Wilhelmsburg. Aber SPD-Parteitag stimmt rot-grünem Koalitionsvertrag bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung mit 99 Prozent zu.

Das Ergebnis stimmte: Bei nur zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung der 309 Delegierten hat der SPD-Parteitag am Dienstagabend den rot-grünen Koalitionsvertrag angenommen – das entsprach 99 Prozent. Aber sowohl der Rede von Bürgermeister und Parteichef Olaf Scholz als auch der anschließenden Debatte fehlte der richtige Schwung.

Deutliche Kritik gab es daran, dass die Frauenquote von 50 Prozent im künftigen Senat klar verfehlt wird. Trotzdem stimmten die Delegierten dem Personalvorschlag von Olaf Scholz bei wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen zu. Das heißt, dass alle acht verbliebenen, von der SPD bestimmten Senatoren im Amt bleiben. Nur Dorothee Stapelfeldt wechselt von der Wissenschafts- in die Stadtentwicklungsbehörde und verliert ihr Amt als Zweite Bürgermeisterin an Katharina Fegebank von den Grünen.

„Wir haben ein richtig gutes Wahlergebnis erzielt. Erst 30 Prozentpunkte dahinter kommt eine andere Partei“, erinnerte Scholz in seiner knapp halbstündigen Rede im Bürgerhaus Wilhelmsburg an die Bürgerschaftswahl. „Das ist ein deutlicher Regierungsauftrag, aber auch ein deutlicher Regierungsauftrag ist nicht immer ein Auftrag, allein zu regieren.“ Dann setzte Scholz selbstbewusst hinzu: „Hamburg wird auch in Zukunft gut regiert. Dafür sorgen wir Sozialdemokraten.“

Wie in vielen Reden zuvor sprach Scholz das Wohnungsbauprogramm an („das größte, was es in Deutschland gibt“), die geplante Eröffnung der Elbphilharmonie („eine große Leistung der SPD“) und die Versprechen im Wahlkampf („alles, was wir versprochen haben, das haben wir auch gehalten“). Das große Projekt sei die Ausrichtung der Olympischen Spiele. Den mit den Grünen ausgehandelten Koalitionsvertrag bezeichnete Scholz als „gute Grundlage, den Auftrag, den wir durch das gute Wahlergebnis erhalten haben, auch durchzuführen“.

Der Parteichef lobte die scheidenden Senatorinnen Jana Schiedek (Justiz) und Jutta Blankau (Stadtentwicklung). Er sei „schwer bestürzt“ gewesen, als diese ihm mitteilten, in der kommenden Legislaturperiode nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Dabei habe er vergeblich „alle Tricks angewandt, derer ich fähig bin“. Und zur Neubesetzung an der Spitze der Stadtentwicklungsbehörde: „Ich habe mich mit vielen beraten. Dorothee Stapelfeldt ist die Richtige.“

Doch dann folgte bei Scholz sonst eher unübliche Selbstkritik. „Es gibt auch eine unschöne Nachricht. Die 50-Prozent-Frauenquote haut nicht mehr hin. Es ist nicht gelungen, und das ist nicht gut“, sagte Scholz. Dem neuen Senat werden nur vier Frauen, aber sieben Männer angehören. Auf Seiten der SPD sind es drei Frauen und fünf Männer, Scholz nicht eingerechnet. Sobald sich die Möglichkeit ergebe, wolle er den Frauenanteil im Senat wieder erhöhen. „Das ist der selbst gestellte Auftrag“, sagte der Sozialdemokrat.

Parteitag gedachte mit Schweigeminute des erstochenen Schülers

Die Kritikerinnen konnte das nicht überzeugen. „Damit verstößt du, Olaf, gegen unsere Grundsätze. Und wofür? Nur weil ein Mann nicht gegen eine Frau ausgetauscht werden soll“, sagte Petra Ackmann, die Landeschefin der SPD-Frauen. „Das ist ein kleiner Rückschritt. Ich dachte immer, dass Rot-Grün für Frauenförderung steht“, sagte die Abgeordnete Gabi Dobusch.

Was der Koalitionsvertrag für Hamburg bedeutet

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    Ein Gewerkschafter monierte, dass Tariferhöhungen im Koalitionsvertrag als „finanzielle Risiken“ bezeichnet würden: „Wir sind doch die Partei der Arbeitnehmer. Solche Worte gehören nicht in einen Koalitionsvertrag.“ Ein Staatsanwalt wies auf die Arbeitsbelastung der Anklagebehörde in Hamburg hin und forderte mehr Personal. „Wenn ihr wüsstet, was wir alles vor uns herschieben, würdet ihr kein Online-Banking machen, sondern zu Hause sitzen und auf eure Wohnungen aufpassen“, rief er den 309 Delegierten zu. Doch es blieben einzelne kritische Stimmen. Nach einer guten Stunde hatte der Parteitag den Punkt Rot-Grün abgehakt.

    Zu Beginn hatte Olaf Scholz an die tödliche Messerattacke eines Schülers auf einen Mitschüler erinnert, die sich nur wenige Stunden zuvor in Wilhelmsburg ereignet hatte. Es sei „unfassbar sich vorzustellen, was jemanden dazu bewogen hat, diese Tat auszuführen“. Scholz weiter: „Wir sind sehr in Gedanken bei den Schülern und Lehrern. Es ist eine große Trauer, die uns miteinander verbindet.“ Der Parteitag gedachte mit einer Schweigeminute.