Hamburg. Der frisch gewählte CDU-Landesvorsitzende Roland Heintze will der Partei mehr Gehör verschaffen. Sein Ziel: Die Union in Hamburg wieder über 30 Prozent bringen.
Mit großer Mehrheit hat die Hamburger CDU nach ihrer desaströsen Wahlniederlage den ehemaligen Haushaltspolitiker Roland Heintze zu ihrem neuen Landesvorsitzenden gewählt. Der 41-Jährige, der von 2004 bis 2015 in der Bürgerschaft saß, spricht in seinem ersten Interview als Parteichef über seine neue Aufgabe.
Hamburger Abendblatt: Herr Heintze, wie gefällt Ihnen der Spitzname „König Roland“?
Roland Heintze: Der gefällt mir nicht. Ich finde Monarchie etwas Opulentes, und Opulenz kann die Partei nicht brauchen. Die Stadt auch nicht.
88 Prozent Zustimmung bekommt in Hamburg sonst nur der SPD-Chef, den sie als „König Olaf“ kritisieren.
Heintze: Mir würde im Moment eine Zustimmung der Hamburger von über 30 Prozent für die CDU reichen. Dann wäre es auch mit dem „König Olaf“ vorbei. Wir müssen zusehen, dass wir da hinkommen.
Rüdiger Kruse hatte seine Kandidatur mit der Begründung zurückgezogen, es drohe eine Spaltung der Partei. Was wäre so schlimm daran gewesen, wenn die Mitglieder die Wahl zwischen Ihnen und Kruse gehabt hätten?
Heintze: Ich hätte nichts dagegen gehabt. Aber da wir inhaltlich sehr nah beieinander liegen, war es für die Partei klüger, nicht in den Wettbewerb zu gehen, sondern sich auf seine Schwerpunkte zu konzentrieren. Die liegen bei Rüdiger Kruse in Berlin, wo er als Bundestagsabgeordneter gute Arbeit leistet. Da ging es nicht um Spaltung.
Es wurde gemunkelt, Sie wollten sich als Parteichef ein gute Ausgangsposition für die Bundestagswahl 2017 sichern. Welche Ambitionen haben Sie?
Heintze: Die Bundestagswahl 2017 ist weit weg. Stand heute gilt: Jeder hat seine Position in der Partei, und meine ist in Hamburg.
Und 2017?
Heintze: Ich kann das für heute ausschließen. Ich habe gerade im letzten Jahr gelernt: Die Dinge in der Politik ändern sich sehr schnell. Hätten Sie vor einem Jahr gedacht, dass Sie heute dieses Gespräch mit mir als Landesvorsitzendem führen? Daher gilt: Solange sich die Ausgangslage nicht ändert, bleibe ich in Hamburg.
Wer hat Schuld an den 15,9 Prozent, dem schlechtesten CDU-Ergebnis aller Zeiten?
Heintze: Wir müssen die Ursachen bei uns allen suchen. Es waren zwar schwierige Rahmenbedingungen, wir wurden zerrieben zwischen der von Katja Suding inszenierten FDP-Rettung, der von der AfD geschürten Unzufriedenheit und der Sehnsucht nach einem Alleinherrscher Olaf Scholz. Aber zerrieben werden kann man nur, wenn man es zulässt. Wir haben zu wenig Profil in unseren klassischen Themen gezeigt. Als Oppositionspartei mit damals 21,9 Prozent muss ich keine umfassenden Regierungsprogramme schreiben, sondern mich auf wenige Kernthemen konzentrieren und angreifen.
Welche sind das für Sie?
Heintze: Wirtschaft, Inneres und das ganze Thema Standortqualität – dazu gehören Bildung, Verkehr und einiges mehr.
Waren die Rücktritte von Parteichef Marcus Weinberg und Fraktionschef Dietrich Wersich richtig?
Heintze: Aus Sicht von Weinberg und Wersich waren sie konsequent. Wir haben nicht konsequent genug an der eigenen Position gearbeitet und unsere Themen nach vorne gebracht. Da liegt die Schuld bei uns allen. Ich hätte früher den Mut haben sollen, Positionen bei für die Stadt wichtigen Themen stärker zuzuspitzen.
Klassischerweise hält sich der CDU-Landeschef aus der Tagespolitik heraus und überlässt sie dem Fraktionschef. Wie werden Sie es halten?
