie will die Deutsche Bank am heutigen Montag präsentieren.
Unklar ist, wie viele Stellen im Zuge des Umbaus wegfallen. Die Beschäftigten der Deutschen Postbank hatten mit einem dreitägigen Streik in Hamburg in der vergangenen Woche für eine Verlängerung ihres Kündigungsschutzes bis 2020 protestiert. 29 von 36 Postbank-Filialen in der Hansestadt blieben ganztägig geschlossen. „Die Unsicherheit bleibt auch nach der Entscheidung der Deutschen Bank sehr groß“, sagte die Landesfachbereichsleiterin für Finanzdienstleistungen, Ira Gloe-Semler. „Unser vorrangiges Ziel bleibt es, die Jobs der Mitarbeiter zu sichern und dafür beschäftigungssichernde Maßnahmen zu vereinbaren“, sagte Gloe-Semler dem Abendblatt. Auch weitere Streiks schloss die Ver.di-Gewerkschafterin in Hamburg und bundesweit nicht aus.
Vor ihrem radikalen Kurswechsel haben unterdessen die Altlasten der Deutschen Bank erneut die Bilanz verdorben. Im ersten Quartal schrumpfte der Konzernüberschuss um 49 Prozent auf 559 Millionen Euro, wie das Institut am Sonntag in Frankfurt mitteilte. Der auf die Aktionäre entfallende Überschuss halbierte sich ebenfalls, und zwar auf 544 Millionen Euro. Die Bank hatte in der vergangenen Woche bereits angekündigt, weitere 1,5 Milliarden Euro für juristische Niederlagen zurückzulegen. Damit machten die Altlasten wieder einmal den Aufschwung im Tagesgeschäft zunichte.
Die Banken BNP Paribas und Santander zählen zu den möglichen Interessenten
Noch vor einem Jahr war der Optimismus der Konzernmutter Deutsche Bank groß: Ein „Powerhouse“ sollte das um 14 Millionen Postbank-Kunden erweiterte Privat- und Firmenkundengeschäft werden. Zinsflaute, Regulierungswelle und hausgemachte Probleme zwingen Deutschlands größtes Geldhaus nun aber zum Umsteuern. Knapp drei Jahre nach ihrem Amtsantritt macht die Doppelvorstandsspitze Anshu Jain/Jürgen Fitschen eine wichtige Weichenstellung aus der Ära ihres Vorgängers Josef Ackermann wieder rückgängig. Vor der radikaleren Variante – der Abspaltung des kompletten Privatkundengeschäfts – scheute das Management jedoch zurück, obwohl viele Großaktionäre dies bevorzugt hätten. Letztlich dürfte sich aber die Einsicht durchgesetzt haben, dass eine reine Investmentbank riskanter wäre: Dem Konzern würde ohne Einlagen der Privatkunden eine stabile Säule für die Finanzierung fehlen. Und eine Deutsche Bank, die sich ganz aus dem Geschäft mit kleinen Sparern zurückzieht, wäre auch in der deutschen Öffentlichkeit wohl nicht gut angekommen.
Indem sie die Postbank häppchenweise abgibt, hält sich die Deutsche Bank zudem alle Optionen offen. Potenzielle Interessenten gibt es: Die französische BNP Paribas hat Deutschland zu einem ihrer wichtigsten Wachstumsmärkte erklärt. Auch die spanische Santander kommt infrage, denn ihr hatte die Deutsche Bank einst die Postbank vor der Nase weggeschnappt. Spekuliert wird immer wieder auch über den Einstieg der Chinesen in den umkämpften deutschen Bankenmarkt.
Lange war das Privatkundengeschäft für Großbanken – einschließlich der Deutschen Bank – ein Stiefkind. Kleine Summen und geringe Gewinnspannen schienen uninteressant. Viel stärker lockte das milliardenschwere internationale Geschäft. Die Krise 2007/2008 ließ manchen Banker umdenken. Privatanleger als stabile Säule waren plötzlich wieder begehrt, schließlich hatte das riskantere Kapitalmarktgeschäft riesige Löcher in viele Bilanzen gerissen. Die Deutsche Bank zog mit der Postbank den letzten großen Fisch im deutschen Bankenmarkt an Land und sicherte sich zwei Jahre nach dem Kauf des ersten großen Aktienpakets Ende 2010 die Mehrheit bei der Postbank. Ackermann und seine Mitstreiter nahmen auch in Kauf, dass die Übernahme deutlich teurer wurde als einst geplant und legten letztlich gut sechs Milliarden Euro für den gelben Riesen auf den Tisch.
Skepsis gegenüber der Postbank-Übernahme gab es dennoch: Mancher Branchenkenner fragte sich, was ein Weltkonzern mit Rentnern, Sekretärinnen und Hausfrauen will, die bei der Postbank monatlich ein paar Hundert Euro bewegen. Durchgriff auf die Kundendaten hatten die Frankfurter nicht. Und der Wunsch, Spareinlagen zur Finanzierung des Investmentbankings heranzuziehen, erfüllt sich wegen Vorbehalten der Aufseher nur begrenzt.
Dennoch investierte die Deutsche Bank mehr als eine Milliarde Euro, um die Postbank in den Konzern zu integrieren. Doch die niedrigen Zinsen fressen sich immer tiefer in die Bilanzen. Nun also zieht die Deutsche-Bank-Führung die Reißleine. Ohne die Postbank, so das Kalkül, kann der deutsche Branchenprimus den strengeren Anforderungen der Aufseher weltweit etwa in Sachen Kapitalausstattung besser gerecht werden. Klar ist aber auch: Die Aufgabe der Postbank-Mehrheit löst bei Weitem nicht alle Probleme der Deutschen Bank. Der Berg teurer Rechtsstreitigkeiten ist nach wie vor gewaltig, im Filialgeschäft muss die Bank Antworten darauf finden, dass immer mehr Kunden ihre Bankgeschäfte auf digitalen Wegen abwickeln.