Hamburg. Die Familie Landschulze lässt Immobilien in bester Lage leerstehen. Nun machen sich die Folgen bemerkbar. Die Politik ist machtlos.
Trübe Fensterscheiben, beschmierte Wände und verschlossene Türen – am Schulterblatt im Schanzenviertel stehen derzeit viele Läden leer. Mit den nebeneinander liegenden Bars „bp1“ und „Bedfort“ haben an der Ecke Susannenstraße Anfang Januar zwei Publikumsmagneten geschlossen; ein türkischer Gemüseladen, eine Boutique, ein italienisches Restaurant und ein Schuhgeschäft ein paar Häuser wurden schon vor Längerem aufgegeben. Insgesamt sind auf der rund 200 Meter langen Strecke zwischen Lerchenstraße und Kreuzung Susannenstraße/Juliusstraße zehn Geschäfte geschlossen.
Schon werden erste Befürchtungen laut, dass die Schanze veröden könnte. „Das Viertel wandelt sich und verliert seine Alltagslebendigkeit“, sagt etwa der Altonaer Grünen-Politiker Holger Sülberg, der als Bewohner und im Wahlkampf bemerkt hat, dass auf den Straßen weniger los ist. Eine Mitschuld an dem Leerstand trage unter anderem die Familie Landschulze, behaupten Sülberg und andere Kenner der Immobilienszene. Sie bezeichnen Patriarch Ernst-August und Sohn Wolfgang als Spekulanten und als Hamburgs sturste Vermieter. Mindestens 50 Immobilien sollen der Familie nach Abendblatt-Informationen gehören, darunter etliche große, repräsentative und stadtbildprägende Altbauten.
Die Motive des Vermieters sind unklar, schließlich verzichtet er auf Einnahmen
Auffällig oft sind diese in einem schlechten Zustand, und nicht nur Wohnungen, auch Läden stehen jahrelang leer. „Seit etwa 15 Jahren fallen die Landschulzes unangenehm auf“, bestätigt Marc Meyer, Anwalt von „Mieter helfen Mietern“. Sie seien bekannt für die Entmietung, die Verwahrlosung und den Abriss zahlreicher Immobilien. Viele davon liegen im Schanzenviertel: Den Landschulzes gehören unter anderem das Eckhaus am Grünen Jäger sowie diverse Immobilien am Schulterblatt, in der Stresemann- und der Susannenstraße; immer wieder stehen hier viele Wohnungen lange leer. Auch die Brachfläche am Schulterblatt 37/39, die seit vielen Jahren unbebaut ist und zunehmend vermüllt, ist in ihrem Eigentum, eine erteilte Baugenehmigung ließen sie verstreichen.
„Der Leerstand im Viertel ist ein Ärgernis“, sagt auch Martin Brinkmann, Geschäftsführer der Stadtentwicklungsgesellschaft Steg, die bis 2013 als Sanierungsträgerin für die gesamte Schanze zuständig war. Seit das Sanierungsrecht im Viertel nicht mehr gelte, entfielen bestimmte genehmigungsrechtliche Schritte. „So ist das Spekulantentum nicht mehr kontrollierbar“, so Brinkmann. Tatsächlich sind viele Anwohner überzeugt, dass Läden und Wohnungen leer stehen, weil die Eigentümer darauf warten, noch höhere Preise erzielen zu können. „Hier wird Monopoly gespielt“, sagt ein Insider. Ist es die Hoffnung auf mehr Geld, die auch die Landschulzes antreibt?
Seit mehr als neun Jahren steht beispielsweise ihr 1893 erbautes Eckhaus an der Juliusstraße 40 fast komplett leer. Für das Schmuckstück mit dem hübschen Stuck und den krönchengleichen Gauben dürfte es nicht an Mietinteressenten fehlen. Doch nur der Gastronomiebetrieb im Erdgeschoss und die Wohnung unterm Dach sind vermietet. Selbst eine spektakuläre Hausbesetzung und etliche Medienberichte vor fast fünf Jahren haben daran nichts geändert.
Dabei hatte Ernst-August Landschulze das im Zweiten Weltkrieg halb zerstörte Haus aufwändig und originalgetreu wieder aufbauen lassen. Eine der Wohnungen wird über einen Makler angeboten, der viele Wohnungen der Landschulzes im Bestand hat. Für die 115 Quadratmeter große Vier-Zimmer-Wohnung im Eckhaus Juliusstraße sind 1720 Euro Kaltmiete fällig, 15 Euro pro Quadratmeter. „Ein mittlerweile durchaus nicht unüblicher Preis im Schanzenviertel“, sagt Alexander Gerhardt vom Stadtteilbeirat. Andere Vermieter würden noch mehr verlangen und auch bekommen. An der Miete kann es also kaum liegen, dass die Wohnung leer steht. Warum die zweite Wohnung in der Juliusstraße nach fast zehn Jahren noch immer nicht fertig saniert ist, beantworten die Landschulzes nicht – ebenso wenig wie die anderen Fragen, die das Abendblatt ihnen und ihrem Anwalt gestellt hat.
