Hamburg. Nach einer Untersuchung des Rechnungshofs müssen Kunden bis zu 39 Tage auf einen Termin warten. Auch Spontankunden stehen im Regen.

In den Kundenzentren der Bezirke – immerhin die wichtigste Anlaufstelle für alle Hamburger mit einem behördlichen Anliegen – läuft es alles andere als rund. Das wurde jetzt erstmals von unabhängiger Seite bestätigt. Gut ein Jahr nach Einführung der umstrittenen Online-Terminvergabe hat der Landes-Rechnungshof 19 Kundenzentren unter die Lupe genommen und kommt zu überwiegend unerfreulichen Ergebnissen. Als eine Konsequenz fordert er den Senat auf, ein neues Standortkonzept zu erstellen und die Schließung kleinerer Kundenzentren wie Süderelbe, Wilhelmsburg, St. Pauli oder Finkenwerder zu prüfen.

Die zentralen Aussagen des Berichts, dessen vertraulicher Entwurf dem Abendblatt vorliegt: Wer sich im Internet einen Termin in einem Kundenzentrum holt – die Bezirke drängen darauf, dass das alle Bürger tun –, wartet im Schnitt 14,5 Tage. Prüfer des Rechnungshofs haben zu drei verschiedenen Zeiten 19 von 20 Kundenzentren getestet (Wilhelmsburg ist nicht enthalten): Am 10. Februar um 14.30 Uhr betrug der Vorlauf zwischen null Tagen (in Altona, Lokstedt, Rahlstedt und Walddörfer) und 13 Tagen in Blankenese. Am 6. März um 8.50 Uhr klaffte die Wartezeit noch weiter auseinander: null Tage in Bergedorf und je einer in Altona und Wandsbek, aber 36 Tage in Süderelbe und sogar 39 Tage in Harburg. Ähnlich war das Bild am 6. März um 14 Uhr: Den Bestwert erzielte diesmal Hamburg-Mitte mit einem Tag Vorlauf, die rote Laterne hatten Bergedorf und Süderelbe mit 34 Tagen.

Bildet man einen Durchschnitt – was wegen der unterschiedlichen Größe und Bedeutung der Kundenzentren nicht ganz korrekt ist –, hätten die Kunden 14,5 Tage warten müssen. Das ist zwar besser als im Sommer 2014, als die Bürger im Schnitt drei bis vier Wochen auf einen Termin warten mussten, liegt aber immer noch deutlich über dem selbst gesteckten Ziel der Verwaltung von zehn Tagen Vorlauf.

Der Rechnungshof hatte die Kundenzentren 2010 schon einmal unter die Lupe genommen und den Senat aufgefordert, ein bezirksübergreifendes Konzept zu erarbeiten. Es sollte unter anderem eine Reduzierung der Zahl der Kundenzentren und einheitliche Arbeitsabläufe enthalten. Daraus ging 2012 das Projekt „OptiKuz“ hervor, im gleichen Jahr wurde unabhängig davon bereits das Kundenzentrum Stellingen geschlossen.

Ein Ergebnis von „OptiKuz“ war die Einführung der Online-Terminvergabe im Februar 2014. Diese habe höchst unterschiedliche Effekte, stellt der Rechnungshof nun fest. So betrug die Wartezeit für alle Kunden vor Einführung der Terminvergabe im Schnitt 28,3 Minuten im Jahr 2012 und 19,6 Minuten in 2013. Seit die Bürger angehalten sind, sich einen Termin zu holen, warten sie an dem betreffenden Tag nur noch 8,7 Minuten im Schnitt.

Die Kehrseite: 2014 holten sich nur 56 Prozent der Bürger vorher einen Termin, 44 Prozent kamen weiterhin spontan. Und diese „Spontankunden“ müssen in der Regel „deutlich über zwei Stunden“ warten, so der Rechnungshof. Teilweise betrug die Wartezeit sechs Stunden, „in Einzelfällen auch deutlich darüber“. Da diese Spontankunden zeitweise sogar abgewiesen wurden, was den Mitarbeitern im Dezember untersagt wurde, sei die Folge „erheblicher Unmut seitens der Kunden“ gewesen, so die Prüfer. Besagte „Arbeitsanweisung“ der Bezirksamtsleitungen hatte zudem einen Haken: „Eine Regelung, wie die Kapazität für die Bedienung von Spontankunden konkret eingesetzt werden soll, gibt es nicht“, stellt der Rechnungshof fest. Das habe „zu Aggressionen, häufig zu verbalen, teilweise auch zu physischen Angriffen auf das Personal geführt“, so der Bericht. Weiter heißt es: „Ein permanentes Auftreten solcher Belastungsfaktoren kann zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen.“ Bemerkenswert: Während sich die Bezirksamtsleiter vorgenommen hatten, bis 2017 von den 245 Vollzeitstellen in den Kundenzentren 30 abzubauen und dieses Ziel zwischenzeitlich schon erreicht hatten, ist der Rechnungshof skeptisch: Ein dauerhafter Personalabbau sei nur möglich, wenn vorher „Leerlauf“ zu verzeichnen gewesen wäre: „Indizien dafür liegen nicht vor.“

Das ist Wasser auf die Mühlen der Gewerkschaft Ver.di, die die Verhältnisse stets kritisiert hatte. „Der Rechnungshofbericht bestätigt unsere Einschätzung“, sagte Fachbereichsleiterin Sieglinde Friess dem Abendblatt. „Die Kollegen wurden durch die Online-Terminvergabe nicht entlastet, sondern sind am Rande der Erschöpfung – vor allem in den kleineren Kundenzentren.“

Allerdings macht der Rechnungshof auch Vorschläge, die die Gewerkschaften naturgemäß nicht gern hören. So verweist er darauf, dass die Kosten für erbrachte Leistungen in den Kundenzentren zwischen 1,36 und 2,35 Euro pro Minute schwanken. Für die auf dem Papier vergleichsweise ineffizienten Häuser wie Süderelbe, Wilhelmsburg, St. Pauli und Finkenwerder „sollte die Standortfrage geprüft werden“. Friess findet das „problematisch“, zumal der Rechnungshof selbst beklagt, dass die von der Verwaltung gesammelten Daten zu den Kundenzentren „nicht valide“ seien.

Ferner regt der Rechnungshof an, „Mindestkapazität“ für Spontankunden vorzuhalten, diese nur in den großen „Kerngebiets-Kundenzentren“ zu bedienen oder gar eine zentrale Anlaufstelle in Hamburg für alle Spontankunden zu schaffen. Auch die Internetseite www.hamburg.de/kundenzentrum sei verbesserungswürdig. Das Ziel, den Anteil der Terminkunden auf 80 Prozent zu steigern, hält der Rechnungshof zwar grundsätzlich für richtig. „Nicht ersichtlich“ sei aber, wie dann zehn Tage Vorlauf erreicht werden sollen, wenn das schon bei 56 Prozent nicht klappe. Daher rege er an, „die Zielvorgaben zu überprüfen“.