Heintze: Fraktionschef André Trepoll und ich haben uns klar abgestimmt. Die Partei wird sich stärker zu Wort melden als bisher. Dazu gehört, die CDU in der Stadt deutlich sichtbarer zu machen. Die Fraktion ist zudem kleiner geworden. Hier ist Unterstützung nötig. Und wenn ich dann sehe, was bei den Koalitionsverhandlungen von SPD und Grünen in Sachen Lampedusa-Flüchtlingen an Zugeständnissen droht, dann habe ich eine klare Meinung dazu und werde diese auch äußern.
Und die wäre?
Heintze: Ein Flüchtling, der kein Bleiberecht hat, muss zurück. Punkt. Bei solchen tagesaktuellen Fragen werde ich natürlich die Position der Partei artikulieren.
Sie haben betont, Ihr christliches Menschenbild gebe Ihnen Halt. Was bedeutet das für die praktische Politik?
Heintze: Ich bin Protestant und habe lange Jahre, noch bis zum Beginn meiner politischen Tätigkeit, viel christliche Kinder- und Jugendarbeit gemacht. Ich habe Gottesdienste gestaltet. Ich fand es immer wichtig, eine Wertorientierung zu haben. Ansonsten wird man beliebig. Und Beliebigkeit ist schwierig, wenn es um so wichtige christliche Grundwerte wie Menschlichkeit, Menschenwürde und Nächstenliebe geht.
Wie passen Nächstenliebe und Ihre Position zur Flüchtlingspolitik zusammen?
Heintze: Menschen, die in ihrer Heimat verfolgt werden, von Krieg bedroht werden, denen müssen wir helfen. Aber nicht jeder, der hier ist, hat Krieg und Verfolgung erlebt. Ein christliches Menschenbild ist ein wichtiger Punkt in der Grundorientierung. Aber praktische Politik muss ein gesellschaftliches Miteinander möglichst spannungsfrei gestalten.
Dann muss ein Politiker sich von seiner christlichen Grundorientierung also auch mal lösen?
Heintze: Nein, das muss er überhaupt nicht. Ich finde es wichtig, mit Respekt auf Menschen zuzugehen, mit ihnen menschenwürdig umzugehen. Ich finde es aber auch wichtig, dass man am Ende sagt, was im Miteinander geht und was nicht geht. Und das ist auch Aufgabe der Politik. Man muss sich gleichzeitig selbst reflektieren. Und da spielt Glaube eine wichtige Rolle. Deshalb kann ich auch nicht jede Flüchtlingsfrage gleich beantworten. Ich fordere etwa kein schärferes Asylrecht.
Zurück zu den weltlichen Themen: Die schlechten Wahlergebnisse belasten die CDU auch finanziell, weil es viel weniger Abgaben von Abgeordneten und weniger staatliche Parteienfinanzierung gibt. Es ist von 200.000 Euro Schulden die Rede.
Heintze: Die Lage ist angespannt. Ich will mich aber an Spekulationen über Zahlen nicht beteiligen. Wir bereiten gerade den Jahresabschluss für 2014 vor. Wenn die Zahlen vorliegen, werden wir sie veröffentlichen.
Wird sich die CDU von der Parteizentrale am Leinpfad trennen müssen?
Heintze: Das Haus ist schuldenfrei. Die CDU wird sich im Moment nicht von dem Gebäude trennen. Die Partei muss sich über ihre Einnahmen finanzieren. Es wäre grundfalsch, ein Vermögen für laufende Ausgaben zu verfrühstücken. Wenn wir diese Immobilie verkaufen, wird es immer eine neue geben müssen.
Sie haben sowohl bei der Europawahl als auch bei der Bürgerschaftswahl jeweils heftige Schlappen erlitten und ein Mandat verpasst. Jetzt stehen Sie kurz darauf als strahlender Sieger und neuer Partei-Chef da. Wie verkraften Sie das?
Heintze: Die politischen Zyklen sind deutlich schneller geworden. Die habe ich voll mitgenommen. Die Erfahrungen machen einen wetterfester. Und man muss sich immer mal wieder fragen, warum man das eigentlich macht. Ich genieße aber auch die Freiräume, die es gibt, weil ich eben nicht mehr vier Stunde lang im Ausschuss sitze.
Und warum machen Sie es dann?
Heintze: Weil es mir Spaß macht, zu gestalten und weil es mir Spaß macht, etwas für die CDU rauszuholen. Ich möchte, dass die CDU wieder da landet, wo sie mit Ole von Beust einmal war.
Meinen Sie das inhaltlich oder meinen Sie die Wahlergebnisse?
Heintze: Ich meine die Wahlergebnisse. Ich erahne: Wir brauchen das nächste Mal andere Inhalte. Hamburg hat sich weiter entwickelt.