Um Leerstand zu verhindern, gibt es eigentlich das Wohnraumschutzgesetz. Leerstand, der länger als drei Monate dauert, muss bei den Bezirken gemeldet werden. Die können dann eine Zwangsvermietung oder sogar ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro verordnen. Bei der Wohnung an der Juliusstraße sind dem Bezirk aber die Hände gebunden. „Eine Mitteilung der Fertigstellung ist bisher nicht eingegangen“, sagt Martin Roehl vom Bezirksamt Altona. „Und eine einjährige Unterbrechung der Bauarbeiten, die uns die Handhabe zum Einschreiten geben würde, kann kaum nachgewiesen werden, denn schon die kleinste bauliche Maßnahme gilt als Fortführung von Bauarbeiten.“
Bleiben Gewerbeflächen unvermietet, hat die Stadt gar keine Möglichkeiten einzugreifen. An der Papenhuder Straße etwa steht in einem Gebäude der Landschulzes seit sieben Jahren eine ehemalige Weinhandlung leer. Die von innen mit Packpapier beklebten Fensterscheiben sind trüb, die Rahmen brüchig. Das ganze Gebäude, ein im 19. Jahrhundert errichtetes imposantes Eckhaus am nördlichen Ufer des Mundsburger Kanals, macht einen vernachlässigten Eindruck. Mieter bestätigten gegenüber dem Abendblatt, dass das auch für das Innere gilt. Nur nicht für die nach langem Leerstand frisch vermietete, liebevoll sanierte Hochparterre-Wohnung, die der Makler im Internet zeigt.
Reagiert werde nur auf juristischen Druck von außen, heißt es
Innen hui, außen pfui – das gilt auch für das Eckhaus südlich des Mundsburger Kanals, das mit bemoostem Stuck, morschen Fensterrahmen und zugespachtelten Rissen in der Fassade einen ungepflegten Eindruck macht. Hier sollen nach Abendblatt-Informationen nur drei der acht Wohnungen vermietet sein, die anderen gewohnt sorgfältig und langwierig renoviert werden. Dass der Familie durch die in vielen Immobilien beobachteten schleppenden Sanierungsarbeiten hohe Mieteinnahmen entgehen, scheint sie nicht zu interessieren.
„Ignorant“, „starrsinnig“, von einer „Gutsherrnmentalität“ und „unglaublich reich“ seien Ernst-August Landschulze und sein Sohn Wolfgang – das ist von fast allen zu hören, mit denen man über die Immobilienbesitzer spricht. „Sie reagieren auf Missstände nicht ohne behördlichen oder juristischen Druck“, sagt auch Mieteranwalt Marc Meyer. Mieterin Birgit Kohl kam lange gut mit ihnen aus. Fast 15 Jahre führte die Inneneinrichterin erfolgreich den Laden „Lizzart Living“ an der Lenhartzstraße 1, einem repräsentativen Eckgebäude aus der Gründerzeit. „Wir haben dort den Wechsel von Mark auf Euro erlebt und den Verkauf des Gebäudes von der Saga an die Landschulzes“, sagt Birgit Kohl. Dann sei sie auf privater Ebene mit Landschulze junior aneinander geraten – und der Mietvertrag nicht weiter verlängert worden.
Bei Gerrit Lerch, der mit den mittlerweile geschlossenen „bp1“ und „Bedfort“ Ende der 1990er-Jahre zu den Pionieren der Schanze gehörte, sollen Differenzen mit Landschulze senior dazu geführt haben, dass die Mietverträge nicht verlängert wurden. „Nachdem er sich nicht an dringend notwendigen Sanierungsarbeiten beteiligen wollte, habe ich darüber mit einem Nachbarn gelästert“, erinnert sich der Gastronom, der sämtliche Umbaumaßnahmen selbst durchgeführt und finanziert hat. Das Gespräch habe ein Handwerker gehört und offenbar Landschulze zugetragen. „Danach war ich bei ihm unten durch“, so Lerch. Durch nichts habe sich Landschulze bewegen lassen, die Verträge zu verlängern.
Die ehemaligen Bars stehen noch immer leer. Hier lassen sich die Landschulzes mit der Neuvermietung offenbar ebenso viel Zeit wie bei dem ehemaligen Gemüseladen ein paar Häuser weiter. Zu besichtigen sind trübe Fensterscheiben – und trübe Aussichten für das Viertel.