Hamburg. Wo stehen viele Wohnungen leer? Wo leben mehr Frauen als Männer? Wo die meisten Ausländer? So detailliert gab es Informationen zur Stadt noch nie
Es sind durchaus interessante Erkenntnisse in Pixelform: Nördlich der Elbe gibt es einen tendenziellen Frauenüberhang pro Quadratkilometer. Im Niendorfer Gehege stehen auf einem isolierten, 1000 mal 1000 Meter großen Areal verhältnismäßig viele Wohnungen leer. Und je näher man den nördlichen Stadtgrenzen kommt, desto wahrscheinlich ist es, älteren Menschen über den Weg zu laufen. Möglich macht diese Einsichten ein neuer, interaktiver Zensus-Atlas. Erstmals in der Geschichte deutscher statistischer Erhebungen werden Bevölkerungs- und Strukturfragen auf bis zu 100 Meter genau beantwortet.
Für die neue, kleinräumige Kartendarstellung wurde nicht nur Hamburg, sondern ganz Deutschland in Planquadrate aufgeteilt. Unabhängig von Landes-, Kreis- oder Stadtteilgrenzen sind die Ergebnisse der Volkszählung aus dem Jahr 2011 auf jeweils einen Quadratkilometer übertragen worden. In zehn unterschiedlichen Kategorien kann sich jeder über Siedlungsdichte, Altersstruktur oder Wohnungsgröße in seiner Nachbarschaft informieren. Der kostenlose Dienst wurde im vergangenen Jahr von den 14 statistischen Landesämtern in Kooperation mit dem dazugehörigen Bundesamt erarbeitet.
Bessere Vergleichbarkeit durch neue Auswertungsebene
„Es ist auch für uns Neuland“, sagt Alexander Wagner, der die Anwendung für das Statistikamt Nord mitgestaltet hat. Möglich wurde dies laut Wagner durch eine Gesetzesnovelle. Vorteile erhoffen sich die Statistiker dadurch, dass die neue Rasterdarstellung selbst dann verlässliche Werte bietet, wenn sich Stadtteilgrenzen verschieben oder ändern. „Das ist in Hamburg ja auch schon vorgekommen“, so Wagner. Mit dem Zensus-Atlas werde eine bessere Vergleichbarkeit geschaffen, die nicht an Grenzen halt mache. Gerade für kleinräumige Planungszwecke an der Grenze von Stadt und Umland ergebe sich eine detailliertere Informationsgrundlage. Und auch für Baupläne seien Werte im Quadrat sinn- und gehaltvoller als nach Stadtteilen geordnet.
Hier geht es zu den wichtigsten Hamburg-Ergebnissen
In der Anwendung kann man etwa erkennen, dass dicht bebaute Gebiete längst nicht mehr an den Hamburger Stadtgrenzen halt machen. Sie wuchern darüber hinaus. Oder aus dem Umland in die Stadt hinein. Je nach Sichtweise. Gerade in Richtung Ahrensburg oder Pinneberg wird das deutlich. Der oft bemühte Begriff der Metropolregion erschließt sich auf der neuen Karte. „Solche Blickwinkel sind Vorteile der rasterbasierten Auswertung“, sagt Alexander Wagner. Sie könnten mit anderen Geodaten kombiniert und verfeinerte werden.
Die Grundlage dieser Auswertung ist ein Raster mit jeweils gleich großen Flächen, auf denen die Ergebnisse zu Bevölkerung und Wohnen unabhängig von Stadtteilgrenzen zu sehen sind. Bislang standen Informationen des Zensus 2011 zum Alter der Bevölkerung, zur Staatsangehörigkeit oder zu den Wohnverhältnissen nur für Bund, Länder, Kreise und Kommunen zur Verfügung. Jetzt kommt zu diesen administrativen Abgrenzungen noch eine neue Auswertungsebene hinzu – die Einteilung Deutschlands und Hamburgs in Vierecke. Im Atlas lassen sich Ebenen wie etwa Flüsse, Autobahnen oder eine Hintergrundkarte zur besseren Orientierung einblenden.
Hamburgs oberster Datenschützer ist skeptisch und sieht Gefahren
Obwohl das Verfahren von der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit begleitet wurde, ist Hamburgs oberster Datenschützer Johannes Caspar skeptisch. „Dass in dünn besiedelten Gebieten eine Ausweisung bis auf die Mikroebene von drei Personen erfolgt, erscheint aus Datenschutzgründen problematisch.“ Durch die prozentuale Angabe insbesondere von Ausländeranteil und dem Lebensalter sowie dem Geschlecht ließen sich auf die dort lebenden Personen Rückschlüsse ziehen. Im Zeitalter von Big Data könnten diese Daten auf vielfältige Weise, etwa zum Geoscoring oder für Arbeitgeber von Bedeutung sein, von der missbräuchliche Verwendung zu kriminellen Zwecken ganz abgesehen.
Auch bestehe die Möglichkeit, dass nicht mehr nur einzelne Stadtteile oder Viertel durch ungünstige Bevölkerungszusammensetzungen einen negativen Stempel verpasst bekommen sondern nun auch ganz konkrete Straßenzüge. Gerade in Hinblick auf Grundstücksbewertungen seien schlechte Werte nun viel einfacher auszumachen.
Es geht aber auch harmloser: So erfahren über 65-Jährige rund um den Saselberg in Poppenbüttel etwa, dass es in ganz Deutschland eine ganze Zahl vergleichbarer Planquadrate gibt, die einen ähnlich hohen Pensionärsanteil (mehr als 25 Prozent) haben. Es sind exakt 52.104.
Die interaktive Karte mit allen Ergebnissen für Deutschland und Hamburg finden Sie hier.