Hamburg. Wo stehen Fabrik und Markthalle heute? Haben die beiden Läden ihre großen Zeiten hinter sich? Die Geschäftsführer antworten.

Sie sind die Dinos der Hamburger Clublandschaft: Die Fabrik in Altona, 1971 gegründet, und die Markthalle am Hauptbahnhof, die seit 1977 Programm macht. Haben die beiden Läden, jeder auf seine Weise eine Legende, ihre großen Zeiten definitiv hinter sich? Oder gelingt es ihnen, sich an die veränderten Gewohnheiten des Ausgehpublikums anzupassen?

Hamburger Abendblatt: Wie wichtig sind die Markthalle und die Fabrik noch für die Musikstadt Hamburg?

Ulrike Lorenz (Fabrik): Wir halten die Lampe auf verschiedene Nischen, stehen für musikalische Vielfalt und zeigen gesellschaftliche Entwicklungen auf. Das ist durch die institutionelle Förderung der Kulturbehörde möglich, die wir bekommen. Wir können Künstler präsentieren, die sich kommerziell ausgerichtete Clubs nicht leisten können.

Mike Keller (Markthalle): Bei uns haben im vergangenen Jahr etwa 120 Nachwuchsbands aus Hamburg gespielt. Dadurch und durch günstige Ticketpreise leisten wir unseren Beitrag zur musikalischen Kulturarbeit.

Wie hoch ist diese institutionelle Förderung pro Jahr?

Lorenz: 20 Prozent unseres Gesamthaushalts kommt von der Kulturbehörde. Das sind 549.000 Euro minus 69.000 Euro, die für Jugendarbeit abgehen. Von den verbleibenden 480.000 Euro gehen 160.000 Euro Miete und Nebenkosten wieder an die Kulturbehörde.

Keller: Wir bekommen jährlich 333.000 Euro. 80 Prozent davon gehen für Miete und Festkosten an die Sprinkenhof AG weg.

Noch ein Club-Dino: "Das Gruenspan ist für mich St. Pauli"

Diese Förderung bedeutet also, dass nicht jedes Konzert profitabel sein muss...

Lorenz: Am Ende des Jahres muss der Haushalt ausgeglichen sein. Aber wir können wertige Konzerte mit Nachwuchskünstlern, Jazz und auch soziale Kulturprojekte veranstalten. Wir hatten zum Beispiel ein Orchester aus Südafrika hier, in dem schwarze und weiße Jugendliche gemeinsam musiziert haben. Damit kann man kein Geld verdienen.

Keller: Wir überlegen sogar, ob wir nicht Konzerte ohne Eintritt veranstalten sollen, um jungen Bands Spielmöglichkeiten zu geben.

In der öffentlichen Wahrnehmung steht die Markthalle vor allem für Metal, die Fabrik für Oldie-Bands aus den 60er-Jahren. Wie weit trifft dieses Image zu?

Keller: Wir stecken zwar in dieser Metal-Schublade drin, obwohl nur 30 Prozent unser Konzerte zu diesem Genre gehören. Das müssen wir aufbrechen, um die Vielfalt noch zu vergrößern. Wichtig ist dabei der Kunstraum, den wir mit 200 Stühlen ausstatten und in dem wir akustische Konzerte, Lesungen und andere Formate veranstalten können. Im Übrigen haben wir mit Metal kein Problem, weil es ein Mainstream-Thema geworden ist, siehe Wacken und Metal-Kreuzfahrten. Wir müssen unsere anderen Angebote nur besser kommunizieren.

Lorenz: Die Fabrik gibt es seit 44 Jahren, da hat man vielleicht ein Image, das ein wenig verstaubt ist. Aber die Bühne und die Architektur des Hauses sind legendär. Wir versuchen einen Brückenschlag zwischen denen, die seit Jahrzehnten hierher kommen, und einem neuen, jüngeren Publikum. Die jahrelange Kinder- und Jugendarbeit trägt da durchaus Früchte.

Die Fabrik ist über Jahrzehnte von Horst Dietrich, die Markthalle von Wolfgang Landt geleitet worden. Sie sind seit einem bzw. zwei Jahren verantwortlich. Was hat sich seitdem geändert?

Lorenz: Ich musste mir erst mal einen Überblick verschaffen, wo wir stehen. Eine wirtschaftliche Konsolidierung war wichtig, ich musste auch Gelder besorgen, um ein Gutachten erstellen zu lassen, wie sicher der Kran vor unserem Eingang steht. Programmatisch haben wir wieder mehr Jazz und Nachwuchsreihen im Programm und haben mit dem Nachtflohmarkt und dem Genießermarkt am Sonnabendvormittag neue Reihen aufgenommen. Wir schneiden unser Profil nicht auf eine bestimmte Zielgruppe zu, sondern wollen ein breit gefächertes, generations- und genreübergreifendes Programm.

Keller: Ich musste ein neues Grundgerüst mit internen Änderungen bauen. Das fühlte sich in den ersten sechs Monaten an, als wechselst du während des Autofahrens die Reifen. Wir haben den Spielstättenprogrammpreis, die Lead-Awards und den Musikpreis Hans ausgerichtet, um zu zeigen, dass die Markthalle nicht nur Metal kann.

Wie ist das Verhältnis zu den anderen Hamburger Clubs? Gibt es große Konkurrenz?

Lorenz: Die Vergleichbarkeit ist schwierig. Wir machen Dinge, die andere nicht machen oder machen können. Wir sind kein Durchlauferhitzer. Wir möchten Künstler langsam aufbauen und nicht in das kommerzielle Haifischbecken stecken.

Keller: Jeder hat sein Alleinstellungsmerkmal. Aber es gibt dieselben Themen, die alle angehen wie GEMA, steigende Kosten, Mindestlohn.

Was ist das aktuelle Problem mit der GEMA?

Keller: Die GEMA will neuerdings, dass wir innerhalb von zwei Wochen Titellisten der Bands abgeben. Während des Konzertes bekommst du sie oft nicht, und wenn du dich zwei Wochen später mit finnischen Agenten absprechen musst, wird es auch schwierig. Das ist pure Bürokratie, die niemandem hilft. Aber deshalb sind wir Mitglied im Hamburger Club-Kombinat, um diese Probleme gemeinsam mit den anderen Clubs zu lösen oder uns zu wehren.

Wo werden Markthalle und Fabrik in zehn Jahren stehen?

Keller: Während in den großen Arenen alles immer mehr blinkt und leuchtet, können Zuschauer bei uns Konzerte erleben, die intim sind und aufs Wesentliche reduziert, nämlich die Musik. Deshalb ist mir nicht bange um die Zukunft.

Lorenz: Wir werden auch in zehn oder in 20 Jahren so weitermachen wie bisher und Nischenmusik eine Plattform bieten. Das hat 43 Jahre lang funktioniert. Dem Markt werden wir uns nicht unterordnen.