Hamburg. Wie in der SPD gibt es zu wenig weibliche Spitzenkräfte bei den Grünen. Dafür soll es drei Staatsrätinnen geben.

Andreas Dey
Peter Ulrich Meyer

Stühlerücken bei den Grünen. Das absehbare Regierungsbündnis mit der SPD zieht die Neuordnung der Spitzenpositionen in Partei und Fraktion nach sich. Man kann es auch so ausdrücken: Die Machtverhältnisse bei den Grünen werden neu austariert. Und: Wie die SPD auch, hat die Ökopartei das Problem, dass zunächst einmal mehr Männer als Frauen in Führungspositionen sein werden.

Am 20. April wollen die 14 Bürgerschaftsabgeordneten der Grünen einen neuen Vorstand wählen. Weil Jens Kerstan als neuer Umwelt- und Energiesenator in die Landesregierung wechseln wird, muss die Leitung in andere Hände übergehen. Als aussichtsreichster Bewerber gilt der Hafen- und Wirtschaftsexperte Anjes Tjarks, bislang parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion. Dem 33 Jahre alten Lehrer aus Altona wird zugetraut, unterschiedliche Strömungen und Interessen integrieren zu können.

Mit Tjarks als neuem Fraktionschef würde das männliche Übergewicht bei den Grünen noch deutlicher, als es ohnehin schon ist. Neben Kerstan soll auch Till Steffen als Justizsenator in das rot-grüne Kabinett. Den drei Männern in Top-Positionen steht mit Katharina Fegebank als Wissenschaftsenatorin und Zweite Bürgermeisterin nur eine Frau gegenüber.

Bei den Grünen gilt üblicherweise eine strikte Quotierung von 50 zu 50. Das würde bedeuten, dass an die Spitze der Fraktion eine Frau rücken müsste. Lange hatte es so ausgesehen, dass die Wissenschaftspolitikerin Eva Gümbel auf Kerstan folgen könnte. Doch Gümbel wird nachgesagt, dass es sie eher als Staatsrätin in die Wissenschaftsbehörde an die Seite von Fegebank zieht. Außerdem soll sie Tjarks den Vortritt beim Fraktionsvorsitz gelassen haben.

Um den Mangel an Frauen in Top-Positionen auszugleichen, machen die Grünen nun eine andere Rechnung auf. Die drei Staatsratsposten, der Landesvorsitz und die stellvertretenden Vorsitzenden in Partei, Fraktion und Bürgerschaftspräsidium sollen miteinbezogen werden. So gilt als ausgemacht, dass die Grünen ausschließlich Staatsrätinnen benennen werden, um die Quote zu verbessern.

Auch an der Spitze der Partei steht ein Wechsel an: Fegebank muss ihren Posten als Landesvorsitzende aufgeben, weil er laut grüner Satzung unvereinbar mit dem Senatorenamt ist. Derzeit gilt die 31 Jahre alte Politologin Anna Gallina als Favoritin für die Fegebank-Nachfolge. Gallina hat gerade erst den Sprung in die Bürgerschaft geschafft und ist Beisitzerin im Landesvorstand. Allerdings rechnen Partei-Insider noch mit weiteren Kandidaturen. Als künftiger Parteivize wird der frühere Bürgerschaftsabgeordnete Michael Gwosdz gehandelt, weil der Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin aus persönlichen Gründen vermutlich nicht wieder kandidieren wird.

Immerhin wird die Fraktion durch das Ausscheiden der drei Senatsmitglieder weiblicher. Denn mit Carola Timm (für Jens Kerstan), Ulrike Sparr (für Katharina Fegebank) und Mareike Engels (für Till Steffen) rücken drei Frauen ins Parlament nach – damit bestünde die Grünen-Fraktion aus neun Frauen und fünf Männern.

Mit Spannung blickt nicht nur die Ökopartei selbst sondern auch die Sozialdemokraten auf den Parteitag der Grünen am Sonntag. Denn dass die grüne Basis dem Koalitionsvertrag mit der SPD zustimmt, wird zwar allgemein erwartet, ist aber kein Selbstgänger.

So beschloss die Grüne Jugend am Mittwochabend eine durchaus kritische Stellungnahme: „Dieser Koalitionsvertrag spiegelt unsere Erwartungen an eine Landesregierung mit grüner Beteiligung nicht in Gänze wieder“, heißt es. Die Nachwuchsorganisation, die mit Emma Hansen und Yannick Wehr auch zwei neue Sprecher gewählt hat, lobt zwar das „deutliche Bekenntnis zur Fahrradstadt“, den Verzicht auf eine Berufung gegen das Luftschadstoffurteil, die geplanten Landstromanlagen im Hafen, die Stärkung von Hochschulen und Kitas sowie die Absage an die umstrittene Gasfördermethode Fracking. „Unzufrieden“ sei man aber unter anderem „mit den Vereinbarungen zur Elbvertiefung, der Absage an eine autofreie Innenstadt.“

Viele Parteimitglieder gehen davon aus, dass die Flüchtlingspolitik und hier insbesondere die gescheiterte Gruppenlösung für die Lampedusa-Gruppe, die geplante geschlossene Unterbringung für straffällige Jugendliche oder der Verzicht auf Stadtbahn, Citymaut und Umweltzone für Unmut sorgen könnten. „Es wird sicher harte Diskussionen geben“, sagte Michael Osterburg, Grünen-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Mitte. „Aber am Ende rechne ich mit einer Mehrheit für den Koalitionsvertrag.“ Denn in den Bereichen Radverkehr, U-Bahn-Ausbau, Umwelt, Wissenschaft und Kitas hätten die Grünen viel erreicht.

Im Gegensatz zur SPD hatten die Grünen ihre Mitglieder während der Koalitionsverhandlungen laufend informiert und beteiligt. Daher kann die Parteiführung die Stimmung relativ gut einschätzen und rechnet mit einer Mehrheit für Rot-Grün. „Aber ein sozialistisches Ergebnis“, sagt ein Insider, „wird es wohl nicht geben.“